Startseite

AUGSBURG                                                                                                                29.9.12

 

****************************************************************************

Beitrag 1 : Ausburg unter den Welfen und Staufern (1132-1268)

Beitrag 2:  Augsburg: Stadt einer 2000-jährigen Geschichte

****************************************************************************
Beitrag 1

Aus: Geschichte der Stadt Augsburg.1.Aufl. 1984                                   !

 

Augsburg [und der Lechrain] unter den Welfen und Staufern (1132-1268)


von Pankraz Fried


War das östliche Schwaben und vor allem Augsburg in der Reichspolitik der sächsischen und salischen Kaiser wiederholt in den Mittelpunkt des Geschehens getreten, so hatte es innerhalb des Verbandes des schwäbischen Herzogtums mehr eine Außenseiterrolle gespielt. Dies änderte sich, als 1079 die aus Schwaben selbst stammenden Staufer das Herzogtum Schwaben übernehmen. Für sie mußte es naheliegen, die politisch-geographischen Möglichkeiten Ostschwabens als eines Verbindungslandes zwischen Schwaben und Bayern einerseits und als Nord-Süd-Verkehrs-Achse andererseits für die Reichspolitik zu nutzen. Augsburg fiel dabei die bedeutsame strategische Position eines »deutschen Tors zum Süden« vor dem Brenner- und Fern- bzw. Reschen-Scheideck-Paß zu, die seit dem 11. Jahrhundert für die Italienzüge der deutschen Könige immer mehr an Bedeutung gewannen. Als treue Parteigänger Heinrichs IV. wurden die Staufer bereits im Investiturstreit zu erbitterten Gegnern der Welfen, die seit 1070 das Herzogtum [128 ]Bayern und ganz Oberschwaben innehatten 2). 

Die Kämpfe entzündeten sich am heftigsten um den Besitz der Bischofsstadt Augsburg, die auch nach dem Investiturstreit durch den welfisch - staufischen Gegensatz seit 1125 in stärkste Mitleidenschaft gezogen wurde. Nach dem Tode des letzten Salierkaisers Heinrich V. wurde von der salierfeindlichen und kirchenfreundlichen Fürstenpartei der Sachsenherzog Lothar von Supplinburg zum deutschen König gewählt, der seinen ärgsten Rivalen, den Welfen Heinrich den Stolzen, durch Vermählung mit seiner Erbtochter Gertrud für seine Gefolgschaft zu gewinnen wußte. Der Ort der Heirat, die 1127 festlich mit schwäbischen und bayerischen Großen gefeiert wurde, war der berühmte »Gunzenlee« (bei Kissing), eine uralte Gerichts- und Heeressammelstätte der deutschen Könige vor ihrem Aufbruch nach Italien, insbesondere seit salischer und staufischer Zeit 3). Der Anhang der restlichen Salierpartei wählte jedoch noch im gleichen Jahr den Staufer Konrad, einen Bruder des Schwabenherzogs und Enkel Heinrichs IV., zum Gegenkönig. Als der Staufer sich weigerte, das von ihm verwaltete salische Königsgut herauszugeben, erklärte ihn Lothar für geächtet. Es setzten Fehden und Rachezüge der beiden verfeindeten Parteien ein, die vor allem das nord- und mitte¬schwäbische Gebiet verwüsteten. Als König Lothar auf seinem Romzug 1132 in Augsburg eintraf, entstand in dieser kriegerischen Atmosphäre aus nichtigem und irrigem Anlaß am 28.8.1132 im suburbium (Kaufmannsvorstadt), in der Stadt und auf dem Fronhof ein verheerender Kampf zwischen den königlichen und bischöflichen Rittern, den der dabei schwer verwundete Bischof Hermann vergebens zu schlichten versuchte 4). Nach Verwüstung der gesamten civitas Augsburg, in der er das Zentrum der Staufermacht erblickte, zog der König tags darauf in Richtung Süden nach Italien ab. Der Kampf zwischen der welfischen und staufischen Partei tobte indes weiter; noch 1132 ging das welfische Memmingen und 1134 das staufische Ulm in Flammen auf. Die Fehden flackerten erneut auf, als nach dem Tode Lothars 1138 der Staufer Konrad III. zum König gewählt wurde, und nicht sein mächtiger Rivale Heinrich der Stolze, der aber bereits 1139 starb. Für seinen unmündigen Sohn Heinrich (den Löwen) führte zunächst sein Oheim Welf VI. den Krieg gegen die Staufer weiter, wobei er allerdings bei einem Treffen bei Bopfingen 1150 eine empfindliche Niederlage einstecken mußte. Erst Friedrich I. Barbarossa schuf den endgültigen Ausgleich zwischen den   verfeindeten Sippen, indem er Heinrich dem Stolzen das Herzogtum Bayern (1156) und seinem Oheim Welf VI. die Reichslehen Tuszien und Spoleto in Italien sowie die sogenannten Mathildischen Güter überließ. 

