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Beitrag 1: Herzog Welf VI.
Beitrag 2:   Die Geschichte der Grafen von Andechs
Beitrag 3:  Die Grafen von Andechs (D.Albrecht, Teildruck)
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 Beitrag
Aus: Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte Band 52 Jahrgang 1992 S. 105 ff.
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Siehe dazu die Stammtafel der Welfen im Internetwww.Welfen.de/Stammtafel.html  
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Pankraz Fried

 Herzog Welf VI.

Vortrag anläßlich des 800. Todestages von Welf VI. beim Historischen Verein Landsberg 1991.

[S. 105]An einem Tag kurz vor Weihnachten des Jahres 1191. Aus der neuerbauten Kirche des Ptämonstratenserstifts Steingaden dringen gedämpft Trauergesänge der weißen Prämonstratenser-Mönche. Herzog Welf VI., der am 15. Dezember 1191 in Memmin­gen gestorben war, wird in der Gruft beigesetzt, wo bereits sein 1167 in Italien ver­storbener einziger Sohn gleichen Namens seine letzte Ruhe gefunden hat.
In der bayerischen Geschichte steht Welf VI. im Schatten seines berühmten Neffen Herzog Heinrich des Löwen, der sich durch die Gründung Münchens einen Platz in der Geschichte des Landes  hat. Um Bayern selbst und den schwäbischen Hausbe­sitz gekümmert hat sich jedoch nicht so sehr er, der mehr in Sachsen und in der Ost­kolonisation tätig war, als sein Oheim Welf VI.

Die Welfen waren eines der berühmtesten Adelsgeschlechter des Mittelalters. Ihre Ahnen kann man bis in das 8. Jahrhundert als "karolingische Reichsaristokratenfami­lie" zurückverfolgen. Die Welfin Judith war Gemahlin des Karolingerkaisers Ludwig des Frommen, und Hemma, gleichfalls aus welfischem Hause, hatte dessen Sohn Lud­wig der Deutsche zur Frau. Während ein Zweig der Familie damals zu Königen von Burgund aufstieg, überlebten die ostfränkischen  Welfen die Wirren der Zeiten als Großgrundherren vornehmlich in Ober- und Ostschwaben, am Lechrain und Tirol. So brachte den umfänglichen  Königshof Mering am Lechrain  die salische Königstochter Immiza um 100ß  ihrem Gemalhl Welf II. mit in die Ehe.

Mit der Welfin Kunizza starb um 1050 das Geschlecht im Mannesstamme aus. Doch zog ihr Sohn Welf aus der Ehe mit dem lombardisch/italienischen Markgrafen Azzo von Este über die Alpen nach Süddeutschland, um das welfische Erbe anzutreten. Mitten in den Wirren des Investiturstreits belehnte ihn 1070 Kaiser Heinrich IV. mit Bayern, dem damals wohl mächtigsten Herzogtum des Reiches. Als neuen herrschaftli­chen und militärischen Stützpunkt ließ der immer wieder der päpstlichen Partei zunei­gende Herzog Welf aus der italienischen oder jüngeren Linie des Welfengeschlechts die Burg Peiting bei Schongau an den hier sich kreuzenden Straßen zum Fern- bzw. Brennerpaß erbauen - der gewaltige Burgstall ist heute noch zu sehen. Etwa gleichzeitig, um 1078, begründete er im  nachbarlichen Ammergau das Augustiner­chorherrnstift Rottenbuch.

Neben Oberschwaben um Ravensburg und Weingarten wurde so der Lechrain seit zu einem  bedeutenden  Herrschaftsgebiet der Welfen, das eine solches auch noch blieb,  als  Kaiser  Heinrich IV. 1078  dem Herzog die Augstgaugrafschaft absprach, weil er  im Investiturstreit nicht auf Seiten des Kaisers gekämpft hatte.  Sein Sohn Herzog Welf V., der in einer damals Aufsehen erregenden Ehe die viel ältere Markgräfin Mathilde von Tuszien (Toscana) wohl wegen ihres Besitzes  geheiratet hatte,  starb nach einem kampferfüllten Leben 1120 auf der Burg im Dorf Kaufering - der Burgstall neben der Kirche ist heute noch zu sehen. Bei Kaufering befand sich  wohl auch der alte Lechübergang der Salzstraße , bis ihn Heinrich der Löwes nach Landsberg verlegte.

Als  Enkel des ersten welfischen Herzogs von Bayern und als Sohn Herzog Hein­richs des Schwarzen  erblickte Welf, später Welf VI. benannt, um 1115 auf einer der Burgen des welfischen Hausbesitzes in Oberschwaben, um Ravensburg und Alt­dorf/Weingarten das Licht der Welt. Fünf Jahre später wurde sein Vater, der mit Wulfhilde, einer Tochter des Sachsenherzogs Magnus verheiratet war, Herzog von Bayern. Dies bedeutete Umzug an den zu seiner Zeit berühmten bayerischen Herzogs­hof nach Regensburg, wo Welf als jüngstes der fünf Kinder die nächsten 10 Jahre un­beschwert aufwachsen konnte. Doch 1126, mit 11 Jahren war der Welfenprinz bereits Vollwaise, und der Ernst des ritterlich-kriegerischen Lebens griff jäh in sein Leben ein. Zunächst teilte man die Herrschaft: Sein zehn Jahre älterer Bruder Heinrich, we­gen seiner hochfahrenden Art bald mit dem Beinamen "der Stolze" versehen, erhielt das Herzogtum Bayern, Welf selbst übernahm die Herrschaft in Oberschwaben, am Lechrain und in Tirol. Die Stammburg Ravensburg blieb Gemeinschaftsbesitz.

Ein Jahr zuvor, 1125 war der verhängnisvolle Gegensatz zwischen den Welfen und den Staufern, die seit 1079 das Herzogtum Schwaben innehatten, aufgebrochen. Un­mittelbarer Anlaß war die Königswahl nach dem Tode des letzten Salierkaisers Hein- 
rich V. 1125. Nicht der Bruder Konrad von dessen Schwiegersohn Friedrich von Stau­fen wurde zum König gewählt, sondern Lothar von Supplinburg, Herzog von Sachsen, den Herzog Heinrich der Schwarze, der Vater Welfs, mit Entschiedenheit unterstützt hatte. Der Bruder Welfs, Heinrich der Stolze, erhielt als "Lohn" hierfür die Hand von Lothars Erbtochter Gertrud; die glänzende Hochzeit wurde am 29. Mai 1127 in der Pfingstwoche auf dem in den Lechauen beim welfischen Mering gelegenen "Gunzenlee" gefeiert. Welf selbst heiratete 1131/32 mit 16 Jahren Uta von Calw, die Erbtochter des mächtigsten Pfalzgrafen bei Rhein. Sie gebar ihm einen Sohn gleichen Namens, den Welf fast abgöttisch liebte. 

