Wabern - Dokumente
DOKUMENTE
Im folgenden werden Dokumente publiziert, die in enger Verbindung mit meiner Kindheit und Jugend in Wabern stehen. Begonnen wird mit solchen aus der NS -Zeit, hauptsächlich aus der Kriegszeit 1939 -1945
__________________________________________________________________________ Dokument Dokument I
Aus: Festschrift Pankraz Fried zum 60. Geburtstag 1991, als Manuskript herausgegeben von Claudia Fried :
"APPELLBESUCH VON DEN ELTERN NICHT ERLAUBT!"
Hitler-Jugend auf dem Dorf: Ein Fallbeispiel.
von Monika und Ferdl
Die Hitler-Jugend im ländlich strukturierten Landkreis Landsberg 1) war zu Beginn der vierziger Jahre in jedem Dorf des Landkreises organisiert, doch von Ort zu Ort sehr unterschiedlich, meist abhängig davon, ob sich ein Aktivist in einem Dorf fand oder nicht.
Unabhängig von der politischen Überzeugung der Menschen waren vor allem vielen Eltern die Aktivitäten der HJ lästig. Die Buben waren dort außerhalb der Kontrolle der Eltern und was noch mehr wog, die Kinder konnten daheim im elterlichen Anwesen für die zeit der HJ-Appelle und anderer Aktivitäten nicht mehr mithelfen. So verwundert es wenig, daß man unter den Familien im Landkreis Landsberg, die mit einer Geldstrafe belegt wurden, weil der Bub einen HJ- Appell nicht besucht hatte, gleichermaßen solche findet, deren Vater ein begeisterter "Hitler" war und solche, die den Nationalsozialismus ablehnten und ihre Ruhe vor den "Hitlern" im Ort haben wollten.
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1 ) Die entsprechenden Akten in: Staatsarchiv München LRA Landsberg
45157
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[2]Freilich haben bei der Verweigerung gegenüber den "Hitlern" auch
weltanschauliche Überzeugungen eine Rolle gespielt, insbesondere dort, wo
die Menschen die antikirchliche Haltung der Nationalsozialisten nicht billigten.
Gerade die HJ wurde gerne als Werkzeug für antikirchliche Bekundungen
benutzt. Mancherorts wurden HJ-Appelle gerade zu den Gottesdienstzeiten
angesetzt, was vom weit überwiegenden kirchentreuen Bevölkerungsteil -
darunter waren gerade auf den Dörfern auch Parteimitglieder - als
Provokation empfunden wurde. Vielfach wurden so auch Konflikte in die Familien
getragen, verlangten doch die Eltern, daß der Sohn in die Kirche ginge,
während dieser sich verpflichtet fühlte, am HJ-Appell teilzunehmen. Die
Verweigerung gegenüber HJ-Appellen wurde so bisweilen auch zum Zeugnis der
weltanschaulichen Ablehnung des Nationalsozialismus.
Im Landkreis Landsberg scheint die NSDAP und die Kreisleitung der Hitlerjugend
lange zeit eine weitgehend einsichtige Linie gegenüber solchen Buben und
deren Familien vertreten zu haben. Verständnis scheint auch dafür
dagewesen zu sein, daß die Kinder auf den Anwesen gebraucht wurden und
deswegen bisweilen unabkömmlich waren. Jedenfalls finden sich in den Akten
kaum Verfahren gegen Familien, deren Kinder nicht an HJ-Aktivitäten
teilnahmen . Erst seit dem Jahr 1941 wurde im gan3en Landkreis auf Veranlassung
der zuständigen übergeordneten Behörden und Organisationen eine
Intensivierung der HJ-Arbeit betrieben. Zu dem Zeitpunkt bestand in allen
Gemeinden eine HJ- oder Jungvolk-Gruppe. Seit Jahren war vom Landratsamt -
freilich eher zurückhaltend - die Errichtung von
HJ- Heimen in allen Gemeinden betrieben werden. [3] Als im
Zuge der verstärkten HJ-Arbeit 1941 eine Umfrage des Landratsamtes bei den
Gemeinden durchgeführt wurde, konnten beinahe alle Kommunen im Landkreis
Landsberg auf ein bestehendes HJ-Heim verweisen. Freilich die große
Mehrzahl der Gemeinden hatte lediglich eine Behelfs-Einrichtung, meist ein zimmer
in irgendeinem Gebäude, oft in der Schule oder auch in der
Gemeindekanzlei.