Kaiser Lothar hatte sich 1132 getäuscht, als er glaubte, das zumindest seiner Gesinnung nach staufische Augsburg ein für allemal ausgelöscht zu haben. Kaufleute hatten schon wenige Jahre nachher in einer bewundernswerten Aufbauleistung die schlimmsten Schäden beseitigt und die Befestigung wiederhergestellt. Der Dom wurde erweitert prachtvoller ausgestattet (Steinbaldachin an der Wand des Westchors, Prophetenfenster, Bau eines neuen, vierflügeligen Kreuzgangs, Erhöhung Türme und Giebelaufbauten). Neues Leben regte sich auch bei St. Ulrich unter dem tatkräftigen Udalschalk von Maisach, der beim Kloster Laienbruderschaft begründete und es zu einem kulturellen Mittelpunkt ausgestaltete. 5)

Die Zeit nach der Zerstörung ist auch die Epoche der Begründung von neuen Klöstern und Stiftern im Geiste  der Kirchenreform (St. Georg, Hl. Kreuz usw.) 6). Der ungemein rasche Aufstieg Augsburgs aus der Asche der Zerstörung von 1132 hatte letztlich seinen Grund in der neuen politischen Lage, die mit dem Königtum der Staufer einsetzte, dessen Abglanz auch auf dem staufertreuen Augsburg lag. Noch im Jahr seiner Wahl zog der Staufer König Konrad III. 1138 als Freund Augsburgs in die Stadt. In einem Strafgericht ächtete er den welfischen Bayernherzog Heinrich den Stolzen, dem dabei das Herzogtum Bayern entzogen wurde, so daß der Lechrain wieder zu einer ruhigen Grenze wurde 7). Es erfolgte eine Neuummauerung der Stadt, zu der vielleicht die Tatsache in Beziehung steht, daß seit der Mitte 12. Jahrhunderts das Münzbild der bischöflichen Silberblechpfennige eine Stadtmauer mit offenem Mauertor enthält. In einer Urkunde Bischof Walthers  sind 1143 unter den bischöflichen Ministerialen außer dem Burggrafen, dem Kämmerer, dem Kastner, Truchseß und Hofmeister auch die Leute aufgeführt, welche die Haupttore zu verwalten hatten: Ebo de meridionali porta civitatis (vom südlichen Stadttor), Marquart de porta aquilonari (vom  Nordtor)8). 

Im Jahre 1152 betrat als zweiter Staufer der Neffe König Konrads, der Schwabenherzog Friedrich, der im gleichen Jahr zum König gewählt worden war, die Stadt Augsburg. Barbarossa, wie er später von den Italienern genannt wurde, ließ sich während seines Aufenthaltes von Bischof Konrad, der Geistlichkeit und den Bewohnern der Kaufteutestadt in Anwesenheit des Hochvogtes Adelgoz I. von Schwabegg und des Burggrafen Klagen über Übergriffe der Vögte und die allgemeine Unsicherheit der Rechtszustände in der Stadt vortragen. Der König befahl, man möge alles gemeinsam feststellen, was in Augsburg nach altem und gesetzlichem Herkommen Recht sei, um es dann bestätigen zu können 9). 
Noch mehr als vorher leitete die Regierungszeit Barbarossas (1152-1190) für Augsburgs Geltung im Reich einen ungeahnten Aufschwung ein 1O). Sie wird faßbar durch zahlreiche Aufenthalte des Kaisers und seiner Nachfolger in Augsburg anläßlich von Heerfahrten nach Italien (Romzüge ), Gerichtstagen und Familienfesten, die meist um Pfingsten auf dem Gunzenlee vor Augsburg festlich begangen wurden. So wurde der Föhringer Schied und damit die Begründung des Marktes München auf einem Hoftag zu Augsburg am 14. Juni 1158 verkündet. Wohl um die für die Italienzüge strategisch wichtige Stadt noch enger an sich zu binden, erwarb Barbarossa 1167 die Hochstiftsvogtei und damit auch die Vogteigewalt über die Bürgerstadt Augsburg. »Seit 1168 hat Augsburg als staufischer Hauptplatz zu gelten« (W. Zorn). Auch die persönlichen Bindungen Barbarossas zu Augsburg gestalteten sich zusehends enger. 1182 ließ er sich in die Gebetsbruderschaft der Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra aufnehmen. Mit seinen Söhnen Heinrich, Otto und Philipp wohnte er 1187 mit zahlreichem Gefolge der Weihe des neuerbauten Ulrichsmünsters bei.