Eine noch größere Vertiefung des welfisch-staufischen Gegensatzes brachte die Kö­nigswahl nach dem Tode Lothars am 4. Dezember 1137 im Dorfe Breitenwang in Ti­rol. Obwohl der Verstorbene die Reichsinsignien samt dem Herzogtum Sachsen seinem Schwiegersohn, dem Welfen Heinrich dem Stolzen, Herzog von Bayern, übergeben und ihn damit zum König designiert hatte, wurde nicht dieser gewählt, sondern der Staufer Konrad, der bereits als Gegenkönig zum welfenfreundlichen Lothar gekürt worden war. Der Kampf zwischen Konrad und Heinrich, zwischen der Königs- und der Fürstenmacht war unvermeidbar. Da starb Heinrich der Stolze völlig unerwartet im Alter von nur 35 Jahren 1139 zu Quedlinburg. Sein Sohn und Erbe Heinrich, der spä­tere Löwe, war kaum fünf Jahre alt. Die ganze welfische Sache hatte nun Welf VI. zu vertreten, insbesondere in Bayern, das der staufische König den Welfen abgesprochen und den Babenbergern gegeben hatte. Die über Jahre dauernden Fehden brachten soviel Not über das Land, daß manche damals, wie der Chronist berichtet, das Ende der Welt nahe wähnten. Eine Unterbrechung brachte der Kreuzzug von 1147, als sowohl König Konrad als auch Welf VI. das Kreuz nahmen. Noch vor seiner Abfahrt gründete Welf  "zum Heil der Seele und zur Vergebung der Sünden" das Kloster Steingaden, das seine Grablege werden sollte. Tief beeindruckt vom Leben an den Höfen zu Byzanz und in Palermo und vor allem von der heiligen Stadt Jerusalem kehrte Welf mit dem Vorsatz zurück, nach dem Vorbild der Rotunde über dem heiligen Grab eine ähnliche Rundka­pelle in Steingaden zu erbauen, die heute noch erhalten ist. Ihr Eingang ziert ein Löwe, das welfische Wappentier.

Nach der Heimkehr flammte der welfisch-staufische Krieg von neuem auf, doch nach dem Tode König Konrads 1152 kam es endlich zu Friede und Aussöhnung. Friedrich, der neue König aus staufischem Hause, aber von einer welfischen Mutter (Judith) stammend, die eine Schwester Welfs VI. war, suchte von Anfang an den Ausgleich. Er übertrug seinem Onkel Welf VI. die Markgrafschaft Tuszien, das Herzogtum Spoleto, die Insel Sardinien und den umfangreichen Güterbesitz aus dem Erbe der Markgräfin Mathilde von Tuszien, der Gemahlin Welfs V. Es war ein ungeheurer Machtzuwachs für Welf VI. Aber auch sein Neffe Heinrich der Löwe hatte Anteil am "welfischen Ausgleich": Er erhielt neben Sachsen das Herzogtum Bayern zurück, allerdings um Osterreich verkleinert, das die Babenberger behielten.
Bereits 1154 hatte Welf die italienischen Herrschaften in seinen Besitz genommen, indem er durch die Städte und Märkte Mittelitaliens zog und sich huldigen ließ. Nach­dem er über mehrere Jahre hinweg die Angelegenheiten Italiens geordnet hatte, über­gab er 1160 den gesamten italienischen Besitz seinem Sohn Welf (VII.) zur Verwal­tung. Er selbst kehrte nach Süddeutschland zurück, um sich auch hier der Erweiterung und Abrundung seiner Herrschaft zu widmen, so daß allmählich ein fast geschlossenes Territorium zwischen oberer Iller, Lech und Ammer entstand, das für seine Zeit fort­schrittlich verwaltet wurde. In den Quellen wird es die "Terra ducis Welfonis, que in episcopatu Augustensi sita est" genannt, also "das Land, des Herzogs Welf, das im Augsburger Bistum liegt". An anderer Stelle berichtet der Chronist, "predictus dux Welfo habuit dominium totius terre tam super ministeriales quam super castra et pre- [106]dita", - "der vorgenannte Herzog Welf hatte die Herrschaft über sein ganzes Land, über ritterliche Dienstmannen und Burgen und Güter ... " (s. Pörnbacher, S. 24).
Dem Zenit der Machtfülle von Welf dem Vater und Welf dem Sohne, wie sie in den Quellen der Zeit genannt werden, folgte der jähe Umschwung, die Katastrophe. Wäh­rend Welf VI. 1167 in Jerusalem weilte, um am Heiligen Grab das Osterfest zu feiern, schloß sich sein Sohn Welf dem Romzug Barbarossas an, der in der Eroberung Roms und der Vertreibung des rechtmäßigen Papstes seinen unrühmlichen Höhepunkt hatte. Bald darauf wütete jedoch eine Seuche im Heere der Deutschen; mehr als 2000 Men­schen wurden dahingerafft, darunter die Hälfte des schwäbischen Adels. Einen Monat nach Ausbruch des Fiebers, am 12. September 1167, erlag ihm auch der junge Welf zu Siena als eines der letzen Opfer. Seine Gebeine brachte man nach Deutschland, nach Peiting, und der Vater Welf begrub seinen einzigen Sohn im Kloster Steingaden - und mit ihm auch alle seine Erwartungen und Pläne.

Hier bricht auch die Familienchronik ab, die wohl im Auftrag Welfs ein Geistlicher an seinem Hofe geschrieben hat und eine der frühesten Familiengeschichten Europas darstellt. Über das weitere Leben des innerlich gebrochenen Vaters Welf wissen wir aus einer Fortsetzung der Chronik, die ein Chorherr von Steingaden nach dessen Tode verfaßt hat. Sie berichtet persönliche und menschliche Dinge sowie aus dem höfischen Alltagsleben, was uns für gewöhnlich die nüchternen Herrschaftsurkunden vorenthal­ten. So wird erzählt, daß die Liebe Welfs zu seiner Frau Uta nicht allzu groß war, zumal er es vorzog, mit anderen Frauen Umgang zu haben. Nach dem Tode seines Sohnes schickte er Uta in ihre heimatliche Burg zurück, obwohl sie nicht weniger über ihren Sohn trauerte als er.

Die nächsten Jahre - es wurden Jahrzehnte - durchlebte er einerseits in maßloser Trauer, andererseits in grenzenloser Vergnügungssucht. Die Chronik berichtet: "Er hatte deshalb nur noch das eine Ziel, ein glänzendes Leben zu führen, dem Weidwerk zu obliegen, Tafelfreuden und anderen Lüsten zu frönen und durch Festlichkeit und wahllose Schenkungen sich den Ruf der Freigebigkeit zu erwerben". Damit die nötigen Mittel für sein großzügiges Leben ständig im Uberfluß vorhanden waren, vermachte Welf seinen gesamten italienischen Besitz seinem Schwestersohn (Neffen), Kaiser Friedrich Barbarossa, gegen bares Geld. Sein gesamtes Eigengut versprach er aufgrund einer Vereinbarung zunächst seinem Brudersohn, seinem Neffen Heinrich dem Löwen. Als zwischen diesen ein ärgerlicher Zwist, wohl um die Höhe der Geldsumme aus­brach, änderte er seine Verfügung zugunsten seines staufischen Neffen. "So kam Kai­ser Friedrich, der in seiner überall bewährten klugen Voraussicht seinen Oheim mit Gold und Silber nach Kräften zufriedenzustellen suchte, in den Besitz der ihm nach Volksrecht übereigneten Erbschaft". Barbarossa behielt davon nur einige Stücke und gab alles andere dem Welfen wieder zu Lehen und lebenslänglicher Nutzung zurück. Nun konnte Welf VI. das Leben eines fürstlichen Rentners führen, wie kaum eines sei­nesgleichen zu dieser Zeit überliefert ist. Dichter und Minnesänger wie Walther von der Vogelweide oder der Tannhäuser rühmen Welf wegen seiner "milte", also seiner großen Freigiebigkeit; in den Annalen des Klosters Ottobeuren wird er als der "freigebigste aller Sterblichen" ("mortalium liberalissimus") bezeichnet. Als eines sei­ner glänzendsten Feste wurde jenes auf dem Gunzenlee bei Augsburg zu Pfingsten 1175 am meisten gerühmt, "wobei er eine unzählbare, von überall her zusammenge­strömte Volksmenge großartig bewirtete. "