Seit dem Frühjahr 1942 gingen die HJ-Stammführer verstärkt gegen
solche Buben bzw. deren Familien vor, die HJ-Appelle versäumten. Ärger
bekamen dadurch auffällig viele Familien
in Epfenhausen, Hofstetten, Egling und in den Weilern um Walleshausen. Gerade
Beispiel Epfenhausen läßt sich zeigen, wie weltanschauliche
Gründe die Nachlässigkeit gegenüber
der HJ ermöglichten und legitimierten. Epfenhausens Pfarrer Johann
Niedermair war im Landkreis Landsberg einer der mutigsten Streiter gegen den
Nationalsozialismus. Schon im
Herbst 1933 bezeichnete er von der Kanzel Hitlers Regime als eine Diktatur, die
wie die Stalins in Rußland sei. Und im Frühjahr 1941 versuchte er -
wieder von der Kanzel - den
Epfenhausern zu beweisen, daß Hitler kein Feldherr war. Von den Kindern im
Dorf verlangte er, daß sie ihn nicht mit "Heil Hitler", sondern mit "Gelobt
sei Jesus Christus" grüßten. Als Pfarrer Niedermair vom Geistlichen
des Nachbardorfes bei der NSDAP-Kreisleitung in Landsberg
denunziert wurde und ihm in der Folge verboten wurde, Religionsunterricht zu
erteilen, mißachtete er ohne Aufhebens und zur Empörung des
Kauferinger Ortsgruppenleiters das Verbot. Daß es die Familien im ca. [S.
4] 250 Einwohner zählenden Epfenhausen mit den HJ- Verpflichtungen ihrer
Söhne nicht so ernst nahmen, verwundert nicht. In Walleshausen war am 17.
April 1942 um 20.30 im Schulhaus HJ-Appell angesagt. Zu diesem Appell waren
Heinrich Widmann, Dienstbote beim Schmelcher in Petzenhofen, Ulrich Ludwig und
Martin Spicker aus Unfriedshausen und Josef Ostermayer und Pankraz Fried aus
Wabern nicht erschienen. Pankraz Fried war zu dem Zeitpunkt Mitglied des
Jungvolkes, nicht aber der HJ. Tags darauf meldete der zuständige
Stammführer, Erich Leiniger aus Egling, den Vorfall an den
Jungstammführer des Landkreises Landsberg, M. Weber. Weber wiederum bat zwei
Tage später Landrat Ludwig Thoma um die Bestrafung der betreffenden Eltern.
Das übliche Strafmaß für verschuldetes Fernbleiben von
HJ-Appellen in Höhe von sechs Reichsmark sollte verhängt werden. Bei
der Auflistung der Beschuldigten betonte Weber im Falle Fried: "Appellbesuch von
den Eltern nicht erlaubt!"
Nachdem der Familie Fried der Strafbefehl zugegangen war, legte Vater Fried am 7.
Juni Einspruch gegen die Bestrafung ein. Er argumentierte, daß zu dem
Appell nicht
ordnungsgemäß geladen worden sei. Sohn Pankraz war zum Zeitpunkt des
Appells nicht Mitglied der HJ. Erst am 1.5.1942 wäre er beigetreten und
zudem wäre er laut
ärztlichem Attest vom körperlichen Dienstbetrieb befreit. In Wabern
wären zudem die Verhältnisse anders gelagert, der Weiler liege eine
halbe Fuß stunde von Walleshausen [S.5]
entfernt, der Appell wäre auf 10.00 Uhr abends angesetzt gewesen. Es
würde 11.00 Uhr werden, bis die Kinder heim und ins Bett kämen. Ihm,
dem Vater, sei es nicht zuzumuten, nach schwerer Feldarbeit tagsüber, den
Sohn zum Appell zu bringen und wieder nach Hause zu führen. Den Knaben
allein des Nachts zum Appell gehen zu lassen, dagegen, so Vater Fried, "muss ich
mich als Erziehungsberechtigter widersetzen."
