P.Fried, Hist. Atlas Schwaben
Siehe auch oben Link: Uni Augsburg Dissertationen!
Aus: 50 Jahre Schwäbische Forschungsgemeinschaft Augsburg 1999, S. 181
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DER HISTORISCHE ATLAS VON BAYERN TEIL SCHWABEN
VON PANKRAZ FRIED
Der 1949 begründete Historische Atlas von Bayern (1) ist nicht, wie man vom
Namen her schließen würde, eine bloße Sammlung von
geschichtlichen Karten, sondern er stellt im Grunde eine
historisch-topographisch-statistische Landesbeschreibung dar. Diese hat
in Bayern wie auch in Bayerisch-Schwaben eine alte Tradition. Es ist leicht
erklärlich, daß die historische Landesbeschreibung bei der
größten historischen Einheit Ostschwabens einsetzte, beim Bistum
Augsburg, das den gesamten heutigen Regierungsbezirk Schwaben umfaßt und
weit ins Oberbayerische und ein wenig sogar ins Fränkische ausgreift. Der
ehemalige Benediktiner von St. Ulrich und Afra zu Augsburg P. Placidus Braun
(1756-1829) verfaßte - nach mehreren
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(1) Literatur zum Historischen Atlas von Bayern, insbesondere für den
schwäbischen Teil: Theodor v. KARG-BEBENBURG, Aufgaben eines historischen
Atlasses filr das Königreich Bayern (Forsch. zur Gesch. Bayerns 13) 1905;
Alfred SCHRÖDER, Karte der Herrschaftsgebiete im heutigen Regierungsbezirk
Schwaben-Neuburg nach dem Stand um die Mitte 1801, Augsburg 1906; DERS., Die
staatsrechtlichen Verhältnisse im bayerischen Schwaben um 1801, in: JHVD 19
(1906), S. 134-220; Sebastian HlERETH, Der Historische Atlas von Bayern, in: ZBLG
15/2 (1949) S. 46-52; DERS., Die bayerische Gerichts- ulld
Verwaltungsorganisation vom 13. bis 19. Jahrhundert. Einführung zum
Verständnis der Karten und Texte (HAB, Teil Altbayern), München 1950;
Hans Hubert HOFMANN, Der Historische Atlas von Bayern, Teil Franken. Aufbau und
Quellen, in: JffL 11/12 (1953), S. 407-419; Max SPINDLER, Der Historische Atlas
von Bayem, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 11/12 (1952), S. 433-441;
Pankraz FRIED, Der Historische Atlas von Bayem und seine Bedeutung für
Heimatkunde und Heimatgeschichte, in: Schönere Heimat 54 (1965), S. 379-383;
DERS., Der Historische Atlas von Bayern als Quelle zur Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, in: VSWG 60 (1973), S. 498-505; Wilhelm STÖRMER,
Landeskunde - Historische Geographie - Historischer Atlas, in: Hans ROTH -
Heinz-Wolf SCHLAICH (Hg.), Bayerische Heimatkunde. Ein Wegweiser, München
1974, S. 117-136; Pankraz FRIED, Historischer Atlas und Stadtgeschichtsforschung
- Bemerkungen zum Band Augsburg des HAB, in: ZHVS 70 (1976) S. 225-232; DERS.,
Die Entstehung der Landesherrschaft in Altbayern, Franken und Schwaben im Lichte
der historischen Atlasforschung. Ein vorläufiger Überblick, in: Land
und Reich - Stamm und Nation. Festgabe für Max Spindler zum 90. Geburtstag,
hg. von Andreas KRAUS, Bd. I (SchR zur bay. LG 78), München 1984, S. 1-13;
Wilhelm VOLKERT, Die Kommission filr bayerische Landesgeschichte bei der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften, in: VOLKERT - ZIEGLER, Im Dienst der
bayerischen Geschichte, 1998, S. 21-103, hier S. 80-85 (Die großen
Landesbeschreibungen). - Zu Problemkreisen, die aus der historischen
Atlasforschung erwachsen sind, siehe insbesondere die Reihe Studien zur
bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte, hg. v. der Kommission filr
bayerische Landesgeschichte bei der BAdW, München 1962 ff. 182