Wie der klösterliche Chronist von Steingaden schließlich sein Leben gesehen hat, nachdem er über den Verkauf seiner Güter berichtet hat, vermelden die folgenden Sätze:
"Jetzt wollen wir noch in Kürze berichten, wie er im übrigen gelebt hat. Von den früheren Festlichkeiten mit ihrem fortwährenden Aufwand ließ er beispielsweise gar [107]nicht ab oder nur wenig. Den Rittern seines Hofes und ihren Standesgenossen verehrte er, so oft es ihm passend schien, prachtvolle Rüstungen mit kostbaren Gewändern, Ge­ächtete und was sonst von überall her bei ihm Zuflucht suchte, nahm er mit offenen Armen bei sich auf. Noch mehr verschleuderte er im Verkehr mit liederlichen Wei­bern. Aber auch Almosen gab er reichlich, und ließ Armen und vor allem Blinden und Aussätzigen seine Sorge angedeihen". An anderer Stelle berichtet der gleiche Chronist, daß Welf VI. am meisten der von ihm gegründeten Kirche von Steingaden gegeben habe: "Auch deren Bauleute, die Maurer wie die Zimmerer, wollte er Zeit seines Le­bens alljährlich selbst entlohnen" .
Auf der einen Seite mittelalterliches "high-life", wie wir heute sagen würden, mit glänzenden Festen und ausschweifenden Vergnügungen - auf der anderen Seite aus tiefer re­ligiöser Gesinnung karitative Tätigkeit für die Armen und Notleidenden, sicher in er­ster Linie aus Sorge um das Seelenheil, für das Welf das Kloster Steingaden gegründet hat und großartige Kirchen wie die von Altenstadt mit ihrer anspruchslosen Einfachheit erbauen ließ. Er war kirchen- und papsttreu in dem seit 1158 währendem Schisma, auch wenn dies zu Spannungen mit dem Kaiser und den kaisertreuen Augs­burger Bischöfen führte. Herzog Welf VI. ist, wenn man so will, bis zu einem be­stimmten Grad das südlich - süddeutsche Charaker-Gegenbild zu seinem "nord-deut­scheren" Zeitgenossen und Neffen Heinrich dem Löwen. Seine Bewertung in der deut­schen Geschichtsschreibung war lange Zeit dementsprechend.

Welfs letzte Jahre und sein Hinscheiden schildert wiederum der steingadische Klo­sterchronist in eindrucksvoller Kürze: "Das war der Mann, dem das Glück nicht mit verbundenen, sondern offenen Augen gelächelt hat. Endlich aber schlug der Vater aller Barmherzigkeit ... auch diesen ... mit der Heimsuchung der Erblindung. Diesen Schlag trug er so geduldig und würdig, daß es nur wenige fassen konnten '" Auch seine Gattin Uta, die edle und reine Frau, rief er wieder zu sich und söhnte sich mit ihr aus. Und so beschloß er endlich in Memmingen, wo er sich häutig aufhielt, von einer schweren Krankheit dahingerafft, im 76. Lebensjahr in vollkommender Reue seine Tage".
Es war dies der 15. Dezember 1191. Ritterliche Dienstmannen brachten und beglei­teten seinen Leichnam von Memmingen nach Steingaden. Auf dem Wege, in Kaufbeu­ren, stieß auf den Trauerzug der aus Italien zurückkehrende Stauferkaiser Heinrich VI. Weltfsch-süddeutsch-italienische Vergangenheit und staufisch-reichisch-imperiale Zu­kunft begegneten sich ein letztes Mal.

Literatur
Josef Fleckenstein, Über die Herkunft der Welfen und ihre Anfänge in Süddeutsch­land (= Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte, Bd. IV), Freiburg i. Br. 1957.
Hans Pörnbacher, Herzog Welf VI., (= Lebensbilder aus dem bayerischen Schwaben, Bd. 8), Augsburg 1961.
Karin Feldmann, Herzog Welf VI. und sein Sohn. Das Ende des süddeutschen Welfen­hauses, Diss. Tübingen 1971.
Historia Welforum, neu hgg., übers. und erläutert von Erich König, Sigmaringen 2. Aufl 1978. [108]                            

P.Fried, Hist. Atlas Landsberg u. Schongau (1971), siehe Register unter Welfen.

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Beitrag 2___________________________________________________________________________________________________

Aus: Die Grafen von Dießen-Andechs. Schnell & Steiner Großer Kunstführer. München usw. 1985

 Pankraz Fried                                                                                                                    Noch in Korrektur!


 Die Geschichte der Grafen von Dießen-Andechs


Auf der Höhe des waldbedeckten Moränenzugs, der das Ostufer des Ammersees seiner ganzen Länge nach begleitet, steht heute das Kloster Andechs. Seit dem 15. Jahrhundert ist seine Wallfahrtskirche Jahr für Jahr das Ziel von Hunderten von Pilgern, die bei den dort verwahrten wundersamen Heiltümern Schutz und Segen erbitten. Andechs ist seit die­ser Zeit zum "heiligen Berg" des bayerisch­-schwäbischen Grenzgebiets geworden, zu einem Mittelpunkt süddeutsch-barocker Frömmigkeit, die hier noch stark bis in unsere Tage hinein nachwirkt.

Die Geschichte des Berges beginnt aber nicht erst im 15. Jahrhundert, als die Wallfahrt aufkam und Herzog Albrecht III. von Bayern dort Benediktiner­mönche ansiedelte. Im hohen Mittelalter, bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, stand an der Stelle von Kirche und Kloster eine wehrhafte Burg. Sie war Sitz eines der edelsten und mächtigsten bayerischen Hochadelsgeschlechter und bildete zur Stauferzeit den Mittelpunkt weltlicher Herrschaft im Voralpen­land um Ammer- und Starnbergersee. Diese hoch­mittelalterliche Geschichte des Berges Andechs wurde wieder in unseren Blick gerückt, als nach dem Zweiten Weltkrieg heimatvertriebene Schlesier sich zu den altbayerischen Wallfahrern gesellten, um in Andechs die Geburtsstätte ihrer Landesmutter, der heiligen Hedwig, zu verehren. Hedwig von Schlesien hatte hier als Sproß des Andechser Grafen­geschlechts das Licht der Welt erblickt; ihr Lebens­weg führte dann von den Ufern des Ammersees hin­weg in den Osten.  

