Geschichte Bayerisch Schwaben 2
Geschichte Bayerisch Schwaben 2
Ostschwaben im "jüngeren" Herzogtum Schwaben
Im Gegensatz zum benachbarten Bayern hatte sich in Schwaben ein ausgeprägter
"reichsfränkischer Patriotismus" entwickelt, der vor allem von den
Bischöfen getragen wurde und der das Emporkommen einer eigenen Herzogsgewalt
zunächst stark hemmte. Der Kampf König Konrads von Franken (911-918),
das zentralstaatlich organisierte karolingische Ostreich wieder aufzurichten,
konnte Entstehung und Erstarkung der wieder entstandenen
Stammesfürstentümer mit einem Herzog an der Spitze nicht mehr
rückgängig machen. So auch in Schwaben, wo Burchard von Raetien, ein
Nachkomme jenes Hunfrid, dem seinerzeit Karl der Grobe Churrätien anvertraut
hatte, in der Abwehr der Ungarneinfälle sich zum Herzog aufgeschwungen
hatte. Doch wurde er von reichstreuem Adel 911 ermordet.
Die reichischen Widerstandskräfte gegen einen Herzog sammelten sich vor
allem unter Salomo III., Bischof von Konstanz und Abt von St. Gallen. Man hat mit
Recht festgestellt, dab es anscheinend vor allem hohe kirchliche Kreise waren,
"die ein Herzogtum nicht aufkommen lassen wollten: Ein starkes Herzogtum
bedeutete eine Bedrohung ihrer Selbständigkeit und zugleich eine Gefahr
für die Einheit des Reiches, die ihnen die Voraussetzung für die
Einheit der Kirche dünkte. Darum hatten Bischöfe und Äbte nach dem
Aussterben der Karolinger auch wieder auf die Berufung eines Königs
gedrängt" (F. Zoepfl).
König Konrad zog denn auch, als Salomo in die Hände seiner Gegner
gefallen war, 915/16 mit einem großen Heeresaufgebot nach Schwaben. Nur mit
grober Anstrengung gelang es ihm, die herzogliche Partei, an deren Spitze seine
eigenen Schwager, die Alaholfinger (Bertholde) Erchanger und Berthold (die
Brüder der Kunigunde) standen, zurückzudrängen. Letztere wurden
mitsamt ihrem Anhang auf schwäbischem Boden in einer Reichssynode in
Hohenaltheim im Ries 916 in Anwesenheit eines päpstlichen Legaten verurteilt
und in die Acht getan. Am 21. Januar ließ der König das Urteil
vollstrecken, doch hatte diese grausame Tat keine abschreckende Wirkung.
Die Burchardinger
Noch im gleichen Jahr 916 schwang sich Burchard II., der Sohn des 911 ermordeten
älteren Burchard, zum Herzog auf und begründete so aufs neue das
Herzogtum Alemannien, das nun meist Schwaben (Suevia) genannt wurde. Wie das alte
Stammes-herzogtum reichte es vom Lech bis zum Rhein, vom Neckar bis zu den Alpen
und zum Hochrhein und grenzte im Südwesten an das Königreich
Hochburgund. Die Sippe der Burchardinger hatte enge Verbindungen zum
östlichen Schwaben: Dietpirch, die Mutter des groben Augsburger Bischofs
Ulrich, war wohl eine Tochter des älteren und Schwester des jüngeren
Burchard.
Nach dem Scheitern Konrads von Franken mußte vom neuen Wahlkönig (im
Gegensatz zum karolingischen Erbkönigtum) die Oberherrschaft über die
neu erstandenen Herzogsgewalten durchgesetzt werden, sollte das
ostfränkische Reich, wenn auch in vollkommen veränderter innerer
Verfassung, noch weiter Bestand haben. Um die völlig selbständig
gewordenen süddeutschen Herzogtümer Bayern und Schwaben dem Reiche
wieder einzuordnen, bot König Konrad 918, todkrank an einer Wunde
darniederliegend, die ihm im Kampf gegen die Bayern zugefügt worden war, die
Krone dem Sachsenherzog Heinrich an. Ihm allein trauten die Franken diese
Leistung noch zu.
In der Tat sollte es den erst unter Karl d. Großen
christianisierten germanischen Sachsen gelingen, sich im
fränkischen Ostreich durchzusetzen und damit die Grundlage für das
spätere deutsche Volk und Reich zu schaffen. Doch hatten kurz vor oder nach
der Königswahl Heinrichs I. von Sachsen, an der sich die Schwaben und Bayern
nicht beteiligten, die Bayern bereits ihren Herzog Arnulf zum König
gewählt, entweder für das ganze Reich der Ostfranken, oder, was nach K.