In der weiteren Argumentation seiner Beschwerde, versuchte Vater Fried - unter
Anleitung seines Schwagers, Heinrich Welz aus Walleshausen -
nationalsozialistische Schlagwörter aufzugreifen, damit gegen die Bestrafung
vorzugehen und die Nazis mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen: Bei einem
alleinigen nächtlichen Gang der Buben zum HJ-Appell wären jüngst
Fälle vorgekommen, bei denen Kinder auf dem Heimweg in einer Hütte im
Ort zum Geschlechtsverkehr zusammengekommen seien. Der fragliche Knabe wäre
dann von seiner Mutter mit der Hundepeitsche heimbeordert worden. Vater Fried
weiter: "wir Eltern sind willens, solche Fälle in Zukunft zu verhindern; die
berüchtigten Kinderpaarungen im bolschewistischen Russland gelten als
abschreckendes Beispiel." Schließlich beendete Fried seinen
Beschwerdebrief: "Somit möchte ich die 'Erwartung aussprechen, dass die
HJ-Dienstappelle künftighin immer nachm., so etwa gegen 17 h., stattfinden
u. dass hiezu die Knaben genügend verständigt werden. Heil Hitler! [P.
Fried]" [S.6]
Beim Landrat fand Vater Fried offensichtlich Verständnis. Am 9. Juni leitete
er das Beschwerdeschreiben an den Kreisbannführer der HJ weiter mit der
Bitte, den Antrag auf Bestrafung des jungen Pankraz Fried aufgrund der Sachlage
zurückzuziehen. Doch der Kreisführer des Bannes Landsberg 325,
Obergefreiter Helgemeier, lehnte das Gesuch des Landrates ab. Er verlangte die
Bestrafung "unter allen umständen aufrecht zu erhalten, da sonst nur die
Gefahr besteht, dass uns die Jungen und Eltern auslachen ... ". Schließlich
teilte Landrat Thoma am 10. August mit, daß der Beschwerde nicht
stattgegeben werden kann: Es liegen keine dringenden Gründe" vor. "Der
Betrag von RM 6,- ist umgehend einzubezahlen."
Dieser Aufforderung kam die Familie Fried und auch die anderen Beschuldigten
nicht nach.
Am 20. August wandte sich der Landrat an Bürgermeister Lutzenberger in
Walleshausen mit dem Ersuchen, die Strafgelder einzuheben. Nach der
Zurückweisung der Beschwerden müßten die Betroffenen jetzt damit
rechnen, daß die Strafen zwangsweise eingetrieben werden, wenn sie bis zum
1. September nicht bezahlt würden. Am 1. September konnte Lutzenberger an
das Landratsamt nur melden: "Die Schuldner wurden zur Zahlung aufgefordert, dies
wurde verweigert."
Die Einziehung der Strafgelder in Höhe von RM 6,- und RM 1,10
Mahngebühr besorgte dann das Finanzamt Landsberg in Amtshilfe für das
Landratsamt. Bei der Familie Fried wurde der zu zahlende Betrag, der nach
erneuter Weigerung die [7]üblichen RH 6,- plus Mahngebühr
überstieg, vom Milchgeld einbehalten.
Quellenanhang:
I ) Originalbrief Pankraz Fried an den Landrat
II) Auszug aus Müller-Hahl, Landsberg nach 1918
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Walleshausen, den 7. 6.
42
[Eingangsstempel:]
8.JUN 1941 /2242
Lan
d s b e r g a/L I
NSDAP-Hitler-Jugend Bann L. (325)
Betreff: HJ=Dienstpflicht, Rückantwort Nr. 2242
An den
Landrat
des Kreises Landsberg
Auf die Verfügung v.22.4.42 und Strafbefehl in Höhe v.RM 6.-
alserlaube ich mir als Vater des Pankraz Fried, hiemit Einspruch zu
erheben.
1.) Zu betreffendem Pflichtappel wurde überhaupt nicht eingesagt; eine Strafe kann doch nur in Frage kommen wenn unterschriftlich geladen wird.
2.) Der Appell fand lt. Ihrem Schreiben am 17.4.42 statt; mein Sohn ist HJ=Mitglied erst seit 1.5.42 und ist nun It. ärztlichem Zeugniss vom körperlichen Dienstbetrieb befreit.