Vom Höhenrücken am Südwestufer des Ammer­sees grüßt ein anderes Kloster mit einem machtvol­len Kirchenbau nach Andechs herüber: das ehern. Augustiner-Chorherren-Stift Dießen. Es hängt noch näher und enger mit dem hochmittelalterlichen [3 ]Adelsgeschlecht zusammen, das wir eingangs ken­nengelernt haben: Es ist der ursprüngliche Stamm­sitz der später nach Andechs sich nennenden Gra­fen, die hier ihr Hauskloster begründeten, in dem sie ihre Grablege hatten. Hier - oder schon auf der Burg Andechs - erblickte die andere berühmte Hei­lige dieses Geschlechts, Mechtild, das Licht der Welt. Sie trat in das Kloster Dießen ein, wurde Äbtissin von Edelstetten und kehrte zuletzt wieder in den Dießener Konvent zurück, wo sie um 1160 als Hei­lige starb. Ihre Verehrung ist bis heute im Volk le­bendig geblieben. - Die beiden Klöster und die Ver­ehrung der beiden heiligen Frauen erinnern wohl am eindringlichsten an jenes Geschlecht, das zu Die­ßen und dann zu Andechs seine Hauptburgen im hohen Mittelalter hatte, bis es 1248 ausstarb. Von sei- [4 ]ner Herkunft und Bedeutung, von seinem Aufstieg und Niedergang soll im folgenden die Rede sein.

Ich will geliehen dirre not eins vil  edeln fursten tot
von Meran. Ich da jamer sach und von klage den ungemach von der werlde wunne:
es moht diu liehte sunne
ihr schin da von verloren han ...


Diese ergreifende Totenklage hat der mittelhoch­deutsche Dichter Wirnt von Grafenberg gehalten, als man in den Augusttagen des Jahres 1204 den Nef­fen der hl. Mechtild von Dießen und den Vater der hl. Hedwig von Schlesien in der Familiengruft des  andechsischen Hausklosters Dießen zu Grabe trug ­den Grafen Berthold (IV.) von Andechs, Markgraf von Istrien, Herzog von Meranien, Dalmatien und Kroatien.  

Graf Berthold war eine der vielen glänzenden Per­sönlichkeiten gewesen, die das Andechser Grafen­geschlecht hervorgebracht hatte: Mächtige und streitbare Grafen, Herzöge und Königinnen waren ebenso unter ihnen wie Patriarchen, Domherren, Nonnen und Heilige. Aber meist hat sich nur der klingende Name von der fernen Vergangenheit in die Gegenwart herübergerettet; der Eintrag ins Ster­bebuch, den ein Mönch des Klosters Dießen in gro­ßen Buchstaben aufs Pergament gemalt hat, ist viel­fach die einzige Kunde von ihrem Leben. Keine einzige Lebensbeschreibung eines Andechsers ist uns erhalten, keine einzige Chronik des hohen Mit­telalters ist der Geschichte dieses Geschlechts gewid­met. Erst im 15. Jahrhundert haben Augustiner­Chorherren des Klosters Dießen begonnen, aus den dürftigen Angaben der Nekrologe und der Güter­schenkungsurkunden eine Genealogie dieses Ge­schlechts zu verfassen und so eine späte Chronik ih­rer Klostergründer zusammenzuschreiben. Dann hat es wieder fast vierhundert Jahre gedauert, bis der damalige königlich-bayerische Archivsekretär Ed­mund Freiherr von Oefele sich auf die Suche nach den Quellen zur Geschichte dieser Adelsfamilie machte. In entsagungsvoller Kleinarbeit hat er dann seine Funde im Jahre 1877 mosaikartig zu einer Ge­schichte des Andechser Grafengeschlechts zusam­mengefügt. Seiner Arbeit verdanken wir zum gro­ßen Teil unser heutiges Wissen über die Anfänge, den Aufstieg und den Niedergang des einst so be­rühmten Geschlechts. 

 Wie die Herkunft so vieler hochmittelalterlicher Adelsgeschlechter, so ist also auch die der Grafen von Andechs in tiefes Dunkel gehüllt. Man hat ver­sucht, sie genealogisch mit den bayerischen Luitpol­dingern zu verknüpfen, mit der Familie jenes Herzogs Arnulf von Bayern, der wegen seiner Kon­fiszierung von Klostergütern von späteren klösterli­chen Geschichtsschreibern den Beinamen "der Böse" erhalten hat. Beweisen kann man diese An­sicht aber ebensowenig wie jene andere, daß in den Adern der Andechser noch Blut der Huosi fließe, einer bayerischen Adelsfamilie der Agilulfinger- und Karolingerzeit, deren Hauptbesitzungen im späteren Herrschaftsgebiet der Andechser lagen.

Mit Sicherheit können wir einen Vorfahren der Andechser erst aus einer Kaiserurkunde des Jahres 1003 feststellen. Sie berichtet, daß die Dingstätte ei­nes Grafen Friedrich zu Haching liege und daß ein an der Loisach von Wolfratshausen bis ins Gebirge sich hinziehender Wildbann zu seiner Grafschaft ge­höre.  

Graf konnte damals nur werden, wer aus einer vor­nehmen und reichbegüterten Adelssippe stammte, wer zu den Großen des Landes gehörte. Und Graf zu sein, das bedeutet im 11. Jahrhundert nicht nur Aus­übung eines Amtes, sondern insbesondere auch den Lehensbesitz von Hunderten von Bauernhufen, aus deren Abgaben man eine ansehnliche Gefolgschaft von ritterlichen Vasallen und Dienstmannen ausrü­sten konnte.

 Zum Emporkommen der Sippe des Grafen Fried­rich mag vielleicht auch der Umstand beigetragen haben, daß dieser eine Frau geheiratet hatte, die das Kind einer natürlichen Tochter Kaisers Ottos I. ge­wesen sein soll. Verwandtschaft zum Königshaus hob zu allen Zeiten den sozialen Rang einer Familie und führte im Mittelalter so gut wie immer zum Grafenamt und zu zahlreichen Lehensgütern. Und daß der Sohn des Grafen Friedrich solche Güter in großer Zahl direkt vom Kaiser und Herzog erhalten hat, ist uns sogar ausdrücklich in der Liste der dem Kloster Tegernsee weggenommenen, "entfremde­ten" Orte und Güter im 11. Jahrhundert überliefert: " ... Otto filius Friderici habet [besitzt] Kandes­heim, Stutheim, Amerueld, Holahpah, Popunhusa, Escilpah, Purchusa, Heidoluinga, Oua, Mu­nihha ... ".
[5]
Zur Sippe des Grafen Friedrich muß zu Beginn des 11. Jahrhunderts ein Graf Rasso (Rathardt) gehört haben. Einer seiner Vorfahren gleichen Namens hat einer alten Überlieferung zufolge das nach ihm be­nannte Klösterchen "Grafrath" auf dem Wörth in der Amper nördlich des Ammersees gestiftet. Die Gebeine des 954 verstorbenen Grafen, dessen Mutter wohl dem Geschlecht der Grafen von Hohenwarth entstammte, ruhen heute noch in der dortigen Klo­sterkirche.