ReindeI wahrscheinlicher ist, für das ehemalige karolingische Teilreich
Bayern. Heinrich I. zog daraufhin mit einem Heeresaufgebot nach Bayern,
worüber ein bayerischer Chronist vielsagend berichtete: "Da fiel nun also
dieser sächsische Heinrich feindlich in das Königreich Bayern ein, wo
man keinen seiner Vorfahren (bis jetzt) gesehen hat, der auch nur einen
Fußbreit Bodens besessen hätte, und so glaube ich, daß Gott
selbst es gefügt hat, daß er von den Einwohnern einer einzigen Stadt
(Regensburg) geschlagen worden ist und mit vielen Verlusten hat abziehen
müssen".
Zeit der Sachsenkaiser
König Heinrich I. schloß 921 einen Vergleich mit Herzog Arnulf von
Bayern, der als "amicus regis" weiterhin königsgleich regieren konnte.
Vorher, 919, hatte der neue König jedoch bereits die Unterwerfung des
schwäbischen Herzogs erzwungen und sich die Verfügungsgewalt über
Reichsgut und Reichskirche angeeignet, was nichts weniger als die königliche
Einsetzung der Bischöfe und Abte bedeutete.
Als König Heinrich I. 919 mit einem Heer gegen den schwäbischen Herzog
Burchard heranrückte, lag dieser eben im Kampf mit König Rudolf 11. von
Hochburgund; letzterer hatte die Wirren, die der Konsolidierung der
schwäbischen Herzogsmacht vorausgingen, zu einem Einfall nach Schwaben
ausgenützt. König Heinrich, der Burchard nach seiner kampflosen
Unterwerfung unterstützte, besiegte im gleichen Jahr König Rudolf bei
Winterthur. Burchard von Schwaben schloß jedoch sehr bald Frieden mit
Rudolf. Dieser vermählte sich mit Burchards Tochter Berta, was den
Schwabenherzog Burchard in die Italienpolitik seines Schwiegersohns verwickeln
sollte. Burchard fiel bei Novara 926 in einen Hinterhalt der Gegner Rudolfs und
wurde getötet.
Die Macht König Heinrichs I. war in der Zwischenzeit im deutschen
Südwesten so erstarkt, daß er das Herzogtum Schwaben dem landfremden
fränkischen Hermann aus dem Geschlecht der Konradiner zu Lehen, geben
konnte. Nach dem Scheitern seiner italienischen Expedition erschien auch
König Rudolf von Burgund auf dem Hoftag König Heinrichs zu Worms.
Mit dem dort vollzogenen Tausch der heiligen Lanze ging er "die
folgenschwere Bindung an das liudolfingische Deutschland ein, die alle weitere
Geschichte des rudolfingischen Burgunds bestimmte" (Th. Schieffer). Rudolfs
Tochter Adelheid, die Tochter der schwäbischen Berta, sollte später
Ottos I. zweite Frau und zum Anlaß für dessen Eingreifen in die
italienischen Verhältnisse werden, womit die so schicksalhafte Rom¬und
Italienpolitik der deutschen Könige ihren Anfang nahm, aber auch die
Ansprüche auf das burgundische Erbe unter König Konrad II.
begründet wurden.
Aufstieg der Reichskirche
Hatte der erste ostfränkisch-deutsche König Heinrich aus sächsischem Geschlecht die Herzöge mehr oder weniger großzügig als Führer ihrer Stämme anerkannt, so ging sein Sohn König Otto daran, sie zu Statthaltern des Königtums in den Stammesherzogtümern zu degradieren. Dies führte zu den bekannten Aufständen der Stammesherzöge und des mit diesen versippten Stammesadels gegen den König, an denen sich auch engste Familienangehörige, die er mit Herzogtümern ausgestattet hatte, beteiligten.