Einige Jahre zuvor, 1184, war in der Bischofspfalz der Ehevertrag zwischen der normannischen Prinzessin Konstanze, der Erbin Siziliens, beschworen worden. »Oberschwaben ist also bereits unter Friedrich Barbarossa eine der königlichen Kernlandschaften [129] geworden, Augsburg steht mit acht Aufenthalten des Hofes unter den Bischofsstädten nach Würzburg, Regensburg und Worms bereits an vierter Stelle« (G. TeIlenbach). Auch unter den Nachfolgern Barbarossas setzte sich die hervorragende Stellung Augsburgs im Stauferreich fort. Noch 1190 begab sich der seinerzeit in Augsburg verlobte König Heinrich VI. dorthin, um von hier aus seinen Romzug anzutreten. 1191 zum Kaiser in Rom, 1194 zum König von Sizilien gekrönt, kehrte er im gleichen Jahre mit seinem Heer wieder nach Augsburg zurück. Hier fand auf dem nahen Gunzenlee die Vermählung des jüngeren Kaiserbruders Philipp mit der byzantinischen Kaisertochter Irene, der Witwe König Rogers (111.) von Sizilien, statt. Philipp war als König in den Monaten Juli und August 1205 in Augsburg, 1207 hielt er hier eine große Hofversammlung ab, während des Philipps Tochter Kunigunde mit Wenzel, dem Sohn des Böhmenkönigs Ottokar, verlobt wurde. Im Jahr nach der Ermordung Philipps von Schwaben in Bamberg 1208 durch den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach weilte dessen ehemaliger Gegenspieler und nunmehriger König, der Welfe Otto IV. in Augsburg. Nach seiner Vermählung mit Beatrix, der Tochter Philipps, bot er wie seine Vorgänger vom Gunzenlee aus sein Heer zur Romfahrt auf. Augsburg blieb jedoch staufisch gesinnt: Als der Sohn Heinrichs VI., Friedrich II., 1212 von Sizilien aus über die Bündner Pässe von Konstanz kommend' dem Welfenkönig Otto entgegentrat, öffnete dem jungen Staufer 1213 die Stadt Augsburg ihre Tore. Von einer Ausnahme abgesehen, verweilte Kaiser Friedrich II. bei allen seinen Deutschland-Aufenthalten in Augsburg: Er feierte hier zum Beispiel 1219 Weihnacht und versammelte 1220 sein Heer für die Romfahrt und Kaiserkrönung. Für die nun folgende längere Abwesenheit setzte der Kaiser den Wittelsbacher Ludwig I. von Bayern als Reichsverweser ein. Nach dessen Ermordung 1231 trieb des Kaisers Sohn Heinrich (VII.) in dieser Funktion eine wenig glückliche Politik in Deutschland. Immerhin wird in einer seiner 1231 für St. Ulrich ausgestellten Urkunden Augsburg als urbs regia, als Königsstadt bezeichnet, in der er innerhalb von zehn Jahren mehr als zehnmal weilte. Als Heinrich (VII.) sich schließlich gegen seinen Vater erhob, zog Friedrich II. 1235 ein letztes Mal über die Alpen [130 ]nach Deutschland, um seinem rebellierenden Sohn entgegenzutreten. Ende Oktober 1235 hielt sich der Kaiser wieder in Augsburg auf. In den Monaten Juni/ Juli 1236 fand nochmals ein glänzender Hoftag zu Augsburg statt, dem dann der Aufbruch nach Italien und Sizilien folgte. König Konrad IV., des Kaisers anderer Sohn, brach 1238 von Augsburg aus mit einem Heer zu seinem Vater nach Italien auf. Nach seiner Hochzeit mit Elisabeth von Bayern 1246 verweilte König Konrad IV. in Palacio domini episcopi (Bischofspfalz) zu Augsburg, wo er seiner Gemahlin sein Erbgut Mering mit dem ganzen »Heibisch«, einem Königsgutbezirk, als Morgengabe schenkte. 1251, ein Jahr nach dem Tode Friedrichs II., hielt König Konrad IV. als Hochvogt der Kirche von Augsburg einen Hoftag zu Augsburg in Anwesenheit seines Schwagers, des Bayernherzogs OttoII., ab, um vor seinem Aufbruch nach Italien die deutschen Verhältnisse zu ordnen. Der 1254 verstorbene König, mit dem die Stauferherrlichkeit zu Ende ging, sollte Augsburg nicht mehr wiedersehen. Sein unmündiger, am bayerischen Hof erzogener Sohn Konradin kam erstmals 1262 nach Augsburg, wo er sich seit 1264 mehr oder weniger ständig aufhielt, meist in Begleitung seines Erziehers, des schwäbischen Reichsministerialen Volkmar von Kemnath. Er weilte auch öfters auf der Burg Friedberg, die sein Oheim Herzog Ludwig von Bayern um 1247 zur Durchsetzung staufischer Rechte gegen den Bischof von Augsburg hatte erbauen lassen. Von Augsburg aus gelang es Konradin, in seine Rechte als Hochvogt und schwäbischer Herzog eingesetzt zu werden, und von Augsburg aus bereitete er seit 1267 seinen Italienzug vor, um sein angestammtes Königreich Sizilien in Besitz zu nehmen. Das Unternehmen endete 1268 mit der Gefangennahme und Enthauptung Konradins zu Neapel.
Trotz des Niedergangs der Staufer konnte Augsburg seine Stellung als Kaiserstadt in Deutschland und als Reichsstadt, wie sie 1235 einmal von italienischer Seite bezeichnet wird, 11) behaupten. Die Grundlagen hierfür waren im Jahrhundert der stärksten staufischen Machtentfaltung (ca. 1150-1250) gelegt worden. Das Bürgertum hatte sich de facto von der bischöflichen Stadtherrschaft emanzipiert und vom Königtum zahlreiche Freiheiten erworben. Sie galt es künftig zu sichern, wie dies dann 1276 und 1316 erfolgt ist.