3.) Sind bei uns die Verhältnisse anders gelagert als in einer geschlossenen
Ortsgruppe; Wabern ist ½ Stunde v. Walleshausen entfern. Der fragl. Apell
soll auf abends 10 Uhr angesetzt gewesen sein; es wird mindestens 11 Uhr b is die
Kinder heim und ins' Bettkommen. Soll mir, dem Vater der tagsüber schwer auf
dem Felde zu schaffen hat u. abends müde ist, die
Pflicht zufallen den Knaben in den Apell zu bringen u. wieder zurück zu
führen? Ich habe noch 4 Kinder für die ich mich kümmern muss.
4.) Einem Alleinbesuch des Knaben zu einem nächtlichen Apell muss ich mich
als Erziehungsberechtigter wiedersetzen. Es sind bei einer solchen Gelegenheit
jüngst Fälle vorgekommen wo Kinder [sich] auf dem Heimweg in einer
Hütte im Ort zum Geschlechtsverkehr zusammengekommen sind u. der fragl.
Knabe dann von seiner Mutter mit der Hundepeitsche heimbeordert wurde. Wir Eltern
sind willens solche Fälle in Zukunft zu verhindern; die berüchtigten
Kinderpaarungen im bolscbewistischen Russland gelten uns als abschreckendes
Beispiel.
Somit möchte ich die Erwartung aussprechen, dass die HJ=Dienstapelle
künftighin immer nachm., so etwa gegen 17 h stattfinden u. dass hiezu die
Knaben genügend verständigt werden.
Heil Hitler!
gez. Fried
Postskriptum 28.3.2008 von P. Fried: Soviel ich weiß, hat
den Brief mein Onkel Heinrich Welz verfaßt und auf seiner Schreibmaschine
geschrieben. Für meinen Vater bedeutete der Widerspruch ein nicht
geringes Risiko, war er doch schon mehrfach wegen seiner nazi-kritischen Haltung
zum Barras einberufen worden, - erstmals für den Einmarsch in
Österreich - obwohl Bauer, kinderreich und Kriegsteilnehmer im
1. Weltkrieg. Deswegen auch die größtmögliche Tarnung,
sogar durch den Hitlergruß. Durch unglaubliche Zufälle wurde
mein Vater immer wieder entlassen bzw. dann zur Arbeit als Maurer in
benachbarte Militäranlagen verpflichtet. - Mit "Die Hitler"
wurden von der Bevölkerung alle dörflichen und regionalen NS-Aktivisten
bezeichnet.
Ergänzung: Auszug aus: Bernhard Müller-Hahl, Landsberg nach 1918. Zwischen Lech und Ammersee Bd. 10, 1983, S. 124
„...nannt wurden. Peter Pfundmayr von Hurlach erhielt einen stren¬gen HJ-Verweis, weil er aussagte: »Der Gendarm von Klosterlechfeld hat 100 Eier gehamstert. «
1m Mai 1942 erschienen 21 Hitlerjungen nicht zum Appell in Hofstetten. Sie hatten eine gute Ausrede, daß sie gleichzeitig zur Feuerwehrübung mußten. Das Landratsamt war auch der Meinung, daß in der Kriegszeit der Dienst in der Feuerwehr vorgeht. Der Herr Scharführer war damit nicht zufrieden, aber selbst der Kreis¬leiter hatte ein Einsehen, daß die Sache als erledigt betrachtet wird . Vom Fähnlein Prittriching, Kaufering, Asch kamen 1942 vermehrt Anzeigen, daß die Jungen den Dienst verweigerten und daß schon 2 bis 3 Jahre kein anständiger Dienst mehr durchgeführt werden konnte. Die Polizei mußte wieder einmal alle vernehmen. Der Landrat erklärte, daß ihm ein Bestrafungsrecht gegen die Jugendlichen nicht zusteht und daß auch nicht festgestellt werden konnte, ob sich die Erziehungsberechtigten strafbar gemacht haben. So blieb alles in den Akten. Dagegen mußten 6 Walleshauser 6 Mark Buße bezahlen, darunter auch Pankraz Fried, weil seine Eltern gegen den Appellbesuch Waren. Einige ließen es sogar auf den Einzug durch den Gerichtsvollzieher ankommen, bezahlten nicht und legten Widerspruch ein.
