(Landsberger) LECHRAIN
Region Lechrain (- Ammersee) oder: Ammersee-Lechrain
Einiges Grundwissen über die Region Lechrain (- Ammersee)
Was ist der Lechrain, wo ist er, was bedeutet er? So
mögen heute nicht wenige fragen.
Einen ersten Hinweis gibt uns die Tagespresse, das „Landsberger Tagblatt"
in der sehr zutreffenden Überschrift des Regionalteils:
Landsberg. Lechrain und
Ammersee. Und es gibt noch eine Reihe von Vereinen , die sich nach
dem Lechrain nennen, auch Örtlichkeiten und Aktivitäten, die nach ihm
bezeichnet sind: siehe die über 12000 Eintragungen im Google/
Internet! Zuletzt (2007) kam dort noch die Website dazu: www.lechrain-geschichte.de . Das
Lechrainbewußtsein ist also immer noch lebendig. Lechrain wird auch
als offizieller geographischer Landschaftsbegriff durchaus noch verwendet.
Begriffe wie "Landsbergerland" oder "Lechtal" (in Deutschland) sind hingegen
moderne Kunstbegriffe ohne historischen Hintergrund. Die neuere
Tourismuswerbung kommt sogar ohne Landsberg aus und benützt nur die
die Bezeichnung Ammersee-Lech oder Fünfseendland. (Siehe Seite
Ammersee - Lechrain). Bisweilen wird sogar das "Lechfeld" zu beiden Seiten
des Lechs von Füssen bis Rain ausgedehnt (z.B. F.R. Miller, Der
Lech, 1986 oder:So schmeckt´s, blv 2010).
Im Süden hat der "Pfaffenwinkel" so gut wie ganz den alten Lechrain (Lech- und Ammerrain) verdrängt. Nur die engen historischen Beziehungen zum Welfenhaus ("Der Welf") lassen ihn dort nicht ganz vergessen. (H.Pörnbacher, Der Pfaffenwinkel, München 1980, S. 7 ff.). Es ist ja auch die Heimat des ersten Lechrain-Geschichtsschreibers Johann Georg v. Lori aus Gründl bei Steingaden (s.o.Startseite Region Lechrain )
Lage und Sprache
Landkreis Landsberg : Kernraum des Lechrains
Lechrain bezeichnete ursprünglich den Steilabhang des östlichen Lechufers. Der Lechrain wurde dann zur Bezeichnung der ganzen Gegend beiderseits, vor allem aber des Gebiets östlich des Lechs, das vom Frühmittelalter bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts bayerische Grenzregion zu Schwaben war. Und "Likatii", Lechrainer gab es bereits zur Römerzeit.
< Karte B. Müller-Hahl im Heimatbuch Landsberg
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„Zwischen Ammersee und Lech liegt ein merkwürdiges Stück Land,
herb und lieblich, verträumt, traurig und wieder frohgemut und unbändig
wie der wilde Wind, der über seine Hochmoore wegtanzt, in die himmelblauen
Bergriesen, die mit ihren schneeweißen Häuptern wachsam darüber
wegsehen....."
Besser als der auf dem Gestüt Achselschwang aufgewachsene Otto Reuther in
seinem „Goggolore" (1935) hätte man die Landschaft kaum beschreiben
können, um die es hier geht: den Lechrain. Der Lech ist seit ältester
Zeit „Grenzmarke" zwischen Bayern und dem Schwabenland, schreibt v.
Leoprechting 1855. Dies hat den Charakter dieser Landschaft geprägt:
Grenzländer halten zäher also anderswo an ihrer Überlieferung und
Eigenart fest.
Als Landschafts- und Regionalbegriff ist der Lechrain jedoch heute kaum mehr
präsent. Die Auflösung des alten Bauerntums und der alten
ländlichen Welt im Gefolge des sog. „Strukturwandels" seit 1950
läßt auch das kennzeichnendste Merkmal des Lechrains, den Lechrainer
Dialekt, immer mehr schwinden, ebenso das unreflektierte
Traditionsbewußtsein. Neue Begriffe aus der Touristik und Landschaftspflege
wie Ammersee-Region, Touristik - Verband Ammersee- Lech sowie Lechtal und
Lechwiesen sind im Vordringen.