Der politische Aufstieg Augsburgs zur Bürgerstadt der späten Salier- und in der Stauferzeit schlug sich  auch in der Erweiterung des Stadtgebiets nieder. Im 11. und 12. Jahrhundert verdichtete sich allmählich der Siedlungsraum zwischen der alten Bischofsstadt (civitas) und dem Kloster St. Ulrich und Afra. Zum 969 gegründeten adeligen Damenstift St. Stephan kam um 1019 das Stift St. Moritz hinzu, desen Errichtung auf Bischof Brun zurückgeht, der St.l Ulrich und Afra um 1012 als Benediktinerkloster neu begründete. Zur Zeit Bischof Embrikos (1063-1077) entstanden St. Martin am Kesselmarkt als Kanonikerstift sowie die Chorherrenstifte St. Peter am Perlach (um 1067) und St. Gertrud (1071). Die]Reformklöster St. Georg und Hl. Kreuz deuten Wachstum der Stadt nach Norden und Westen an. Neben diesen klösterlichen Siedlungszentren sind vor allem die Siedlungskerne der Kaufleute und Handwerker zu nennen, die bis ins 12. Jahrhundert hin als suburbia (Vorstädte) ohne Mauerschutz südlich und nördlich von der Bischofsstadt entstanden waren. Das südliche suburbium war bereits bis 1100 zum Perlach, wo vermutlich die alte Vogtdingstätte lag, und zum Moritzstift hin gewachsen; 1172 liegt alte Siedlungskern von St. Ulrich und Afra in civitate (in der Stadt) bzw. 1187 infra muros (innerhalb Mauern).
Die Kaufleutestadt scheint sich damals in das Gebiet zwischen St. Moritz und St. Ulrich ausgedehnt zu haben. Mit einem gemeinsamen Graben und Mauer umschloß man den außerordentlich gewachsene Stadtbezirk vom Nordende der Bischofsstadt bis zum Südrand der Abtei. Durch eine am Fuße der Hochterrasse verlaufende Mauer mit Graben wurde er Osten geschützt. Im angehenden 13. Jahrhundert sind die Anfänge der Jakobervorstadt zu suchen, die vermutlich aus einem älteren Siedlungskern erwachsen ist. Insgesamt ist festzustellen, daß, von der Jakobervorstadt abgesehen, bis zum Ende 12. Jahrhunderts der ganze Siedlungsraum der Stadt Augsburg schon erfaßt, wenn auch noch nicht einem umfassenden Mauerring abgegrenzt war, der dann bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bestand.

Die damals noch bestehenden Lücken füllte das Wachstum der unteren und mittleren Schichten der Stadtbevölkerung auf, wofür die Tätigkeit der Bettelorden und Beginenklöster Zeugnis ist.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts ist 1295 die »vorstat vor unser frawen tor« erwähnt, die vor dem nördlichen Tor der alten Bischofsstadt die Stifte Hl. Kreuz, St. Georg und St. Stephan zwar noch nicht in die Ringmauer, aber in die Stadtumgrenzung einbezog, dann aber in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts fest ummauert wurde. Nach der Abriegelung der Bischofsstadt durch die Frauenvorstadt schritt die Stadtgemeinde etwa gleichzeitig zur Stadterweiterung nach Osten in Richtung auf das bischöfliche Lechhausen. Die noch locker und überwiegend agrarisch besiedelte Vorstadt vor dem Barfüßertor wurde damals mit Mauerring und Graben umgeben und mit 'einer nova porta (1346 erstmals erwähnt), dem späteren Jakobertor, versehen. Die Einbeziehung der später - nach dem dort 1358 gestifteten Jakobsspital sogenannten - Jakobervorstadt vergrößerte die Stadtfläche auf 168 ha, die nun die zehnfache Größe der Fläche der alten Bischofsstadt hatte. Mit diesem Umfang bestand die ummauerte Stadt bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts.

 Anmerkungen


1 Vgl. Pankraz Fried und Raimund Kottje: Die Staufer in Augsburg, Schwaben und im Reich. Hrsg. v. d. Stadt Augsburg, 1977; Zorn, Augsburg, S. 81 ff.; Die Zeit der Staufer (Ausstel-lungskatalog Stuttgart), 1977 (bs. Klaus Schreiner); HdbBayG III, S. 848 ff.
2 Beitrag Kreuzer (Bischofsstadt).
3 Barthel Eberl: Die Ungarnschlacht auf dem Lechfeld (Gunzenlee) [131] im Jahre 955, Augsburg 1955 (Abh. z. Gesch. d. Stadt Augsburg/Schriftenreihe des Stadtarchivs H. 7); Werner Goez: Augsburg und Italien im Mittelalter. In: Zeitschr. f. Stadtgeschichte, Stadtsoziologie u. Denkmalpflege 1974, S. 196 bis 220.
4 Reg. Augsb. Nr. 475, Brief Bischof Hermanns an Bischof Otto v. Bamberg; E. E. Gebele: Das Leben und Wirken des Bischofs Hermann von Augsburg vom Jahre 1096-1153, Augsburg 1870; s. Beitrag Kreuzer (Bischofsstadt).
5 Norbert Hörberg: Libri Sanctae Afrae, Göttingen 1983 (Studien zur Germania Sacra 15); Wilhelm Liebhart: Die Reichsabtei St. Ulrich und Afra zu Augsburg (1006-1803), 1983 (Historischer Atlas von Bayern, Teil Schwaben, Reihe 2, Heft 2).
6 Siehe Beitrag Liebhart (Klöster).
7 Pankraz Fried: Zur Entstehung und frühen Geschichte der alamannisch-baierischen Stammesgrenze am Lech. In: ABLG Schw 1(1979), S. 47-67; Helmut Maurer: Confinium Alarna-norum. Über Wesen und Bedeutung hochmittelalterlicher »Stammesgrenzen«. In: Historische Forschungen für Walter Schlesinger, hrsg. v. Helmut Beumann, Köln 1974, S. 150 bis 161.
8 Zorn, Augsburg, S. 85 .
9 Siehe Beitrag W. Baer (Stadtrecht).
10 Gerd TeIlenbach: Augsburgs Stellung zu Schwaben und im deutschen Reich während des Mittelalters. In: Augusta S. 61 bis 69.
11 Vgl. Zorn, Augsburg, S. 93.
12 Zur mittelalterlichen Topographie Augsburgs s. Schröder,  Hist. Atlaas Augsburg. Schröder stützt sich wesentlich auf die engagierten Arbeiten von Walter Groos, die im Atlas zitiert sind. Zu ergänzen wäre: Walter Groos: Beobachtungen zum römischen Augsburg. In: ABLG Schw I (1977), S. 68-82; s. weiter ders. in: Augsburger Blätter, 1.-5. Jahrg. (1975-1979); Erich Herzog: Werden und Form der mittelalterlichen Stadt. In: Augusta, S. 83-105; ders., Die ottonische Stadt. Die Anfänge der mittelalterlichen Stadtbaukunst in Deutschland, Berlin 1964 (Frankfurter Forschungen zur Architekturgeschichte 2), S. 182-196.