Während im französischen Westen Herzöge und Adel sich durchsetzten und so das Land immer mehr in feudale Anarchie verfiel, gelang es König Otto, im ostfränkisch-deutschen Reich die königliche Zentralgewalt wieder stärker durchzusetzen. Dies war nicht zuletzt auch dadurch möglich , daß er Bischöfe und Abte zu seinen Lehensleuten und zu Trägern der Reichsverwaltung machte und sie dafür großzügig mit Gütern und Herrschaftsrechten ausstattete. Waren diese doch nicht dem immer stärker sich durchsetzenden Erbrecht unterworfen und ihr Besitz so immer wieder für den König verfügbar. Die Herzogtümer wurden damit in Schach gehalten und bisweilen zu Kronländern herabgestuft, die Mitgliedern der königlichen Familie und den mit dem Königshaus meist eng versippten Hochadeligen gleichsam als Sinekuren verliehen wurden. So ist die Zeit des 10. und 11. Jahrhunderts gekennzeichnet durch häufigen Wechsel der Herzogsfamilien und dem Aufstieg der königstreuen Reichskirche.
Kraftvolle Herzogsgestalten
Dies bedeutet jedoch nicht, daß es damals nicht auch kraftvolle Herzogsgestalten gegeben hätte. Für Schwaben [21]seien nur zwei davon herausgestellt, die auch in Sage und Literatur ihren Niederschlag gefunden haben.
Es ist einmal die Herzogin Hadwig(a) (+ 994), die Schwester des Bayernherzogs Heinrich des Zänkers und Witwe des Schwabenherzogs Burchard II. Ihre in den "Geschichten des Klosters St. Gallen" beschriebene Beziehung zum dortigen Mönch Ekkehard hat Viktor von Scheffel in seinem Roman "Ekkehard" (1855) anschaulich geschildert.
Zum anderen ist dies die Gestalt des gegen serinen Vater rebellierenden Herzog
Ernst von Schwaben, der zuletzt in dem gleich [22]namigen Trauerspiel von Ludwig
Uhland (1817) seinen dichterischen Niederschlag gefunden hat. In "Herzog
Ernst" sind vermutlich zwei Sagenkreise zusammengeflossen, derjenige vom
aufständischen Sohn und Schwabenherzog Liudolf gegen seinen Vater Otto I.
und der andere des Herzog Ernst von Schwa¬en, der immer wieder gegen seinen
Stiefvater Konrad 11. rebellierte.
Die Betonung der königlichen Zentralgewalt sollte sich erst in der Zeit des
Investiturstreits ändern. Dieser war eine der folgenreichsten geistigen und
weltlichen Auseinandersetzungen in der europäischen Geschichte, in der sich
Papsttum und Kirche, getragen von der cluniazensischen Reformbewegung, der
Oberherrschaft des Königtums entwand, das damit entscheidend geschwächt
wurde, auch durch das nun geltende Erblichkeitsprinzip bei den weltlichen
Machtträgern: Seit 1079 hatten beispielsweise die Staufer ununterbrochen das
schwäbische Herzogtum bis 1268 inne.
Ungarnschlacht auf dem Lechfeld
Doch blenden wir noch einmal auf das Schwaben des 10. Jahrhunderts
zurück. König Otto I. (936-973) hätte sich mit seiner Reichsreform
nicht durchsetzen können, auch gelang es ihm nicht seine Rompolitik in
der Nachahmung Karls des Großen nicht in die Tat umzusetzen können.
Doch gelang es ihm, an der Spitze eines ostfränkisch-deutschen Stammesheeres
die Ungarn, die seit Ende des 9. Jahr¬hunderts Bayern und Alemannien immer
wieder durch Raubzüge verwüsteten, 955 auf dem Lechfeld vernichtend zu
schlagen. Man nannte ihn seitdem den "Großen". Als mutiger Verteidiger des
belagerten Augsburg ist damals auch der große heilige Bischof Ulrich aus
dem Hochadelsgeschlecht der Alaholfinger in die Geschichte eingegangen. Vom
hunfridingischen Herzog Burchard von Schwaben als Bischof von Augsburg
durchgesetzt, wurde er später zum rückhaltlosen Parteigänger Ottos
des Groben und seiner zentralen Reichspolitik.
Ostschwaben als Stützpunkt der Könige
In Zusammenhang mit dem Eingreifen Ottos I. in die wirren
Verhältnisse Oberitaliens wurde Schwaben seit der Mitte des 10. Jahrhunderts
"zu einem wesentlichen Faktor in der politischen Konzeption des Königs und
zu einem Kerngebiet wichtiger geschichtlicher Er-eignisse" (A. Layer). Der
Bischofssitz Augsburg fing damals an, zu einem zentralen Stützpunkt des
deutschen Königtums und zu einem bedeutenden Sammelort des königlichen
Heeres (Gunzenlee) vor dem Weitermarsch über den Fern- bzw. Brennerpaß
durch die Alpen nach Italien zu werden. Vor allem in der Zeit der
fränkischen Salierkönige wuchs Augsburgs nachweislich in
diese Rolle hinein. Die Bischofsstadt galt den salischen Königen "als
Bollwerk der Königsrnacht an der Grenze der Herzogtümer Schwaben und
Baiern und an der Heerstrabe nach Italien" (W. Zorn). Der Weg Ostschwabens zum
staufischen Reichsland war so vorgezeichnet. Vor den Staufern begegnet man in
Ostschwaben kaum mehr einem schwäbischen Herzog.