Von der Realschule waren zwar die jüngeren automatisch zum Jungvolk geschrieben worden, von den älteren Schülern, wie unsere lasse, gehörten nur 19,5 % zur HJ. Beim BDM war von den Realschülern fast die Hälfte der Mädchen, von der Berufsschule nur 30 °/o. und bei den Volksschulen nur 11 bis 16 °/o organisiert. Von der Jugend insgesamt hielten sind sich in den Volksschulen 80 °/° , und mehr neutral, bei den Mädchen der Berufsschule über 50°/o. Gemäß Regierungsentschließung vom 6.6.1935 mußten alle Vor¬gänge über Stammführer Löhner vorgelegt werden. Aus einem Brief des Bezirksamtes Landsberg vom 25.6.1935 an Herrn Anton Micheler, Lehrer in Landsberg: »In Ihrer Beschwerde gegen den Stammführer des JV vom 1.Dezember 1934, gerichtet an das Staatsministerium für Unterricht und Kultus, erklärten Sie sich bereit, die maßgebenden und gut orientierten Personen in ihrem Einverständnis als Zeugen zu nennen. Im Einverständnis mit dem Bezirksschulrat ersuche ich Sie daher, diese Zeugen zu benennen.« Löhner war Studiosus der 5. Klasse Realschule und im Schüler¬heim Landsberg untergebracht. So mußte auch der seinerzeitige Schülerheimdrektor Schuster Franz alle Vorgänge melden. Auch andere Beschwerden liefen über diesen Löhner, der sich gegenüber seiner Jugend wie ein »General« benahm, so schreibt es der Kreis¬amtsleitcr für Kriegsopfer. Löhner selbst mißachtet jede Ordnung im Schülerheim, aber alle anderen sollen sich nach ihm richten. Er mißbraucht seine Stellung auch gegenüber Mädchen und pflegte ........"
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Dokument II
Wabern: Kriegsende 29.4.1945
Der Krieg in unserer Heimat
Verfaßt vom damals 13jährigen Pankraz Fried im Mai l945
I. Einzug der Amerikaner
Der 2. Weltkrieg ging seinem Ende entgegen. Bayern war das letzte Land, das die
Amerikaner noch einzunehmen hatten. Die deutsche Wehrmacht war zusammengebrochen.
Und so kam der Krieg immer näher zu unserem Dorf. Man merkte es nur an den
Fliegern, die in Massen jeden Tag bei uns waren, da die Front näher kam. Die
Leute fingen an Nahrungsmittel zu vergraben. Mit dem Volkssturm ging´s
hitzig zu, alle acht Tage mussten alle Männer vom 16.- 60. Lebensjahr
antreten. Aber er hat sich, wie wir sehen werden, „hervorragend"
bewährt!
Vom...... bis ....... hatte Wabern die Einquartierung einer Baukompanie, die
größtenteils aus Italienern bestand. Sie wurde dann wieder nach
Lechfeld abkommandiert. Deckungsgräben wurden vom Volkssturm ausgehoben. Da
kam die Nachricht, daß Panzer im Anmarsch nach Augsburg seien. Tiefflieger
kontrollierten dauernd die Straßen und Eisenbahnen. (Am .........wurde im
Bahnhof Walleshausen ein Güterzug angegriffen, bei dem der Bahnhofsvorstand
[Wiedenmann] ums Leben kam. In einer Nacht der Woche vom 22.-29. April wurden die
Munitionslager in Lechfeld gesprengt. Die Häuser zitterten von den
mächtigen Explosionen. Auch wurde eine Wehrmachtsstreife an der
Paarbrücke postiert, die sich aber bald wieder zurückzog. Die
Lkw´s der deutschen Wehrmacht suchten in heilloser Flucht das Weite. Man
konnte schon von Ferne den Abschuß und Einschlag der Artillerie hören.
(Am 24. April wurde Augsburg vom Bischof nach mehrtägiger Belagerung
übergeben.) Panzerspitzen stießen westlich des Lechs vor und nahmen,
nachdem sämtliche Lechbrücken von den Deutschen gesprengt worden waren,
Landsberg noch am selben [24.] Tag ein. Widerstand wurde den Amerikanern kaum
einer geleistet, höchstens nur von ein paar verrückten SS-Einheiten,
die wussten , daß es ihnen an den Kragen ging. In Wabern befand sich ein
Lager der Reichsbahn. Dieses wurde am 28. April geöffnet durch einen
deutschen Offizier. Es konnte sich jeder Bürger von Wabern von den 2-3000
Paar Schuhen ein Paar holen. Die übrigen fielen den Amerikanern in die
Hände, die sie an die Ausländer verteilten.