Der eigentliche Aufstieg des Geschlechts, der es über die Grenzen der Stammgrafschaft hinausführte, setzte in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ein, in der Zeit des Investiturstreits. Es waren die Jahre, in denen viele der stark und selbst bewußt geworde­nen süddeutschen Hochadelsfamilien dem gebann­ten Kaiser die Treue aufsagten, sich auf die Seite des Papstes schlugen oder geschickt zwischen beiden Parteien hin und her wechselten, um die eigentli­chen Gewinner des Streites zu sein. Allen voran ging dabei Herzog Welf Iv. von Bayern, der nur wenige Jahre beim Kaiser aushielt, um dann ins päpstliche Lager hinüberzuschwenken. Eine solche Partei­nahme konnte ebenso gut zur Vergrößerung der Macht, wie aber auch in die Katastrophe führen. Als Kaiser Heinrich IV. im Jahre 1077 von Canossa nach Deutschland heimkehrte, da fiel der Bannstrahl des Herrschers auf den ungetreuen Welf, der nun aus seinen Besitzungen zwischen Lech und Isar und aus Schwaben vertrieben wurde. Ein anderer wurde für seine Treue zu Kaiser und Reich großzügig belohnt: "Comes Arnoldus nobilissimus bellator imperato­ris ... " - "Graf Arnold, der trefflichste Kämpfer des Kaisers" - so wird mit Stolz und Genugtuung in ei­ner im kaiserlich gesinnten Benediktbeuern ausge­stellten Urkunde jener Ahnherr des Dießen­Andechser Grafengeschlechts bezeichnet, von dem an wir eine fast lückenlose Stammreihe dieser Fami­lie bis zu ihrem Aussterben im 13. Jahrhundert be­sitzen.

Dieser Graf Arnold erschien nun mit einem Male als Inhaber von Grafschaften im tirolischen Inntal, im bayerischen Oberland um Ammer- und Starn­bergersee, im Raume zwischen Isar und Lech - alles Gebiete, die vorher Herrschaftsdomäne der Welfen und einer anderen Adelsfamilie waren, die wir nicht näher kennen. Kurz darauf war Graf Arnold auch der Vogt, der Schutz- und Gerichtsherr, über die Reichsabtei Benediktbeuern, über eines der reich­sten Klöster des bayerischen Voralpenlandes, das Hunderte von Bauernhöfen im Lande besaß. Die Vogtei über das nicht minder reiche Nachbarkloster Tegernsee fiel gleichfalls in dieser Zeit an ihn oder an seine Nachkommen. Ein so auffälliger Zuwachs an [6]Herrschaft und Macht kann nur durch besondere kaiserliche Gunst erklärt werden.

Diese neugewonnenen Grafschaften und Vogteien wurden nun zu einem einheitlichen Ganzen zusam­mengefügt. Geschützt und verwaltet wurden sie von zentral gelegenen Burgen aus, die in dieser Zeit zu Dießen auf dem Schönenberg, zu Wolfratshausen und Amras in Tirol gebaut wurden. Zum "principa­lis locus", zum Hauptsitz der Familie, aber wählte man Dießen am Südwestende des Ammersees, wo auch eine der Hauptdingstätten der Grafenfamilie lag. Dießen wurde zum ersten "Familiennamen" des Geschlechts. Nach Dießen nannte sich zum ersten Male Graf Arnold in den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts.

Burgen auf beherrschenden und uneinnehmbaren Höhen sind der sichtbare Ausdruck des Herrschafts­bewußtseins jener Adelsfamilien gewesen, denen da­mals der Aufstieg zu Macht und Herrschaft geglückt war. Es sind die weithin im Lande sichtbaren steiner­nen Zeugen des Macht- und Herrschaftswillens. Sichtbare Denkmäler des starken Familien- und Tra­ditionsbewußtseins dieser gräflichen Dynasten sind daneben aber auch ihre Hausklöster, die sie an den Stätten errichtet haben, wo ihre Ahnen begraben lagen.


 Die Grafen von Dießen siedelten in den neunziger Jahren des 11. Jahrhunderts bei der vor Dießen gele­genen Kirche zum hl. Georg, bei der sich vermutlich schon ein älteres Klösterlein' befand, Männer und Frauen an, die nach der Regel des hl. Augustin leb­ten. Nach dem Willen ihrer gräflichen Herren hat­ten sie dort für das Seelenheil der Toten und der Le­benden ihres Geschlechts zu beten. Gräfin Kunigunde von Dießen ließ aber bald darauf im Ort selbst eine Kirche zum hl. Stephan errichten, mit der ein Wohngebäude verbunden wurde, in das der Mönchskonvent nun übersiedelte. So entstand das Augustiner-Chorherren-Stift Dießen. Von den Grün­dern reich mit Zehnten und Gütern ausgestattet, er­lebte es unter der steten gemeinschaftlichen Förde­rung aller Angehörigen der Grafenfamilie rasch eine erste Blüte. Der neuen Auffassung der Zeit von geist­licher Freiheit und Selbständigkeit Rechnung tra­gend, übereigneten die Dießener Grafen das Kloster dem Hl. Stuhl, der es 1132 in einem Privileg unter seinen besonderen Schutz nahm.

Nun mochte es nicht mehr passend erscheinen, den Grafentitel an Dießen zu knüpfen, und so nann­ten sich Berthold, der Sohn des Grafen Arnold, und seine Nachkommen künftighin nach der Burg An­dechs, die schon einige Zeit zuvor hoch über dem Ammersee erbaut worden war. "Comes de An­dehsse", "Grafen von Andechs", so wurden sie nun    in den Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts ge­nannt, ein Name, der bald zu den glänzendsten un­ter den deutschen Fürstenhäusern gehören sollte.

In einer Zeit, in der die Wittelsbacher noch ganz auf ihre Stamm grafschaften um 11m, Paar und Glonn beschränkt waren, griff Graf Berthold I. (11.) von Andechs bereits weit über das stammesbayeri­sche Gebiet hinaus. Es gelang ihm, in den zwanziger Jahren des 12. Jahrhunderts reiche Lehen, Grafschaf­ten und Vogteien vom Bischof von Bamberg zu er­werben und diese zur Grundlage einer ausgedehnten Herrschaft im Zweimainland und im Fichtelgebirge zu machen. Er und seine Nachfolger ließen in der Folge im Frankenwald und im Fichtelgebirge roden und siedeln, sie erbauten hoch über Kulmbach die Plassenburg und beherrschten bald das ganze Gebiet um Lichtenfels, Hof und Bayreuth. So sehr verwur­zelten einzelne Glieder des Geschlechts in Franken, daß sie sich oft nur mehr "comites de Plassenburg", Grafen von Plassenburg, nannten. In Bamberg selbst saßen seit dieser Zeit fast nur mehr Andechser auf dem Bischofsstuhl, und nachgeborene Andechser hatten dort immer Domherrenpfründen inne. 


 Mit zwei ausgedehnten Herrschaftskomplexen in Bayern und Franken fest ferwurzelt, mit den bedeu­tendsten Hochadelsfamilien der Zeit verspippt und verschwägert, stieg das Geschlecht dann unter Bert­hold III., dem Bruder der hl. Mechtild von Dießen und Großvater der hl. Hedwig von Schlesien, zu im­mer größerer Macht auf. 1157, ein Jahr vor der Gründung Münchens durch Herzog Heinrich den Löwen, erbte Berthold III. Grafschaft und Besitz sei­nes kinderlos gestorbenen Wolfratshauser Vetters Heinrich, wodurch sich seine Herrschaft weit über die Isar hin nach Osten-ausdehnte. Ein Jahr darauf trat Graf Berthold das Erbe des letzten Formbacher Grafen an, das aus ausgedehnten Grafenherrschaften um Neuburg und Schärding am Inn sowie um Windberg an der Donau bei Passau bestand. In Krain und in der Mark Kärnten fiel ihm Gut von der Mutterseite her zu; sein Bruder Otto verschaffte ihm die Grafschaft im Unterinntal und die einträgli­chen Vogteien über das Hochstift Brixen und das be­nachbarte Chorherren-Kloster Neustift.