Zähringer - Welfen - Staufer
Die aus der schriftlichen Überlieferung aufscheinende Vorherrschaft der
Kirche, insbesondere des Bischofs von Augsburg und des Königtums, bedeutet
indes nicht, daß der Adel aus dem ostschwäbischen Gebiet verschwunden
wäre und nicht mehr eine eigenherrliche Politik gemacht hätte. Aus der
äußerst dünnen Überlieferung lassen sich drei führende
Geschlechter, neben zahlreichen anderen, weniger bedeutenden, ausmachen, die sich
seit dem Investiturstreit im Kampfe mit dem oder gegen das Königtum zu den
mächtigsten Herren im damaligen Schwaben aufgeschwungen haben. Im Westen, im
Gebiet am Oberrhein und der heutigen Deutschschweiz waren es die Zähringer,
vom schwäbischen Gegenherzog und dann Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden
(1057-77) abstammend.
Im östlichen Schwaben, vom Bodensee bis zum Lech, sind seit der
Karolingerzeit die Welfen begütert, von denen man heute begründet
annimmt, daß sie auf ein fränkisches Reichsaristokratengeschlecht des
8. Jahrhunderts zurückgehen. Während ein Zweig der Welfen gegen Ausgang
des 9. Jahrhunderts zu Königen von Hochburgund aufstieg, scheint der im
Ostfrankenreich begüterte Ast durch unglücldiche Parteinahme bei den
karolingischen Teilungen stark abgesunken zu sein. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts
begegnen die Welfen jedoch wieder als Grafen in Ober- und Ostschwaben sowie mit
reicher Begüterung am Lechrain (Altomünster, Kaufering, Peiting,
Ammergau) bis hinein nach Tirol. Zentrum ihres Besitzes waren Altdorf und das
dort benachbarte Hauskloster Weingarten. 1070 bekam der italienische Welf IV.
(I.) aus der Familie der Este das Herzogtum Bayern zu Lehen, welches die Welfen,
mit Unterbrechung durch die Babenberger Herrschaft 1139-1156, bis 1180
innehatten. Welfs I. Sohn Heinrich der Schwarze erheiratete das Herzogtum
Sachsen.
Im Norden, im Rems- und Vilstal sowie im Elsaß lagen die Mittelpunkte der
frühen staufischen Herrschaft. Als getreuer Parteigänger der Staufer
und Ehemann der Kaisertochter Agnes erhielt im Jahre 1079 der Schwabe Graf
Friedrich I. von Büren/Staufen von seinem Schwiegervater Heinrich IV. das
Herzogtum Schwaben zu Lehen. Dieses war zwar nicht mehr der alte, den ganzen
alemannischen Stamm umfassende politische Verband; seit dem Ausgang des 11.
Jahrhunderts übten die Zähringer und Welfen "herzogsgleiche" Herrschaft
auf ihrem Besitz aus. Aus der salischen Erbschaft war jedoch den Staufern ein
reicher Herrschaftsbesitz am Rhein und in Franken angefallen. [25]
Hie Welf - hie Waibling
Die Auseinandersetzung zwischen Welfen
und Staufern
Bereits im Investiturstreit hatte das Land durch die Auseinandersetzung zwischen
den kaisertreuen Bischöfen und Gefolgsleuten, an ihrer Spitze Friedrich von
Staufen, und der päpstlichen Partei, angeführt von den Welfen und dem
von der Fürstenopposition zum Gegenkönig gewählten Schwaben Rudolf
von RheinfeIden, dem Ahnherrn der Zähringer, schwer gelitten. Vor allem
Augsburg und sein Umland wurden dabei durch mehrmalige Belagerung und Eroberung
in den achtziger Jahren des 11. Jahrhunderts aufs schwerste verwüstet. Es
war eine Tragik, daß die Kämpfe in Schwaben und um Augsburg ein
Menschenalter erneut aufflammten, diesmal zwischen den Welfen und
Staufern im Ringen um die deutsche Königskrone.