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Seite 182
Vorläufern - die erste historische-topographische Beschreibung des Bistums
Augsburg, die seit 1823 erschien (2) Sein Nachfolger in der Bistumsbeschreibung
war der große Bistumshistoriker Antonius Steichele (1816-1889), ein
geborener Schwabe aus Mertingen, dann Diözesanarchivar und Domkapitular in
Augsburg und seit 1878 Erzbischof von München-Freising. Mit seiner
quellenfundierten, auch die profanen Bereiche abdeckenden
»Historisch-statistischen Beschreibung des Bistums Augsburg« - der
zweite Band erschien als erster 1861 - hat er sich in der gesamten damaligen
historischen Gelehrtenwelt einen Namen gemacht: »Vir de rerum
Augustanensium historia rneritissimus« wird er in den MGH SS Bd. 12 (S.432)
gerühmt. Vor seiner Ernennung zum Erzbischof von München (1878)
ließ er sich eigens von höchster Stelle versichern, daß ihm
für die weitere Benützung der staatlichen Archive (zum Zwecke der
Fortsetzung seiner Augsburger Bistumsbeschreibung) jegliche Erleichterung
gewährt würde. Er ist damit zum großen
»Historiker-Bischof« des 19. Jahrhunderts geworden, leider in der
Zunft als solcher kaum gewürdigt. Antonius v. Steichele hat eine gewaltige
Arbeitsleistung bewältigt und vier dicke Bände mit 14 Dekanaten allein
bearbeitet und Material für viele weitere Bände hinterlassen (3)
Seine Fortsetzer waren vom 5. bis 8. Band der Bistumsarchivar Dr. Alfred
Schröder und vom 9. Band an gleichfalls wieder ein großer
schwäbischer Bistumshistoriker, Prof. Friedrich Zoepfl in Dillingen (+
1973). Bis 1940 war die Beschreibung bis zur 1. Lieferung des 10. Bandes
gediehen, doch war erst ein Drittel der Dekanate des großen Augsburger
Bistums bearbeitet. Bei der Gründungsversammlung der Schwäbischen
Forschungsgemeinschaft in Augsburg 1949 wurde deswegen der Beschluß
gefaßt, die neue Organisation solle die auf zehn Bände angewachsene
Bistumsbeschreibung, die im Grunde auch eine. schwäbische
Bezirksbeschreibung darstellt, fortführen (4). Nach längeren
Diskussionen nahm man jedoch davon Abstand, da in München die Kommission
für bayerische Landesgeschichte beschlossen hatte, eine
historisch-topographische Beschreibung Gesamtbayerns nach Landkreisen in den
beiden Unternehmungen »Historischer Atlas und Historisches Ortsnamenbuch
von Bayern« zu initiieren. In die Satzung der Schwäbischen
Forschungsgemeinschaft von 1949 wurde in § 1 ausdrücklich neben der
Edition der geschichtlichen Quellen die Förderung des Historischen
Ortsnamenbuches und des Historischen Atlas von Bayern für den Bereich
Schwaben aufgenommen (5) .
In der Zwischenzeit sind im Historischen Atlas-Unternehmen in den altbayerischen,
fränkischen und schwäbischen Teilen weit über hundert
Landkreisbände erschienen. Der wissenschaftliche Inhalt macht die
Atlas-Bände zu keinem Volks- oder Heimatbuch und bietet keine leicht
verdauliche Kost, doch für die Regional-
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(2) Lebensbild von Friedrich ZOEPFL, in: Lebensbilder Schw. 8, München 1961,
S. 349-376. Über die historische Kartographie in Augsburg siehe Augsburger
Buchdruck und Verlagswesen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hg. v.
Helmut GIER u. a., Wiesbaden 1997.
(3) Lebensbild von Anton STEICHELE, in: Lebensbilder Schw. 3,München 1954,
S. 406-418; Das Bistum Augsburg 5 (1895) S. V-XX; LThK 9 (1937) S. 787; ADB 35
(1893) S. 572-576.
(4) Schwäb. Bll. 21 (1970) S. 11 u. 14.