Kein Wunder, daß Graf Berthold auf dem Hinter­grund dieser Machtfülle am politischen Leben sei­ner Zeit mehr und mehr Anteil nahm. Während sich seine Wolfratshauser Vettern in die blutigen Fehden zwischen Welfen und Staufern hineinreißen ließen, hielt er sich klug zurück, um aber doch noch frühzeitig genug die Partei der Staufer zu ergreifen, denen er und seine Nachkommen dann unverbrüch­lich die Treue hielten. Bereits bei der Königswahl Friedrich Barbarossas 1152 scheint er ein entscheidendes Wort zugunsten des Staufers mitgeredet zu haben, und er fehlte in den folgenden Jahren fast auf keinem der kaiserlichen Heerzüge nach Italien. Seine Verdienste für Kaiser und Reich waren schon 1173 so groß, daß ihm Barbarossa in diesem Jahre die Markgrafschaft Istrien als unmittelbare Reichslehen verlieh.

Um diese Zeit mag es auch gewesen sein, daß der junge Graf Berthold, der spätere Berthold IV. und Vater der hl. Hedwig von Schlesien, zum erstenmal ins Hoflager des Kaisers ritt und sich auf den Hee­reszügen seine ersten Sporen verdiente. Noch kaum eigenen Verdiensten, aber doch denjenigen seines Va­ters verdankte er es, daß er im Jahre 1180 vom Kaiser den Titel eines Herzogs von Meranien, Dalmatien und Kroatien erhielt - eine Würde, mit der sich zwar keine realen Herrschaftsrechte in diesen Län­dern an der Adria verbanden, die aber bei der dama­ligen politischen Situation im Reich und beim Auf­bau der damaligen Reichsverfassung doch sehr viel bedeutete.

Im selben Jahr, 1180, war nämlich auch Pfalzgraf Otto von Wittelsbach Herzog geworden. Das Her­zogtum Bayern, das er damals nach dem Sturze Heinrichs des Löwen aus der Hand Barbarossas er- [7 ]hielt, war eines der ältesten und mächtigsten deut­schen Länder, die lange schon vor dem deutschen Reich Bestand hatten. Das bayerische Herzogtum war auch zur Zeit der Auflösung der alten Stammes­herzogtümer mehr als eine Würde; es waren damit noch im ausgehenden 12. Jahrhundert das Recht und auch die Macht verbunden, die Inhaber der im Lande gelegenen Grafschaften und Herrschaften zu [10 ]den Landtagen zu zwingen, auf denen dem Herzog gehuldigt werden mußte. Einer Familie aber huldi­gen und sich unterordnen zu müssen, die an Macht und Ansehen dem eigenen Geschlecht damals noch nicht ebenbürtig war, das wollte Kaiser Barbarossa offenbar von Anfang an den Andechsern nicht zu­muten. Es darf als sicher gelten, daß die Andechser schon damals mit ihren in Bayern gelegenen Graf­schaften aus dem bayerischen Herzogtum entlassen wurden; der hochfliegende Titel eines Herzogs von Meranien sollte allen sichtbar zum Ausdruck brin­gen, daß der Andechser dem neuen wittelsbachi­schen Herzog nicht untergeordnet, sondern rang­mäßig gleichgestellt war. Er war wie der Wittelsbacher unmittelbarer Reichsfürst und konnte wie dieser aus seinen Grafschaften, Herrschaften und Vogteien eine Landesherrschaft, einen Landes­staat aufbauen.


 Die Wittelsbacher scheinen von Anfang an die Gefahr erkannt zu haben, die dem bayerischen Her­zogtum durch die Gleichstellung der Andechser drohte. Das mußte notwendigerweise zu einer Ab­spaltung weiter Herrschaftsgebiete vom bayerischen Herzogtum führen, es konnte sogar zu einer voll­ständigen Auflösung kommen, die am Ende den Wittelsbachern nur noch den Titel eines bayeri­schen Herzogs übriggelassen hätte. Diese bedrohli­chen Verhältnisse mußten die Wittelsbacher zu Ri­valen, ja zu Todfeinden der Andechser machen. Der Keim für eine erbitterte Auseinandersetzung der beiden Geschlechter war gelegt.

Als Graf Berthold Iv. 1180 Herzog wurde, ahnte er von dieser Auseinandersetzung, die dem Ge­schlecht im beginnenden 13. Jahrhundert bevorste­hen sollte, wohl noch nichts. Seine Hauptinteressen galten ganz der staufischen Sache, dem Reich, dem er seine volle Kraft und Macht widmete. Noch häu­figer als seinen Vater finden wir ihn in der U mge­bung des Kaisers. Glänzend tritt seine Gestalt auf dem Kreuzzug Barbarossas hervor. Zum Bannerträ­ger des dritten Heerhaufens ernannt, der sich aus sei­nen Rittern, Vasallen und Ministerialen zusammen­setzte, erwarb sich der "Dux Meraniae ex Bavaria de castro Andechs", "Herzog von Meranien aus Bayern von der Burg Andechs", wie er in den Quellen ge­nannt wird, in den Kämpfen gegen Byzantiner und Türken größten Ruhm. Er hat als einer der wenigen die unmenschlichen Strapazen der Kreuzfahrt, auf der Kaiser Barbarossa 1190 in den Fluten des Saleph den Tod fand, bis zum Schluß durchgestanden. Trotzdem nahm er 1195 wieder das Kreuz, doch scheinen ihn die Verhältnisse im Reich am Ende von der Teilnahme abgehalten zu haben. 1196 oppo­nierte er nämlich zusammen mit anderen Reichsfürsten gegen den Plan Kaiser Heinrichs VI., die Krone erblich zu machen, schloß sich aber dann nach des­sen Tod doch wieder dem Bruder des Kaisers, Phi­lipp von Schwaben, an und unterstützte ihn im Kampf gegen den welfischen Gegenkönig Otto. Trotz päpstlicher Abmahnung stand er unerschüt­terlich zum Staufer; er war Miturheber eines Schrei­bens an den Papst, in dem die Rechte des Reichs ent­schieden verteidigt wurden.

Das Bild des Grafen Berthold wäre einseitig, wenn nicht auch seine Sorge für die ihm untergebenen Klöster, Ritter und Bauern aufgezeigt würde. Mehr als einmal finden wir ihn auf den Dingstätten seiner Grafschaften zu Gericht sitzen, wo er Streitigkeiten seiner Leute und der von ihm bevogteten Klöster entschied. In vielen Urkunden, in denen von from­men Stiftungen und Zuwendungen an die Klöster seines Herrschaftsgebietes die Rede ist, erscheint er als Zeuge. Noch kurz vor seinem Tode im Jahre 1204 beteiligte er sich an einer großen Schenkung, die dem Hauskloster Dießen gemacht wurde.