Sie begannen, als 1125 nicht der Staufer Friedrich, sondern Lothar von
Supplinburg von den deutschen Fürsten zum König gewählt wurde.
Dessen Erbtochter Gertrud wurde zudem mit dem Welfen Heinrich dem Stolzen, Herzog
von Bayern und Sachsen, zu Pfingsten 1127 auf dem Gunzenlee bei Augsburg
verheiratet. Als sich der staufische Schwabenherzog Friedrich II., der Neffe
Kaiser Heinrichs V. und erbberechtigter Thronanwärter, weigerte, das in
seinem Besitz befindliche Reichsgut herauszugeben, wurde er vom neuen König
geächtet. Der nun folgende Kampf spielte sich wiederum hauptsächlich im
östlichen Schwaben ab. Dabei wurde 1132 die Stadt Augsburg schwer
verwüstet, diesmal von Kaiser Lothar, der in ihr das Zentrum der
Staufermacht erblickte. Der Kampf ging weiter, als nach dem Tode Lothars 1138
nicht sein mächtiger Erbe Heinrich der Stolze, sondern der Staufer Konrad
III. zum König gewählt wurde. Erst Friedrich Barbarossa, Sohn des
Stauferherzogs Friedrich von Schwaben und der Welfin Judith, gelang 1156 die
Aussöhnung, indem er seinem Oheim Welf VI. neben seinem schwäbischen
Stammgut (Oberschwaben, Lechrain) die Reichslehen Tuszien und Spoleto sowie die
ma-thildischen Güter überließ und seinem Vetter Heinrich dem
Löwen das um Österreich verkleinerte Herzogtum Bayern zurückgab.
Herzog Welf VI. in Schwaben
Wie aus neueren Forschungen immer deutlicher hervorgeht, war der in der heutigen
Geschichtsliteratur meist im Schatten seines Neffen Heinrichs des Löwen
stehende Herzog Welf VI. nach der Aussöhnung von 1156 der mächtigste
Herr zwischen Bodensee und dem Lechrain. An seinem Hofe wurde um 1180 wohl von
einem Geistlichen die älteste noch erhaltene Familienchronik des
Mittelalters, die "Historia Welforum" [26] verfaßt, die eingehend über
die Geschicke der Familie und vor allem Welfs VI. berichtet. Dieser führte
nach dem überraschenden Tode Heinrichs des Stolzen 1139 die Vormundschaft
über den unmündigen Neffen Heinrich den Löwen. Gemeinsam mit
König Konrad III. begab er sich 1146/47 auf den Kreuzzug, nachdem er zuvor
noch das Prämonstratenserstift Steingaden begründet hatte. Wieder
zurückgekehrt, nahm Welf die alte Fehde gegen den König wieder auf, die
er aber 1150 mit einem Vergleich beendete. Anschliefiend weilte er teils auf
seinen italienischen, teils auf seinen deutschen bzw. schwäbischen
Besitzungen.
Einen jähen Einschnitt in seinem Leben bedeutete der Tod seines einzigen
Sohnes Welf VII., der auf dem Heerzug nach Italien 1167 zusammen mit vielen
anderen schwäbischen Grafen von einer Seuche hinweggerafft wurde. Der Vater
ließ ihn in Steingaden beisetzen, führte aber seitdem ein ruheloses,
ausschwe-fendes Leben auf seinen Burgen. Die Minnesänger rühmten die
"milte" (Freigebigkeit, liheralitas) des Welfen. Um 1170 verkaufte er auf Todfall
seine gesamte Herrschaft für bares Silber seinem Vetter Barbarossa - sein
Neffe Heinrich der Löwe hatte zu sehr mit Geld gegeizt. Zuletzt jahrelang
dahinsiechend, starb er 1191 auf seiner Burg in Memmingen. Von seinen Getreuen
wurde er an der Kirche von Altenstadt vorbei, dern Erbauung gleichfalls auf
ihn zurückgeht, nach Steingaden überführt, wo er neben seinem Sohn
zur letzten Ruhe gebettet wurde.