(5)VOLKERT - ZIEGLER, Im Dienst der bayerischen Geschichte, S. 273; Schwäb.
Bll. 21 (1970), S. 14.
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S. 183
geschichte enthält er
viele, auf historische Quellen abgestützte Grundlageninformationen und
Hinweise auf historische Quellen in den Archiven.
Sein Hauptanliegen ist es zwar, nach einem bestimmten Grundlagenlkonzept mehr der
wissenschaftlichen Landesgeschichtsforschung zu dienen und vor allem die oft sehr
differenzierte Herrschafts- und Siedlungsgeschichte eines Raumes zu erforschen.
Vielfältig gestaltete persönliche Herrschaft war ja bis ins 18.
Jahrhundert hinein das staatliche Gehäuse für die Untertanen. In keinem
anderen historischen Grundlagenwerk wird jedoch so stark auf die Anliegen der
Orts- und Lokalgeschichtsforschung eingegangen wie beim Historischen Atlas, indem
für jeden Ort und für jeden einzelnen Hof die herrschaftliche
Zugehörigkeit aufgezeigt wird. Zudem ist zu bedenken, daß der
Historische Atlas von Bayern als eine Art Lexikon der bayerischen historischen
Regionen Europas in vielen bedeutenden Bibliotheken der europäischen Staaten
steht und damit einen Beitrag zur Bewußtseinsbildung in einem bürger-
und heimatnahen »Europa der Regionen« leistet.
Im Rahmen der Bearbeitung der Atlasbände ist jedoch so etwas wie eine
historische Atlasforschung entstanden. Zahlreiche Studien befassen sich mit den
Problemen und Thematiken, die in der Atlasforschung aufgeworfen werden. Darin
liegt die große wissenschaftliche Bedeutung dieses historischen
Grundlagenwerkes.
Die Redaktion für den schwäbischen Teil wurde zunächst von
München aus wahrgenommen; im Gegensatz zum Historischen Ortsnamenbuch und
seinem Vorreiter Richard Dertsch hatte Schwaben nach 1945 zunächst keinen
kompetenten Wissenschaftler für die Atlasbearbeitung aufzuweisen, obwohl
Alfred Schröder seinerzeit durch die auch heute noch nicht überholte
schwäbische Territorienkarte mit einer ausführlichen Beschreibung der
staatsrechtlichen Verhältnisse um 1801 ein wegweisendes Vorbild gegeben
hatte (6). Die ersten Hefte Friedberg / Mering und Rain waren historisch
gesehen altbayerische Gerichte. Das erste genuin schwäbische Heft Wertingen
wurde von Klaus Fehn verfaßt, der die komplizierten schwäbischen
Verhältnisse durch eine äußerste Knappheit in der Darstellung
meisterte. In dieses schwäbische Vakuum stieß seit 1960 der
Münchner Ordinarius für bayerische Landesgeschichte Professor Karl
Bosl, indem er zahlreiche Doktoranden auf die einzelnen Landkreise ansetzte:
Peter ijlickle (Memmingen und Kempten), Manfred Ott (Lindau), Rudolf Vogel
(Mindelheim), Dieter Kudorfer (Nördlingen), Hans Uwe Rump (Füssen),
Detlev Schröder (Stadt Augsburg), Joachim Jahn (Landkreis Augsburg), Joseph
Hahn (Krumbach), Claudia Eisinger-Schmidt (Marktoberdorf) und Hans Bauer
(Schwabmünchen). Seine übrigen Doktoranden, die zu Bosls Zeiten
nicht mehr promoviert haben, habe ich dann übernommen, sei es als
Doktoranden oder im Auftrag der Kommission zur wissenschaftlichen Betreuung - es
sind dies Meinrad Weikmann (Kaufbeuren), Helmut Lausser (Dillingen) und Helmut
Mayer (Sonthofen), sie sind heute noch an der Arbeit. Seit meiner Tätigkeit
in Augsburg 1974 habe ich gleichfalls versucht, vor allem durch Dissertationen
die Bearbeitung der noch freien Landkreise voranzutreiben; 1980 wurde eine eigene
schwäbische Atlasredaktion in Augsburg eingerichtet.