____________________________________________________________________________

 Beitrag 2                                                                                

 

 Augsburg: Stadt einer 2000-jährigen Geschichte


Von Pankraz Fried


Unter den drei bayerischen Großstädten ist Augsburg mit Abstand die älteste. Während Nürnberg zum ersten Mal im Jahre 1050 erwähnt und München als Markt erst 1158 gegründet wird, schickte sich die kleinste unter Bayerns Großstädten, Augsburg, 1985 an, ihre 2000-Jahrfeier zu begehen. Ihre Anfänge reichen demnach weit über das Mittelalter zurück in die frühe Römerzeit, in das Zeitalter des römischen Kaisers Augustus, dessen Namen sie trägt. Dessen Schwiegersöhne Drusus und Tiberius waren es, die im Jahre 15. v. Chr. das Voralpenland bis zum Zusammenfluß von Lech und Wertach und schließlich bis zur Donau hin dem römischen Weltreich als Provinz Rätien einverleibten. Bereits ein gutes Jahrzehnt nach Chr. Geburt wird ein römischer Prokurator, Statthalter dieser Provinz erwähnt, dessen Sitz die aus einem römischen Militärlager erwachsene "splendidissima Raetiae provinciae colonia", die "herrlich aufgeblühte Pflanzstadt (Augsburg) der Provinz Raetien" war, wie Tacitus sie um 100 n. Chr. preist. Schon zur Zeit der Eroberung, dann aber unter Kaiser Claudius war die Hauptstadt der rätischen Nordalpenprovinz um 46/47 durch eine feste Straße, der "Via Claudia", mit Italien verbunden: ihre Meilensteine und Straßenzüge sind bis weit ins Mittelalter hinein benutzt worden und teilweise heute noch zu sehen.
Über das Aussehen des römischen Augsburg sind wir nur umrißhaft informiert. Mehrere Zerstö-
rungen durch die hier im 3. Jh. bereits einfallenden Alamannen (= Schwaben), durch weitere Verwüstungen in der Völkerwanderungszeit und nicht zuletzt die Wiederverwendung sämtlichen römischen Fundgutes als Baumaterial haben bewirkt, daß von der Römerstadt kein Stein auf dem anderen obertägig mehr stehen geblieben ist. Die bisherigen Funde und Ausgrabungen lassen jedoch den Umfang der Römerstraße relativ gut erschließen. Sie erstreckte sich vom Leonhardsberg im Süden bis zum Lueginsland im Norden und vom Fronhof im Westen bis zum Lechabhang im Osten. Was die Lage der einzelnen öffent¬lichen Gebäude (Tempel, Forum, Thermen, Palatium, Cirkus usw.) betrifft, so sind wir nach dem derzei¬tigen Stand der Grabungen mehr auf Vermutungen als auf gesicherte Tatsachen angewiesen. Sicher dürfte vielleicht jedoch die Lokalisierung spätantik-frühchristlicher Kirchenanlagen beim Dom und bei St. Gallus (neben St. Stephan) sein. Dies ist der archäologische Beweis dafür, daß im römischen Augsburg das Christentum als "Staatsreligion" bereits seit Kaiser Konstantin heimisch geworden war. Als schriftliches Zeugnis für die Zeit vorher ist uns das Martyrium der hl. Afra 304 unter den Diokletianischen Christenverfolgungen überliefert. Die um 565 bezeugte Wallfahrt zu ihrem Grab (im Bereich des späteren Ulrichsmünster) ist der sichere Beweis dafür, daß nach dem Abzug von römischer Legionen und Verwaltung um 400 in Augsburg eine Restbevölkerung die Stürme der Völkerwanderungszeit, vor allem die Alamannen- und Hunneneinfälle, überlebt hat. (2)

Die dunkle Zeit des 5. und 6. Jahrhunderts lichtet sich erstmals zu Beginn des 7. Jahrhunderts, als von einer (Wieder-) Begründung des Augsburger Bistums durch den fränkischen König Dagobert in späteren Quellen die Rede ist. Die wiederentdeckten Bischofsgräber (?) in St. Ulrich, die aus dieser Zeit stammen, bestätigen wohl die schriftliche Überlieferung. Es ist die Zeit, in der mit fränkischer Hilfe iroschottische und angelsächsische Mönche die in der
Umgebung Augsburgs seit dem 6. Jahrhundert siedelnden Alamannen christianisierten. Seit der Mitte des 8. Jahrhunderts ist dann Augsburg als Bischofssitz und Bistum eindeutig belegt, von wo an sich eine lückenlose Bischofsreihe bis zur Gegenwart nachweisen läßt. Damals
- wie übrigens heute noch - dehnte sich der Diözesansprengel weit ins Altbayerische hinein aus, bis hinauf zur Jachenau, hinüber zum Kochel- und Stambergersee und hinunter bis Pfaffenhofen a.d. Ilm und Manching vor Ingolstadt. Das mächtige Ausgreifen der
Bayernherzöge nach Westen bewirkte indes, daß damals schon der Lech als politische Grenze zwischen Alamannen (Schwaben) und Bayern festgelegt wurde, wodurch der Augsburger Bischofssitz an den Westrand des Alamannenlandes zu liegen kam. Wie ganz Alamannien, so stand dieser von Anfang an unter dem Herrschaftseinfluß der fränkischen Könige und der karolingischen Hausmaier. Er wurde übermächtig, als 746 das alamannische und 788 das bayerische Herzogtum beseitigt und beide als Provinzen dem fränkischen
Reich einverleibt wurden.