Ostschwaben als staufisches Reichsland
Mit dem welfischen Besitz war das Land zwischen Iller und Lech
seit 1191 fast zur Gänze staufisch geworden. Das staufische Zentrum war das
Reichsbistum und die Bischofsstadt Augsburg, deren Bürgern bereits Friedrich
Barbarossa 1156 ein Freiheitsprivileg verliehen hatte. Unter seiner
Herrschaft setzte eine gezielte Reichsland-, Territorial- und Städte-
politik ein, um für die staufische Herrschaft ein sicheres
territoriales Fundament zu haben. Barbarossa hatte zahlreiche
Güter und Vogteien in Schwaben erworben, zuletzt noch 1167 die bedeutende
Augsburger Hochstiftsvogtei aus dem Erbe der Grafen von Schwabegg. Zahlreiche
Burgen mit einem stattlichen Aufgebot an Dienstmannen (Ministerialen) wurden
für die Verwaltung und militärische Sicherung des Landes erbaut.
Unter Kaiser Friedrich II. erfuhr die staufische Reichslandpolitik durch
Erwerbung der wichtigsten Klostervogteien eine systematische Fortsetzung, wobei
statt hochadeliger Vasallen immer mehr Ministerialen mit ihrer Verwaltung
beauftragt wurden (Tanne ¬Waldburg, Winterstetten, Trauchburg, Kemnat,
Hürnheim usw.). Städtegründungen an handelspolitisch und
strategisch wichtigen Verbindungsstrafien und Stadtrechtsverleihungen rundeten
die Staatspolitik der Staufer in Ostschwaben wie in ihren übrigen
Reichsländern ab (Lauingen, Donauwörth, Nördlingen, Harburg,
Höchstädt, Gundelfingen, Wertingen usw.). Das staufische Herzogtum
Schwaben, als Vorland wichtiger Alpenpässe eine Brücke zu den
Reichsländern in Italien, war seitdem mit dem Schicksal des Reiches
unzertrennlich verbunden. [27 ]
Das Ende der Staufer und des Herzogtums Schwaben 1268
Nach dem Höhepunkt staufischer Herrschaft unter Kaiser Friedrich II
(1215-1250) sollte im Kampf mit dem Papsttum ebenso jäh der Umschwung und
Untergang folgen. Der Enkel Friedrichs II., Konradin, war beim Tode seines Vaters
Konrad 1254 ein unmündiges Kind, das auf der Burg Landshut unter der
Vormundschaft seines wittelsbachischen Oheims Herzog Ludwig des Strengen von
Bayern aufwuchs. Dieser war ihm "wie ein Vater" zugetan gewesen, wie Konradin
selbst bekannte. Seine Mutter war die Wittelsbacherin Elisabeth, die später
den Grafen Meinhard von Tirol geheiratet hatte. 1262 erlangte Konradin durch den
traditionellen Herzogsumritt und den Hoftag in Ulm die Anerkennung als Herzog von
Schwaben, wobei die staufische Ministerialität (Ritterschaft) seine
Hauptstütze war. Graf Ulrich von Württemberg, der Hauptanführer
der antistaufischen Opposition, bemächtigte sich damals mit dem
Marschallamt des Herzogtums Schwaben, mit der Vogtei über die Reichs- und
Herzogspfalz Ulm sowie mit dem Gericht "in der Pürsch".
1267 glaubte Konradin dem Ruf auf den ererbten sizilischen Königsthron
folgen zu müssen. Sein wittelsbachischer Oheim Ludwig rüstete ihm ein
stattl¬ches Heer aus, wofür er sich allerdings zahlreiche Güter von
Konradin verpfanden ließ; diese lagen vor allem am Lechrain und in
Ostschwaben samt der Augsburger Hochstiftsvogtei. Warum er seinen Neffen von
Verona aus allein mit dem Heere weiterziehen ließ, wird wohl immer ein
Geheimnis bleiben. Nachdem sich der Marsch durch Italien zunächst gut
anließ, erlitt Konradin gegen den schlauen Karl von Anjou in der Schlacht
von Tagliacozzo am 23. August 1268 eine vernichtende Niederlage. Zwar konnte er
mit wenigen Getreuen noch fliehen, doch wurde er von Häschern aufgegriffen
und auf dem Marktplatz von Neapel am 29. Oktober 1268 enthauptet. Der
Uberlieferung nach soll seine Mutter Elisabeth als nachmalige Gräfin von
Tirol zu seinem Andenken das Prämonstratenserkloster Stams gestiftet haben.