 In den Söhnen und Töchtern Bertholds Iv. sollte aber erst die ganze adelige Größe dieses Geschlechtes erblühen. Da war Bischof Eckbert von Bamberg, ein Mann "magnanimus et bellicosus" (großherzig und kriegerisch), der fast sein ganzes Leben lang den Fuß im Steigbügel hatte: Er ist der Bauherr des berühm­ten Bamberger Domes geworden. Da war ferner ein Sohn Bertholds gleichen Namens Patriarch von Aquileja, ein Parteigänger Kaiser Friedrichs H., aber auch ein milder Wohltäter der Armen von Assisi.
Die Töchter Agnes (Maria) und Gertrud des Gra­fen Berthold wurden Königinnen von Frankreich und Ungarn, die junge Hedwig folgte dem Herzog Heinrich nach Schlesien. Sie lebte ein Christentum der Tat, sie rief Orden in das Land, die Kultur und Bildung brachten, sie wandte ihr ganzes Heiratsgut auf, um das Kloster Trebnitz gründen zu können. Dort ist sie, die heilige Landesmutter Schlesiens, im grauen Kleid der Zisterzienserinnen gestorben. Die Tochter der Königin Gertrud von Ungarn war die hl. Elisabeth von Thüringen. [12]

Die ältesten Söhne Bertholds, Otto und Heinrich, aber wirkten wie der Vater an vorderster Stelle in der Reichspolitik. Wie sein Vater muß sich Otto in seiner Staufertreue ruhmvoll bewährt haben, denn am 21. Juni 1208 gab ihm König Philipp die Hand seiner Nichte und damit auch die Freigrafschaft Bur­gund samt der Pfalzgrafenwürde. Der andechsische Adler hatte seine höchste Höhe erreicht. In einem glänzenden Fest zu Bamberg wurde die Hochzeit in Anwesenheit des Königs gefeiert. Sie sollte aber mit einer Katastrophe enden. Am späten Abend des 21. Juni 1208 durchbohrte im Hause Bischof Eck­berts von Bamberg den Stauferkönig meuchlings der Mordstahl des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach. Der Bischof und sein Bruder Heinrich von Andechs wurden der Mitwisserschaft verdächtigt. Auf einem Reichstag zu Frankfurt warf man sie in Acht und Bann und erklärte sie ihrer sämtlichen Reichslehen für verlustig. Auf einem Hoftag des neuen welfi­schen Königs Otto IV. auf dem Gunzenlee bei Augs­burg wurde im Jahre 1209 der Bannspruch auf baye­rischem Boden noch einmal verkündet. Die Reichslehen Heinrichs von Andechs, die Grafschaften Andechs, Wolfratshausen, Neuburg und Schär­ding, die Mark Istrien und Krain erhielt der Wittels­bacher zugesprochen.

"Herzog Ludwig von Bayern zog mit seinem Heere gegen den Markgrafen Heinrich von Istrien, den Vogt unseres Klosters, und verwüstete seinetwe­gen unser und andere Klöster mit Brandschatzung, Raub und aller nur erdenklicher Art von Zerstö­rung." So berichtet der Chronist des Klosters Te­gernsee von dem verheerenden Einfall des Bayern­herzogs in die Besitzungen der Andechser südlich von München. Als der Wittelsbacher die Burg Wolf­ratshausen erstürmte, mußte Heinrich von Andechs das Land im März des Jahres 1209 endgültig verlas­sen. In Dießen wurde ein wittelsbachischer Ministe­riale als Richter und Landesverweser eingesetzt, "per invasionem", "im Zuge eines Einfalls", wie der Dießener Klosterchronist eigens notierte.

 Graf Heinrich flüchtete damals über Italien zu sei­ner königlichen Schwester nach Ungarn. Erst nach 10 Jahren sollte sich herausstellen, daß seine Un­schuldsbeteuerungen der Wahrheit entsprachen. Was seinerzeit Acht und Bann ihm so rasch entzo­gen hatten, das konnte ihm der staufische Kaiser allerdings nur zusprechen, nicht aber wieder zurück­geben: Der Wittelsbacher hielt die Beute an Land und Herrschaft mit eiserner Gewalt in seiner Hand und dachte nicht daran, sie freiwillig herauszugeben. Jahre zermürbender Fehden folgten für den Andech­ser, bis er schließlich im Jahr 1228 doch noch die Burg Wolfratshausen dem wittelsbachischen Herzog entreißen konnte. Von Kampf und Schicksalsschlä­gen gezeichnet, starb Markgraf Heinrich von An­dechs noch im gleichen Jahr  -  kinderlos. 

Das angeschlagene Erbe fiel nun seinem Bruder Otto, dem Pfalzgrafen von Burgund, zu. Es sah so aus, als ob dieser dem Schicksal noch einmal die Stirn bieten könnte: Es glückte ihm, im Jahre 1229 einen neuerlichen Raubzug des Bayernherzogs ge­gen die Burg Wolfratshausen erfolgreich abzuwehren und den Herzoglichen auf der Flucht empfindliche Verluste zuzufügen. Der Erfolg blieb aber nur eine kurze Episode. Was der Vater durch Kriegsglück und geschicktes Taktieren zwischen staufischer und päpstlicher Partei noch einmal zurückgewonnen hatte, das ging durch die unkluge Politik seines Soh­nes endgültig verloren. 1238 brach der Andechser nämlich gegen den wittelsbachischen Herzog Otto II. unvermittelt eine Fehde vom Zaun, die der Beginn eines mörderischen Kampfes auf Leben und Tod wurde. Wütende Fehde­züge der beiden Parteien verheerten in den folgen­den Jahren das Land zwischen Isar, Starnberger See und Ammersee; Klöster, Kirchen, ganze Dörfer gin­gen in Flammen auf. Doch das Kriegsglück neigte sich dem Wittelsbacher zu. 1243 erstürmte er neuer­dings die Burg Wolfratshausen, 1246 ergaben sich ihm die Vesten Delling und Starnberg, 1248 zer­störte er die Stammburg Andechs. Der Wittelsba­cher hatte endgültig gesiegt.

Kränkelnd zog sich Otto von Andechs auf seine fränkischen Besitzungen zurück, die ihm als einzige noch verblieben waren. Hier auf der Burg Niesten ist er am 19. Juni 1248 einsam und kinderlos als Letzter seines Geschlechts verstorben und im Klo­ster Langheim begraben worden.