Dabei wäre es gerade für den Landkreis Landsberg wichtig, wie die
übrigen Lechrain-Landkreise einen eingängigen Werbebegriff mit
historischer Tiefe zu haben. Für Schwangau/ Füssen wurde z.B. der
einmalige Begriff "Königswinkel" in Bezug auf die
Königsschlösser gefunden. Für das Schongauerland setzt sich voll
und ganz „Pfaffenwinkel" in Hinblick auf die dortigen alten
Klöster durch. Friedberg und Aichach firmieren erfolgreich mit
„Wittelsbacherland" als die „Wiege Altbaierns" . Und
Landsberg? Könnte nicht „Ammersee- Lech" an Inhalt und
Originalität gewinnen, wenn es „Ammersee-Lechrain" hieße, also
der ganze Lechrain zum Klingen gebracht würde: die alte lechrainische
Grenzlandschaft zu Schwaben mit ihrem urigen Dialekt, das Land mit seiner alten
Welfen-, Andechser- , Staufer- und nicht zuletzt Wittelsbacher-Vergangenheit, das
Land mit seinen Grenzschlössern, mit seinen vielen Kirchen
im„Kleinen Pfaffenwinkel" , mit seinem traditionsreichen Bauernland und
nicht zuletzt mit der „baierischen Herzogs- und Grenzstadt" Landsberg!
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Dialekt
Den engeren Lechrain bildete jedoch das südbaierisch-schwäbische
Lechrainer Dialektgebiet zwischen Lech, Ammersee und Paar, wie es die folgenden
Karten zeigen:
Wie daraus ersichtlich ist, deckt der engere Lechrain im wesentlichen ein Gebiet ab, dessen Kern der Landkreis Landsberg bildet. Er ist der Traditionslandkreis des Lechrains, was Eigenart und Geschichte betrifft. Dieses Erbe sollte Aufgabe und Verpflichtung sein, um die regionale Identität zu stärken!
Die beste Kurzinformation hierfür bietet: Martin Wölzmüller, Der Lechrainer und seine Sprache. Landschaft. Brauchtum. Mundart. Landsberg, Landsberger Verlagsanstalt Martin Neumeyer 1987 (noch erhältlich im Bürobedarfshaus Hansa Landsberg ). - Weiterführend: Renn/König, Kleiner Bayerischer Sprachatlas, dtv 2. Aufl . 2006, Kte. 4; diess., Kleiner Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben, Wißner Augsburg 2007. - P.Fried, Der Lechrain heute (Lech-Isar-Land 2002) 27-36. Siehe Link Publikationen, LL-Lechrain/Kleiner Pfaffenwinkel. -
[Siehe oben Link "Lechrain aktuell" zur Diskussion über das Alter der Lech-Mundartgrenze am Lech. Siehe dort auch Lechrainer Mundartproben im "Sprechenden Sprachatlas von Bayern"!]
Die bisherige spätere Dialektforschung erbrachte, daß gerade im Landsberger Raum Schwäbisch und Baierisch - mit einem Einschlag von Südbaierisch - sich so mischen, daß „wir diesen höchst interessanten Dialekt durchaus auch als eigenständig betrachten können. Dieses Lechrainische zieht sich zwischen Lech und Ammersee nach Süden bis über den Hohenpeißenberg, streng genommen sogar bis in dasTiroler Außerferngebiet “[1 )]. So wie die alten Bräuche längst dahin geschwunden sind, so verschwindet heute auch dieser alte Bauerndialekt immer mehr. So meldet das Landsberger Tagblatt am 11.11.2009 beim Bericht über einen Vortrag des Augsburger Dialektforschers Dr. Manfred Renn: “Ein schützenswertes Gut verschwindet langsam”. Wohl durch die Altertümlichkeit des Lechrainer Dialekts angeregt, erforschte seinerzeit Dr. Bruno Schweizer (Dießen) den in Bergdörfern hinter Trient gesprochenen sog. Cimbrischen Dialekt, der das älteste gesprochene Bayerisch ist, aber auch kurz vor dem Aussterben steht. Immerhin wurde dieser Dialekt hinreichend dokumentiert (Hans Kratzer, Dem Tode geweiht, in: SZ 10.11.2009 S. 34). Es wäre zu wünschen, daß man dies auch vom Lechrainer Dialekt in einigen Jahren sagen kann.