Staufischer Nachklang
Die Wittelsbacher, die sich als Erben Konradins betrachteten, haben das Andenken
an Konradin und die Staufer mehrfach bekundet. Kaiser Ludwig der Bayer versuchte
vergebens, das Herzogtum Schwaben für einen seiner Söhne wieder
aufzurichten. König Ludwig I. legte sich Jahrhunderte später den Titel
"Herzog in Schwaben" zu und begrün dete, nachdem er Ulm als ehemaligen
Vorort des Herzogtums Schwaben hatte 1810 an Württemberg abtreten
müssen, sein "Neu- Ulm", um sein Anrecht auf Schwaben zu dokumentieren.
König Maximilian II. war es schlielßich, der in der von ihm erworbenen
Burg Schwangau ein Zimmer nach den Staufern benannte, um so die Erinnerung an
dieses Geschlecht wachzuhalten. In der' Kirche Santa Maria del Carmine zu Neapel
ließ er 1847 durch Thorwaldsen "dem Sproß seines Hauses" ein Denkmal
im Seitenschiff der Kirche errichten, in dessen Sockel die sterblichen
Überreste Konradins überführt wurden. [30]
Schwäbische (Klein-)Staatlichkeit vom 14. bis 18.
Jahrhundert
Der Untergang des schwäbischen Herzogtums 1268 hatte für Schwaben
tiefgreifende Folgen. Während im benachbarten Bayern nach dem Vorbild der
Staufer die Wittelsbacher einen relativ geschlossenen "Flächenstaat"
aufbauten und die meisten auf den personalen Beziehungen des Lehenswesens
beruhenden Rechte zurückdrängen konnten, fehlte es in Schwaben nach dem
Wegfall des Herzogtums an einer zentralen Kraft, die die vielfaltigen Formen
mittelalterlicher Staatlichkeit in modernere Institutionen übergeführt
hätte. Den Inhabern von Grundherrschaften, Dorfgerichten, Vogteien und
Hochgerichten stand nun der Weg zur Eigenstaatlichkeit und Reichsunmittelbarkeit
offen. Und solche gab es zu Dutzenden in Schwaben: den höheren und niederen
Adel, das Hochstift Augsburg und die großen Prälatenklöster,
schließlich die Städte. Vielfach mußte man sich in
jahrhundertelangen Auseinandersetzungen von Bindungen an mächtigere Nachbarn
befreien oder loskaufen, bis man direkt und "ohne Mittel" (unmittelbar) dem Reich
unterstand und den Kaiser als alleinigen Oberherrn hatte.
Die "Konradinische" Erbschaft
Nach dem Tode Konradins fiel ein Großteil seiner Erbschaft,
die er für die Kriegskosten verpfandet hatte, an den Wittelsbacher Herzog
Ludwig den Strengen. Diese sog. "Konradinische" Erbschaft bestand aus Orten
und Gütern, die vor allem am Lechrain, in Schwaben und in der Oberpfalz
lagen. Auf diese Weise setzten sich die Wittelsbacher auch territorial in
Schwaben fest: mit dem schongauischen Halsgericht schwabseits, den schwabseits
gelegenen Dörfern vor Landsberg und vor allem mit dem Besitz um
Gundelfingen, Lauingen, Höchstädt und Schwäbisch-Wörth
(Donauwörth); dieserr wurde 1505 zum neugegründeen Fürstentum
Pfalz- Neuburg geschlagen. Die Vogtei über das Hochstift Augsburg sowie die
sog. "Straßvogtei" über die Dörfer an der Reichsstraße,
welche gleichfalls dem Wittelsbacher verpfändet waren, konnte jedoch der
Bischof von Augsburg im Bunde mit der nur noch unter königlicher Vogtei
stehenden Stadt Augsburg behaupten. Die Wittelsbacher hätten damals als
unmittelbare Nachbarn zweifellos fast ganz Ostschwaben im Laufe der nächsten
Jahrhunderte in ihre Gewalt bringen können, wenn nicht ein ebenbürtiger
Rivale im Land zwischen Iller und Lech auf den Plan getreten wäre: die
Habsburger.
Aufstieg der Habsburger
Bereits Rudolf von Habsburg, der 1273 zum König gewählte
schwäbische Graf aus dem Aargau, hat ehemaliges Reichsgut wieder eingezogen
und in "Reichsvogteien" organisiert, so auch eine ostschwäbische mit dem
Mittelpunkt Augsburg, der allerdings wenig Bedeutung zuwuchs. Entscheidend war
für die Halisburger hingegen der Erwerb der Markgrafschaft Burgau 1301 nach
dem Aussterben des sich nach Berg/Burgau nennenden Markgrafengeschlechts.