Unter Karl d. Großen beginnt der Aufstieg der Augsburger Bischofskirche, wie er durch die großzügige Förderung des damaligen Bischofs Simpert, wohl eines Verwandten des Kaisers, der auch Bischof des 800 mit Augsburg wiedervereinigten Bistums Neuburg-Staffelsee war, zum Ausdruck kommt. Der erste größere Dom mit einer Bischofspfalz wird damals gebaut. In der späteren Karolingerzeit sind Augsburger Bischöfe am Hofe der ostfränkischen Könige als Erzieher und Berater tätig. Schenkungen und Ausstattungen mit Dörfern und Bauernhöfen legten den Grund zur weltlichen Macht des Bischofs von Augsburg in Stadt und Umland von Augsburg, die das ganze Mittelalter hindurch bestimmend sein sollte. Der Bischof war Stadtherr der "civitas", der Bischofsstadt, die damals auf den Südteil der ehemaligen Römerstadt zusammengeschrumpft war. Die mittelalterliche Geschichte der Stadt ist geprägt durch die überragende Gestalt des W. Bischofs Ulrich (923-973). Durch seine entschlossene Abwehr der Ungarn und seine Mitwirkung auf der Lechfeldschlacht 955 wurde er zum Mitbegründer des ostfränkisch-deutschen Reiches unter dem Sachsen König Otto. Als dieser den Bischöfen große Teile der Reichsverwaltung übertrug und 962 das Hl. Römische Reich Karls d. Großen wieder erneuerte, wurde der Grund zum zweiten Aufschwung der Stadt Augsburg gelegt: Für die Italienpolitik und die Romfahrten wurde das bischöfliche Augsburg zum wichtigsten Stützpunkt der deutschen Kaiser in Deutschland. Augsburg mit dem Heeressammelort "Gunzenlee" fängt an, das "deutsche Tor zum Süden" zu werden, durch das Könige und Kaiser mit ihren Heeren, in ihrem Gefolge dann Kaufleute, Handwerker und Künstler, nach Italien ziehen und hierher wieder zurückkehren, wenngleich zunächst noch Regensburg in letzteren Funktionen bis zum 13. Jahrhundert dominiert. Damals entstehen auch immer mehr Klöster vor den Mauem der Bischofsstadt: St. Ulrich, St. Stephan, St. Moritz, St. Peter, St. Georg, Hl. Kreuz, St. Katharina usw.


Der Glanz des Stauferreiches, deren Könige und Kaiser seit 1167 die Vogtei, d.h. die weltliche Herrschaft in der Stadt als Lehen des Bischofs nach den Welfen innehatten, ließ Ausburg im 12. Jahrhundert zu einem ersten Höhepunkt wirtschaftlicher und kultureller Blüte aufsteigen. 1156 bestätigte Kaiser Friedrich Barbarossa den Bürgern der Stadt, die damals sich schon vom Dom bis St. Ulrich erstreckte und am Perlach eine neue Gerichts- und Versammlungsstätte erhalten hatte, die althergebrachten Privilegien, deren Geist bereits Bürger- und Kaufmannsfreiheit atmete. Patrizier-, Kaufleute- und Bürgermacht wuchs unter den Staufern so stark an, daß nach deren Untergang König Rudolf von Habsburg 1276 ein eigenes Rechtsbuch verlieh und damit nicht nur die Unterstellung der Stadtgemeinde unter den Bischof weitgehend aufhob, sondern ihr sogar für die ganze Stadt die Schüsselgewalt anvertraute. Der Bischof von Augsburg, der auf dem umgebenden Lande das größte Territorium (Staat) in Ostschwaben aufgebaut hatte, wurde in der Stadt mehr und mehr an den Rand gedrängt, wenngleich nie ganz verdrängt. Für die weltliche Herrschaft schufen sich die Bischöfe später im Schloß zu Dillingen einen neuen Mittelpunkt. Augsburg selbst wurde seitdem endgültig königliche Stadt, Reichsstadt: eine Stellung, die ihr Kaiser Ludwig der Bayer 1316 endgültig bestätigte. (3)