 Die Andechser, das war nur eines von vielen baye­rischen Adelsgeschlechtern, wenn auch eines der mächtigsten und reichsten. Über 30 Namen und Ge­schlechter nennt der Chronist Abt Heinrich von Niederalteich, die sich im Kampf mit den Wittelsba­chern verzehrten, kinderlos erloschen oder außer Landes getrieben wurden und denen die wittelsba­chischen Herzöge nachfolgten:

"Isti sunt, quorum hereditas cum castris et prediis ad Ludwicum ducem et filium eius Ottonem sunt devoluta ... Das sind die Namen jener, deren Erbe, de­ren Burgen und Güter an die Wittelsbacher gefallen sind: Friedrich und Hermann, Landgrafen von Stef­ling - Ulrich Graf von Vohburg und Cham - die Burggrafen von Regensburg - Heinrich Graf von Ortenburg - Kuno Graf von Wasserburg - Luitpold, Berthold .und Albert, Grafen von Bogen - Heinrich von Andechs, Markgraf von Istrien - Otto von Wolf ratshausen, Herzog von Meranien ... "


 Herrschaft und Macht, Reichtum und Ansehen der Dießen-Andechser Grafen sind längst verflossen. Ihre Namen wären heute Schall und Rauch, wenn nicht die Erinnerung an sie durch ihre fromme Klo­sterstiftung zu Dießen, das im 15. Jahrhundert ge­gründete Kloster Andechs und die Verehrung der heiligen Frauen aus diesem Geschlecht - Mechtild, Hedwig, Elisabeth - wachgehalten würde. An sie er­innert die barocke Freskomalerei in den Klosterkir­chen zu Dießen und Andechs, wo mehr als einmal uns das Wappen der Klostergründer, der Adler über dem Löwen, entgegentritt. Obgleich der Untergang wesentlich durch die Wittelsbacher des 13. Jahrhun­derts gefördert wurde, so war es die habsburgische (3.) Frau des wittelsbachischen Herzogs Ludwig d. Strengen namens Mechtild, die ihre schützende Hand über das von ihren Andechser Herren verwai­ste Kloster Dießen hielt und so den Fortbestand im wittelsbachischen Bayern ermöglichte. [15]

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Aus: Bayerland

Die Grafen von Dießen und Andechs
 
Dieter Albrecht

Es ist eine seltsame Fügung: Jahrhundertelang war das bayerische Volk nach Andechs gezogen, betend und singend, hinter bunt flatternden Wallfahrtsfahnen, hinauf zur gotischen Hallenkirche mit ihren wundersamen Heiltümern, um für Mensch und Tier den Segen zu erflehen und für das weite Land, das sich in großer Fruchtbarkeit zu Füßen des heiligen Berges breitet. Aber kaum einem der frommen Beter war es bewußt gewesen, daß die Geschichte dieses Berges lange vor die Entstehung von Kirche, Wallfahrt und Kloster zurückreicht, daß sich einst eines der bedeutendsten bayerischen und deutschen Adelsgeschlechter des Hochmittelalters nach ihm benannte und von hier aus das Land zwischen Lech und Isar beherrschte: die Grafen von Andechs. Eben  diese fast vergessene Tatsache ist es jedoch, die heute neue Pilgerscharen zum heiligen Berg führt, nämlich schlesische Heimatvertriebene, die Andechs als die Geburtsstätte der heiligen Hedwig von Schlesien verehren; sie war einst aus dem Geschlecht der Grafen von Andechs geboren worden und hatte
von den Ufern des Ammersees aus ihren Weg nach dem Osten genommen. So schließt sich jetzt über Land und Zeit hinweg wieder der Ring -und wenn von Andechs gesprochen wird, dann leuchtet neben dem Bild der ehrwürdigen Wallfahrtsstätte auch die Erinnerung an Auf-und Niedergang jenes Geschlechts, von dem freilich heute fast nichts mehr Kunde gibt als die spärlichen Pergamente einer fernen Vergangenheit.

Der Weg des mittelalterlichen Bayern ist die Staatwerdung
des Raumes, den die einwandernden Bajuwaren
im 6. Jahrhundert noch kaum geprägt vorfanden.
Die staatliche Durchbildung des neugewonnenen
Landes war zugleich die Bedingung und
die Folge seiner eigentlichen Besitznahme; es galt,
zu ordnen und zu gliedern, um zu übersehen, was 

beherrscht sein wollte: Nicht nur im kleinen Bereich
des Dorfes oder des Klosterbezirks, des Grundherrschafts-
oder Sippenverbandes, sondern aufsteigend
und sich verzweigend von den kleinsten Einheiten
über den ganzen Raum des Herzogtums hin.
Das war ein langer und mühsamer Weg, über Hindernisse
und mit vielen Umwegen, bis schließlich
um die Mitte des 13. Jhs. der neuzeitliche durchorganisierte
Staat in seinen Anfängen sichtbar wurde.
In diesen Verlauf reiht sich auch die Geschichte
der Grafen von Andechs ein und die allmähliche 

organisatorische Durchbildung des Raumes, in dessen
Besitz wir sie bei ihrem Eintritt in die Geschichte vorfinden.

Dieses Land von der Isar bis zur Westgrenze des
bayerischen Stammesherzogstums am Lech ist schon
im achten Jahrhundert in einer freilich sehr unbestimmten
Gliederung faßbar, die nicht ohne weiteres
als politische Ordnungsform angesehen werden
darf. Es ist die Einteilung des Landes in Gaue: In
den Augstgau, der sich zwischen Lech und Ammersee
erstreckte und wohl der unmittelbare Nachfolger
des in römischer Zeit zur Stadt Augsburg gehörigen
ländlichen Bezirkes war; in den Ammergau an
der oberen Ammer; in den Huosigau schließlich, dersich östlich des Ammersees und nach Süden bis in  die Benediktbeurer Gegend breitete und seinen Namen
nach dem bajuwarischen Uradelsgeschlecht der
Huosi trug. Auch als Sundergau (Südgau) wurdedieser Landstrich bezeichnet.

Bestimmtere, wenn auch keineswegs mit heutigen
Verhältnissen vergleichbare Ordnungs formen
brachte die fortschreitende räumliche Organisatioll
der bayerischen Kirche, ausgehend von dem großen
Werk des hl. Bonifatius. Durch die Abgrenzung
der Bistümer Augsburg und Freising bildeten sich
erstmals Sprengel, denen man festere Grenzen zuschreiben

darf, entstand die Pfarrorganisation, die das Land mit einem zwar nicht lückenlosen, aber
dichten Netz überzog. Um diese Zeit entstanden
auch die ersten Klöster unseres Raumes, Benediktbeuern,
Polling und Wessobrunn.
An manche dieser kirchlichen Grenzen schloß sich dann die Organisation des Landes in Grafschaftsbezirke seit der karolingischen Zeit an. An der
oberen Ammer mit dem Zentrum Altenstadt-Schon-gau, nach Osten bis zum Peißenberg auslaufend, erstreckte sich das Herrschaftsgebiet der Welfen mit
den Klöstern Rottenbuch und Steingaden. Daran schloß sich eine Grafschaft zwischen Lech und Ammersee an, die wir als Augstgaugrafschaft bezeichnen
dürfen, da sie ziemlich den Raum des alten Gaues
einnahm. Im Gebiet des früheren Huosigaues breitete
sich ebenfalls ein weitläufiger Grafschaftsbezirk
aus, der -ohne daß wir ihn räumlich mit dem alten
Gau gleichsetzen können -doch den Schwerpunkt
mit ihm gemeinsam hatte, nämlich das Land zwischen
Staffelsee, unterer Ammer und Ammersee im
Westen und dem Würmsee im Osten. Diese Grafschaft
schloß die Klöster Benediktbeuern und
Schlehdorf ein und reichte bis ins Karwendel bei
Seefeld hinein. Im Norden endete sie, soweit wir
sehen, an der Bistumsgrenze zwischen Augsburg
und Freising, die sich in weitem Bogen vom heutigen
Starnberg bis zur Nordspitze des Ammersees.........

(Fortsetzung folgt)