Zusammen mit den kaiserlichen Rechten bauten die Habsburger so in Ostschwaben
eine feste Wehr gegen die Wittelsbacher auf, die erst in den napoleonischen
Kriegen brechen sollte.
Ostschwaben war so über fünfhundert Jahre ein bedeutsamer Teil der
orderösterreichisch -habsburgischen Lande, ein Raum mit zahlreichen
reichsunmittelbaren und reichsständischen Herrschaften. Heute künden
davon noch die Residenzen und Schlösser der Fürstbischöfe von
Augsburg zu Dillingen, Marktoberdorf , Füssen und Augsburg; ihr Staat
reichte von Oberstdorf meist dem Lech entlang bis hinunter nach Dillingene. Davon
künden noch die Bauten der Reichsklöster mit ihren prächtigen
Kaisersälen und Bibliotheken zu Kempten, Ottobeuren, Edelstetten, Lindau,
Ursberg, Wettenhausen, Roggenburg, Elchingen, Ulrich und Afra zu Augsburg, Hl.
Kreuz zu Donauwörth, Kaisheim, Ober- und Niederschönenfeld und Buxheim
(Reichskartause). Zu erwähnen sind insbesondere die weltlichen Residenzen
der Markgrafschaft Burgau, das Markgrafenschloß zu Burgau und das
Schloß in der Residenzstadt Günzburg; die Residenzen und
Schlösser der Wittelsbacher in der Grafschaft Mindelheim zu Türkheim
und Illertissen und im Herzogtum Pfalz¬Neuburg zu Höchstädt und
Neuburg; weiter die Residenzen und Schlösser der Grafen von Oettingen
(Harburg, Wallerstein, Oettingen usw.), der Grafen von Königsegg zu
Immenstadt, der Fugger zu Weißenhorn, Babenhausen, Kirchheim, Markt usw.
Nicht zu übersehen sind schließlich die zahlreichen Schlösser und
SchlÖßchen des reichsritterschaftlichen und sonstigen niederen Adels,
sämtliche auch Mittelpunkte kleiner Herrschaften. Kleine Stadtrepubliken mit
heute noch einmaligem, unverwechselbarem Stadtbild waren die Reichsstädte,
allen voran Augsburg, mit Abstand gefolgt von Memmingen, Nördlingen,
Donauwörth (bis 1609), Kaufbeuren, Kempten und Lindau. Es war eine
buntscheckige Territorienwelt, die über sich nur den Kaiser als obersten
Herrn hatte und anerkannte. Der Reichsadler dominierte überall in Schwaben;
"Schwarzer Adler" ist hier auch noch heute ein geläufiger Wirtshausname. [31
]
Schwäbischer Bund und Schwäbischer Reichskreis
Um auch in Zeiten, in denen der Kaiser fern war, in der
staatlichen Vielfalt Frieden zu garantieren, schloß man im
Spätmittelalter Einungen und Bünde, zunächst hauptsächlich
zwischen den zahlreichen Städten zur Sicherung von Handel und Verkehr. Um
sich gegen das Ausgreifen der niederbayerischen Wittelsbacher zu wehren, fand man
sich 1489 zum "Schwäbischen Bund" zusammen, der die Gefahr so schnell
bannte, daß die Wittelsbacher schließlich selbst Mitglied des Bundes
werden konnten. Der Schwäbische Bund ging dann 1512 in dem von reichswegen
gegründeten Schwäbischen Reichskreis auf. Dieser war eine Art "kleine
UNO", um Sicherheit gegen Fehden, Raub und Plünderung mit einem kleinen
Truppenkontingent überterritorial zu garantieren. Direktor des
Schwäbischen Reichskreises waren die Grafen bzw. Herzöge von
Württemberg; Obmann des "Augsburger Viertels", das ungefähr das Gebiet
des heutigen Bayerisch-Schwaben umfaßte, war der Bischof von Augsburg.
Vieles mag uns heute an dieser Organisation kleinkariert und altväterlich
vorkommen, doch sie funktionierte in einer Welt mit "kleinen Umwelten", die wir
heute, wie der Engländer P. Laslett es formuliert hat, verloren haben - eine
Welt, nach der sich aber der gehetzte moderne Mensch wieder in anderer Form unter
der Devise "Small is beautiful" sehnt. Das "Lob des Kleinstaats" (im Sinn
überschaubarer Lebensräume) hat zuletzt Gerd-Klaus Kaltenbrunner mit
guten Argumenten gesungen (1979).