[1] Sprache und Dialekte in und um Augsburg, zusammengestellt von Manfred Renn, Universität Augsburg, Internet 2007
Eine CD mit dem Lechrainer Dialekt und Liedern /Volksmusik wäre deswegen ein dringendes Desiderat!
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Über Lechrainer Sitte und Brauch
Neben dem Urkundenwerk von Lori (s.o.) ist die als klassisch zu bezeichnende volkskundliche Beschreibung "Aus dem Lechrain" aus der Feder von Karl Freiherr von Leoprechting aus dem Jahre 1855 zu nennen. Es besteht aus folgenden Abschnitten:
1. Erster Teil "Erzählungen aus dem Volke". 2. Teil " Das Bauernjahr in seinen Festen und Gebräuchen, Loostagen und Lebensweisheiten", 3. Teil " Das Haim (Haus)", 4. Teil " Lied und Sang" .
"Der "Lechrain" ist für die deutsche Volkskunde ein klassisches Buch, das zu kürzen oder zu überarbeiten unverzeihlich wäre". (Jos. Hofmiller, 1924). Diese Feststellung gilt auch heute noch. Zuletzt (2005) hat Anton Lichtenstern über ihn gehandelt: Erzählungen aus einer vergangenen Welt. Vor 150 Jahren schrieb Karl von Leoprechting sein Buch "Aus dem Lechrain (www.landsberg-am-lech.de/landsberg ). Leoprechting wurde am 17.12. 1818 in Mannheim geboren und starb auch dort am 20.1. 1864. 1844 kaufte er das Schloß Pöring, von wo aus er in den umliegenden Lechraindörfern sein Material für sein Werk sammelte. 1854 verkaufte er Pöring bereits wieder.
Zur Landschaft am Lechrain und Ammersee
Das Land am Lechrain bis zum Ammersee hin ist so vielfältig geprägt wie seine Geschichte. Die Eiszeit hat es mit ihren hügeligen Jungmoränen im Süden und den abgeflachten fruchtbaren Altmoränen im Norden zwischen den Schotterterrasen des Lechs und den Kiesflanken des Ammerseegletschers geformt. Die Grenze zwischen den bewaldeten, moorigen Flächen der ärmeren Orte des Oberlands und den reichen Dörfern des fruchtbaren Unterlandes ("Getreideland") bildete in etwa die heutige B 12. Die Kulturlandschaft, die der Mensch durch Rodung und Siedlung in den letzten Jahrtausenden daraus geschaffen hat, hat die Herausforderungen der verstädternden Industriezivilisation und der modernen Agrartechnik auch hier zu bestehen, soll sie in ihrem gewachsenen Grundbestand erhalten bleiben. (Siehe den Beitrag von Anton Micheler im Kreisheimatbuch). Der Lechrain soll der schöne "wilde Westen Oberbayerns" bleiben und attraktiv für Touristen und Feriengäste werden! Und natürlich spielt heute der Ammersse eine immer immer größere Rolle im Regionalbewußtsein und in der Tourismus - Werbung: Siehe hier Link: Ammersse und die hompage: www.lech-ammersee.de
Über das geschichtlich-kulturelle Erbe
Kennzeichnend für die Lechrainer Kulturggeschichte ist die Grenzsituation und das dadurch bedingte zähe Festhalten an überkommenenem Brauchtum und Dialekt (sog. Barrierenrelikte) bis weit ins 19. und sogar 20. Jahrhundert. Erst seit dem letzten halben Jahrundert zeichnet sich ein Kulturbruch bisher ungekannten Ausmaßes ab. (vgl. P.Fried, Sozialentwicklung des Landvolks seit 1800, in Spindler, Handbuch d.bayer.Geschichte Bd.4/2, Neuaufl. 2007).