Neben den Patriziern und Kaufleuten hatte auch das in der Unterstadt sitzende Handwerk in den hochmittelalterlichen Jahrhunderten einen bedeutsamen Aufschwung erlebt und die Stadt durch mehrere Vorstädte (Jakobervorstadt, Frauenvorstadt) erweitert. 1368 gelang es den Zünften, in einer Art "Revolution" einen wesentlichen Anteil am Stadtregiment zu gewinnen. Ein Jahr vorher, 1367, war ein Hans Fugger aus dem Lechfelddörflein Graben als Weber in die Stadt eingewandert und hatte in der bedeutenden Weberzunft Aufnahme gefunden. Gut hundert Jahre später finden wir seinen Nachkommen, den zum Handelsmann aufgestiegenen Jakob Fugger d. Reichen (1459-1525) und seine Familie als eine der reichsten und politisch einflußreichsten Männer nicht nur in der Stadt, sondern auch am Hofe des habsburgischen Kaisers Maximilian, der häufig auf Reichstagen in Augsburg weilte. Er war der Stadt so zugetan, daß er mit dem Beinamen "Bürgermeister von Augsburg" in die Geschichte einging. Die Reichsstadt erklomm damals ihren einmaligen, nie wieder erreichten Höhepunkt: sie wurde zur "Weltstadt der frühen Neuzeit", zum beherrschenden Mittelpunkt des "Zeitalters der Fugger und WeIser", womit man den Beginn früher Monopolhandelswirtschaft meint. Jakob Fugger d. Reiche finanzierte 1519 die Königswahl Karls V., er und seine Nachfolger betrieben die päpstliche Bank in Rom, erwarben das Silber- und Kupfermonopol und finanzierten immer wieder die Habsburger, Kaiser Karl V. vor allem in seinem Kampf gegen die protestantisch gesinnten Fürsten und Städte Deutschlands. Ein fuggerisches Handelsnetz umspannte die ganze damals bekannte Welt, und man griff auch, wie vor allem die Patrizierfamilie Welser, in die "Neue Welt" aus, um dort durch Kolonien sich eigenständige Rechte zu sichern. Die Welsertochter Philippine heiratete 1557 Erzherzog Ferdinand von Tirol; ihre Söhne waren Markgraf Karl von Burgau und Kardinal Andreas von Österreich. Die spanischen Staatsbankrotte in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts hatten jedoch den Niedergang der großen Augsburger Handelshäuser im Gefolge. Die Augsburger "Pracht" entfaltete sich aber erst jetzt so richtig, am augenscheinlichsten in den großen Renaissancebauten des Elias Holl: der teilrenovierte Goldene Saal im Rathaus ist das einmalige Denkmal und Wahrzeichen dieser Epoche Augsburger Geschichte. Es ist die Zeit, die nicht nur durch Habsburger, Fugger und WeIser ihre Prägung erfahren hat, sondern auch durch den großen Glaubensstreit und die Versuche zu seiner Überwindung, die gerade mit Augsburg verknüpft sind, so das "Verhör" Martin Luthers 1518 im Fuggerhause zu Augsburg, die "Confessio Augustana" der Protestanten, "das Augsburgische Bekenntnis" vom Jahre 1530 und der Augsburger Religionsfrieden von 1555, dem der "geharnischte Reichstag" zu Augsburg 1548 nach der Niederlage der Protestanten bei Mühlberg (Augsburger Interim) vorausging.

 

 Die Fernwirkungen des Glaubensstreites waren es jedoch, die auch Augsburg in die kriegerischen Wirren des Dreißigjährigen Krieges hineinrissen und seine einmalige Stellung als Weltstadt der frühen Neuzeit endgültig beendeten: durch Pest, Hunger und Krieg war die zu Beginn des 17. Jahrhunderts um die 40000 Einwohner zählende Stadt auf ca. 17000 im Jahre 1635 zusammengeschrumpft, davon 12000 Protestanten und fast 5 000 Katholiken. 1648 waren beide Konfessionen, vor allem die protestantische, froh, daß Krieg und Streit ein Ende hatten: man feierte hier erstmals und dann jährlich am 8. August das "Friedensfest". Man lebte so gut es ging nach den Grundsätzen der "Parität", wie sie im Westfälischen Frieden 1648 endgültig festgesetzt worden war. Bei Augsburgs Handwerk und Gewerbe, vor dem großen Kriege gleichfalls weltberühmt durch seine Gold- und Silberschmiedeerzeugnisse sowie durch seine kunstvollen Harnische, stellte sich im 18. Jahrhundert nochmals eine Nachblüte ein, vermehrt durch berühmte Kirchenmalerschulen und die "Kaiserlich-franziszeische Kunstakademie". Auf dem Textilsektor ging man zur manufakturellen Herstellung von Weberzeugnissen (Kattunweberei) über.


Auch wenn die Stadt sich keinesfalls in wirtschaftlicher Prosperität befand, so bedeutete doch die Säkularisation des Hochstifts und der Klöster 1803, noch mehr aber die Mediatisierung, das "Bayerisch-Werden" am 1.1.1806 einen tiefen Einschnitt in Augsburgs Geschichte und Selbstbewußtsein: Von einer freien, königlichen Reichsstadt und Stadtrepublik war man auf die Stufe einer bayerischen Provinzstadt herab gesunken, entblößt von vielen Kulturschätzen, die damals ihren Weg in die Münchner Museen, Galerien, Archive und Bibliotheken fanden. Auch der Umstand, daß Augsburg nach einigen Jahren Regierungs-auptstadt von Schwaben wurde, wog die alte selbständige Stellung nicht auf.