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(6) Alfred SCHRÖDER, Die staatsrechtlichen Verhältnisse (wie Anm.
I,S.135; DERS., Karte der Herrschaftsgebiete um die Mitte 1801 (wie Anm.
I).
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S. 184
Drei Landkreise konnten zunächst vergeben werden: Wolfgang Wüst
bearbeitete Günzburg und damit indirekt auch die Markgrafschaft Burgau,
ferner das frühneuzeitliche Hochstift Augsburg. Wilhelm Liebhart
verfaßte eine Dissertation über das Reichsstift St. Ulrich und Afra
(für die Reihe II). Die Dissertation von Thomas Reich (Illertissen) ist weit
fortgeschritten, ebenso die Arbeit von Frau Doris Pfister (Donauwörth). Der
Landkreis Neuburg a. d. Donau, durch den plötzlichen Tod von Frau Ritscher
freigeworden, wird seit 1998 von Markus Nadler (Eichstätt) bearbeitet. Da
seit Beginn der 80er Jahre sämtliche Landkreise in Bearbeitung waren,
mußten leider interessierte Studenten auf andere Regionen verwiesen werden.
Ein Beispiel hierfür ist mein Schüler Richard Winkler, der dann mit dem
fränkischen Historischen Atlas Bayreuth erfolgreich in Erlangen promovierte.
Ich selbst habe versucht, sozusagen als Pilotstudien die Reihe II mit der
Geschichte einzelner Herrschaften voranzubringen (7)
Da die Bearbeitung der Landkreisbände zeitweise nur zögernd voranging,
habe ich mich entschlossen, die 2. Auflage des Zorn'schen Historischen Atlas in
Angriff zu nehmen. Bis jetzt konnten immerhin 4 Lieferungen mit jeweils 10 Karten
und Erläuterungen herausgebracht werden. Den Redaktoren Karl-Ludwig Ay und
Hans Frei bin ich für ihre Mitarbeit zu großem Dank verpflichtet
(8)
Sehr zu gute kommt der Atlasarbeit, daß seit 1991 in der Schwäbischen
Forschungsstelle Räume, Arbeitsplätze und
Archivierungsmöglichkeiten geboten werden.
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(7 ) Pankraz FRIED, Der »Staat« des Reichsstiftes Irsee, in: Das
Reichsstift Irsee (Beitr. zur LK von Schwaben 7), Weißenhom 1981, S.
133-151 (mit 1 Kartenskizze); P. FRIED, Zur Herrschaft des Klosters
Oberschönenfeld am Ende des Alten Reiches, in: ZBLG 58 (1995), S. 333-339;
P. FRIED und Gerhard FÜRMETZ, Obrigkeit und Ökonomie: Grundzüge
der herrschafts-, sozial- und wirtschaftsgeschichtIichen Entwicklung des Klosters
Oberschönenfeld bis zur Säkularisation, in: Werner SCHIEDERMAIR (Hg.),
Kloster Oberschönenfeld, Donauwörth 1995, S. 24-33; G. FÜRMETZ,
Kloster Oberschönenfeld: Übersicht über die Grund- und
Gerichtsherrschaft am Ende des Alten Reiches (um 1800), ebd. S. 34-37 (mit 2
Kartenskizzen); P. FRIED, Zur Geschichte des Steingadener Klosterstaates, und
DERS., Kleiner historischer Atlas des Stiftes Steingaden, in: Der Welf 1996/1997,
S. 302-331; P. FRIED, Zur Bedeutung der Benediktinerabtei Heilig Kreuz zu
Donauwörth in der Barockkultur Ostschwabens, in: W. SCHIEDERMAIR (Hg.),
Heilig Kreuz in Donauwörth, Donauwörth 1987, S. 28 f.; P. PRIED, Zur
Geschichte der Grundherrschaft des Klosters [Andechs), in: Andechs. Der Heilige
Berg. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart, hg. v. Karl BOSL u. a.,
München 1993, S. 240-245 (mit 1 Kartenskizze).
(8 ) S.u.S.193-200.
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S. 185
Kartenskizze, s. o.
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