Und so kam der 29. April, ein Sonntag. An diesem Tag zogen um ...[gegen Mittag]
die Amerikaner in Wabern ein. Diesen Tag will ich näher beschreiben.
In der Nacht zum Sonntag setzten sich die letzten deutschen Einheiten nach Osten ab. Am Vormittag ging man wie gewöhnlich in die Kirche, aber die meisten blieben zu Hause, denn sie wussten, daß der Amerikaner vor der Türe stand. Aber er ließ auf sich warten. Er ging bei Oberbergen [wohl Unterbergen] über den Lech und rückte langsam heran. Gegen Mittag sah man auf dem Kirchturm in Winkel die weiße Fahne. Von Egling kam das Telephon, daß der Amerikaner vor dem Dorf stünde. Nun wurde es Zeit. In einigen Minuten flatterten überall die weißen Fahnen. Auf dem Kirchturm wehten sogar 2. (Der „Volkssturm", von dem die Nazis so große Propaganda machten, versagte vollständig!). Und so schaute alles voller Spannung nach Egling. Plötzlich wurden braune Gestalten sichtbar: Es waren die Amerikaner. Sie durchschritten in langer Reihe das Paartal und entfernten sich wieder in Richtung Dünzelbach. Schon meinte man, sie gingen vorbei, da waren sie schon mitten im Dorf. Es waren große, kräftige junge Männer in braunen Uniformen. Sie durchsuchten jedes Haus nach Waffen und Soldaten. Dann rasteten sie eine Weile und aßen sich an Eiern satt. Sie brachen dann wieder in Richtung Petzenhofen - Dünzelbach auf. Während dieser ganzen Zeit kreiste ein Aufklärungsflugzeug über unserer Gegend in niedriger Höhe. Nachdem die Fußtruppen fast fort waren kamen Autos [Jeeps] , Panzer, Geschütze usw. Ganz Wabern stand voll Autos. Einige Bauern mussten aus ihren Häusern, um die Amerikaner aufzunehmen. Plötzlich zeigten sich einige deutsche Flieger. Blitzschnell saßen sie [die Amerikaner] auf ihren Geschützen und bald ließ sich kein Flieger mehr sehen. Am Abend fuhren sie wieder weiter auf dem unteren Weg nach Walleshausen. Nun lag Wabern wieder verlassen da. Der Krieg war für Wabern zu Ende, aber seine Folgen zeigten sich bald hernach.
N.B. 2007 Ich habe die damalige Aufschreibung wörtlich wiedergegeben. Aus der Erinnerung möchte ich noch einiges nachtragen.
(1) Im Gedächtnis sind mir die farbigen Amerikaner geblieben, die ich
zum ersten Mal sah und noch heute den Kirchenweg in der Gasse hinter dem Sigl zu
uns herunterkommen sehe. Die Amerikaner waren zu uns Kinder sehr freundlich.
Einige gingen mit uns hinter den Stadel und gaben uns da Schokolade. Sie waren
erfreut, dass ich Englisch sprechen konnte. Einer von ihnen erzählte, er sei
aus New York.
...(2) Mein Vater war Posten für die Kriegsgefangenen in Wabern. Die
Amerikaner zerstörten sein Gewehr, das er ihnen übergeben hatte.
Da die Gefangenen sehr positiv über meinen Vater redeten, blieb er sonst
unbehelligt.
...(3) Meine Mutter versorgte vorher Monate lang heimlich einen Mann, der
täglich aus dem nahnen Wald kam und um Essen bettelte. Als
die Amerikaner kamen, zeigte er sich öffentlich. Wir wissen nicht, wer
er war.
lI. Die Folgen
(Fortsetzung folgt)
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Dokument III
Der Luftangriff auf Augsburg 25./26. Februar 1944
Siehe www.lechrain.ontoo.de unter Link: Augsburg 25./26. Februar 1944
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Fortsetzung
folgt.
Status 28.3.2008