Doch schien es zunächst, als ob man sich in die neuen Verhältnisse durch eine frühe und intensive Fabrikindustrialisierung einleben könnte: neben Nürnberg hatten sich in Augsburg relativ die meisten Fabriken im Königreich Bayern ansiedeln können: 1836 die Augsburger Kammgarnspinnerei, 1837 die Mechanische Spinnerei und Weberei als erstes derartiges Unternehmen in Bayern, 1840 das Stammwerk der heutigen Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg, das zur Wiege des Dieselmotors wurde. Am 4. Oktober 1840 traf der erste Zug vom Münchner Hauptbahnhof in Augsburg ein. Nun folgte eine Welle weiterer Fabrikgründungen: 1846 die Wertachspinnerei am Senkelbach, 1847 die Bleicherei Martini, 1850 die Haindlschen Papierfabriken, 1853/55 die Stadtbachspinnerei und die Baumwollfeinspinnerei. Immer mehr Leute strömten aus den Dörfern der Umgebung als Arbeiter in die Fabrikstadt, die so bis zur Jahrhundertwende (1910) auf 123000 Einwohner anwuchs (gegen 26 240 im Jahre 1806!). Der alte Mauerring wurde gesprengt; vor den Toren und in den unmittelbaren Nachbarorten entstanden allenthalben, getrennt von der Altstadt, Fabrikarbeiterquartiere. Eine der letzten zukunftsträchtigen Industrieansiedlungen erfolgte 1927 durch die Messerschmitt-Flugzeug-Gesellschaft, in deren Augsburger Werk im Zweiten Weltkrieg das erste Düsenflugzeug der Welt gebaut wurde.


Der Aufstieg zu einer Industriestadt täuschte lange darüber hinweg, daß Augsburg doch zu einer Provinzstadt geworden war, deren Schicksal es zusätzlich war, in relativer Nähe und bald auch im Sog der aufstrebenden Residenzstadt München leben zu müssen. Man verlor den Kampf um den Sitz der neugegründeten Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank und man mußte zusehen, wie die altangesehene Augsburger Börse durch die neugegründete Münchner überflügelt wurde. Die künstlerische und geistige Blüte Münchens unter der Regentschaft des Prinzen Luitpold ließ gegen Ende des Jahrhunderts den Abstand, in dem Augsburg trotz aller Bemühungen zurückblieb, immer größer werden. Signalwirkung hatte 1882 die Übersiedlung der traditionsreichen "Allgemeinen Zeitung" nach München. So manche Zentralbehörde sollte in Zukunft dorthin ihren Weg nehmen.


Die Neugründung der Universität Augsburg im Jahre 1970 stellt demgegenüber wieder die erste größere Investition des Freistaats Bayern in der alten Fuggerstadt dar. Seit 1974 ist an ihr ein Lehrstuhl für bayerische und schwäbische Landesgeschichte angesiedelt. Die Verlegung des schwäbischen Staatsarchivs von Neuburg nach Augsburg in Universitätsnähe ist gleichfalls ein Fortschritt. Durch die Eingemeindungen im Zuge der Gebietsreform 1971/2 wuchs die Stadtbevölkerung auf über 250000 Einwohner an. Mit neuen Wachstumsindustrien im Bereich der Flugzeugindustrie und im elektronischen Sektor sowie zuletzt als "Umweltkompetenzzentrum" versucht man den Rückgang in der traditionellen Textilindustrie auszugleichen. Trotz der verheerenden Zerstörung durch den Luftangriff vom 25. Februar 1944 ist es Augsburg nach dem Krieg gelungen, die historische Altstadt mit seinen zahlreichen Bau- und Kunstdenkmälern überraschend schnell, wenn auch mit vielen schmerzlichen Wunden, wieder aufzubauen. Als Kulturstadt hat sich die Lechmetropole durch seine Museen (Maximilianmuseum, Römisches Museum in der ehemaligen Dominikanerkirche, Barockgalerie im Schaezlerpalais, Mozarthaus usw.) und Ausstellungen (Suevia Sacra, Augsburger Barock, Welt im Umbruch usw.), aber auch durch manche mutige Theaterinszenierung einen Namen gemacht. Die 2000-Jahrfeier nahm die Stadt zum Anlaß, sich mit dem marxistischen Literaten Bert Brecht durch Errichtung einer Gedenkstätte in seinem Geburtshaus großzügig zu versöhnen, indem sie auch seinen 100. Geburtstag  heuer in festlichem Rahmen beging. Für das Jahr 2000 ist die Eröffnung des Diözesanmuseums St. Afra am Dom vorgesehen.

_________________________________________________________________________

Erstm. gedruckt in engl. Übersetzung, in: Jahresbericht der Hypo-Bank, Augsburg 1985).
Ludwig Hammermayer zum 70. Geburtstag in Erinnerung an den gemeinsamen Dienst in der "Reichsministerialität" K. Bosls überreicht! - Bilder oben: Venus (?) Bronze, Fundort Luginslandgäßchen. Goldmünze, Präg. Augustus, Fundort Augsburg -Oberhausen

_________________________________________________________________________


Literatur


- Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, hgg. v. G. Gottlieb, P.      Fried u. a., Stuttgart 1984.
- Wolfgang Zorn, Augsburg. Geschichte einer europäischen Stadt. 3. Aufl. Augsburg 1994. °Augsburger Stadtlexikon, hgg. v. W. Baer, P. Fried u. a., 2. Aufl. Augsburg 1998.
 - Augsburg. Geschichte in Bilddokumenten. Hgg. v. F. Blendinger u. W.Zorn, München 1976.
 - Augusta 955-1955. Forschungen und Studien zur Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Augsburgs, Augsburg 1955.

Anhang

° Auszug aus einem Proseminar-Protokoll (ca. 1985)

Nachtrag

2000 Jahre Augsburg. Dokumentation der Feiern im Jubliäumsjahr 1985. 3 Bändchen im Schuber, hrsgg. v.d.Stadt Augsburg 1986