Die Likatier, also die Lechrainer zur Römerzeit (15.v.Chr. - ca. 400) haben wir bereits erwähnt. Nach der Völkerwanderung siedelten germanische Stämme, vor allem Alamannen (Sueben) und Baiuwaren zu beiden Seiten des Lechs, den die fränkischen Oberkönige schon im 6.-8. Jahrhundert zur Grenze zwischen dem alamannischen (schwäbischen) und baierischen Herzogtum festsetzten. Der Lechrain wird damit bayerische Grenzregion, die Lechrainer sind so bis heute überzeugte Baiern. Mit der Christianisierung entstanden seit dem 7./8. Jh. Klöster wie Sandau, wohl eine Gründung der Huosi, und Wessobrunn, das bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts reichen Grund- und Kirchenbesitz am Landsberger Lechrain besaß: Die Benediktiner vom 1887 neugegründeten St. Ottilien stehen funktional in Wessobrunner Tradition.
Im Hochmittelalter gehörte der baierische Lechrain den Herrschergeschlechtern der Welfen und Staufer. Die Grafen von Andechs gründeten um 1130 ihr Hauskloster Dießen; sie besaßen gleichfalls Herrschaften am Lechrain. Seit 1268 sind die Wittelsbacher als Erben der Welfen und Staufer und als Herzöge von Bayern die alleinigen Herren des Lechrains, die dort ihr Landgericht Landsberg einrichten, den Vorläufer des heutigen Landkreises Landsberg, ebenso das Pfleggericht Rauhenlechsberg. Sie besaßen später die Schlösser Lichtenberg und Haltenberg und haben heute das Schloß Kaltenberg (Brauerei, Ritterspiele) inne. Aus der Burg Landsberg, von den Welfen um 1160 errichtet, entwickelte sich im 13. Jh. die Stadt Landsberg, die in den folgenden Jahrhunderten zum Zentrum des mittleren Lechrains aufstieg.
Das Wappen des Landkeises Landsberg erinnert an diese Geschichte (Andechser Adler, welfischer Löwe, baierische Wecken!)
Diese Geschichte hat ihre markanten Spuren hinterlassen, die heute als Denkmäler an diese Zeit erinnern: Burgen wie die Burgruine Haltenberg, Schlösser wie Kaltenberg, Greifenberg, Hofhegnenberg usw.
Burgruine Haltenberg >
Vor allem erinnern ehem. Klöster wie Sandau und Dießen, dann die zahlreichen Kirchen und Kapellen an die alte Geschichte des Lechrains. Viele von ihnen waren bis 1803 Klosterpfarreien und gehörten den Klöstern im sog. Pfaffenwinkel (Wessobrunn, Polling usw.): Man hat den Landsberger Lechrain deswegen nicht zu Unrecht auch als "Kleinen Pfaffenwinkel" bezeichnet (siehe Lit. Link oben Startseite!; > Kirche Sandau ).
Nicht zuletzt und vor allem sind die alten Bauernhäuser Spuren lechrainischer Vergangenheit. Sie sind jedoch seit dem Umbruch im vorigen Jahrhundert immer mehr vom Abbruch bedroht. Eine Reihe von örtlichen Heimatmuseen sucht ihr bäuerliches Erbe für die Nachwelt zu erhalten. Landrat Müller-Hahl errichtete seinerzeit unter dem Eindruck des tiefen Wandels auf dem Lande ein inzwischen (2005) aufgehobenes Kreisheimatmuseum in Riederau (www.stohrerhof.de; www.agrarkulturerbe.de [Landschaft Lechrain]). Seine Bestände sind im einem Depot in Landsberg untergebracht und warten auf die Errrichtung eines zentralen Landsberger Lechrain -Kulturmuseums. Dieses ist und bleibt nach wie vor die große Vision.
Wer sich über den Landsberger Lechrain umfassend informieren will, der greife zur großen Kreisbeschreibung (Heimatbuch) von Landrat Bernhard Müller Hahl (s.u).
Seit dem vorigen Jahrhundert ist der Ammersee zum Kristallisationspunkt eines neuen Regionalbewußtseins geworden: siehe hier oben Link: Ammersee, ferner die Homepage: www.ammersee-lech.de, und www.Fünfseenland.de !
Kloster Dießen a. Ammersee >
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bild munich-foto
Kindertraum: Kahnfahren auf dem Ammersee und die Wallfahrt zum Hl. Berg Andechs!
4.8.2012
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