Materialsammlung

Materialsammlung    

                                        
Der LECHRAIN
Was war er - was ist er?
Belege und Argumente

Aus einem Vortrags- Manuskript v. J. 2000 ausgezogen
und in Artikeln mit Hinweis auf einschlägige Abbildungen ( BILDER ) wiedergegeben
von Pankraz FriedLori, Urkundenedition Lechrain

1. Worterklärung nach Schmeller, Bayerisches Wörterbuch (II, 104;1877): a) ein zwischen Ackerfeldern
ungepflügt liegen bleibender Grenzstreifen; b) der gegen ein Moor oder gegen ein Wasser-, besonders
Fluß -Bett abhängige Rand des höheren Terrains.
BILD Uferhang

1,1 Text aus Leoprechting ( Aus dem Lechrain (1855) , Vorwort): „Der Name „Lechrain bedeutet das Land
mit dem Abhang beider Gestade, diesem Flusse zu. Auch die Isar, die Amper etc. hatten in ältern Zeiten
ihren Isar-, Amperrain; doch hat sich die letztere Benennung schon längst verloren.....
Seit ältester Zeit ist der Lech die Grenzmarke zwischen Bayern und Schwabenland, und obwohl bayrhalb
die Sprache schon einen merklich schwäbischen Anklang gewinnt, so ist doch die Gebar in Tracht, Sitten
und Gewohnheiten urbayrisch. Auch der wechselseitige Verkehr ist noch heute gleich null..........."

1a. Zur Römerzeit (15 v. Chr. - 5.Jh.) ist allerdings der Lech noch nicht Grenze, sondern er fließt im Zentrum der Provinz Raetien mit der Hauptstadt Augusta Vindelicum (Augsburg). An seinen Ufern wohnte der keltische Stamm der Likatier.
Siehe KARTEe im Bayer. Geschichtsatlas
ABBILDUNG Monumentum Ankyranum (La Turbie)

1b. Die zu beiden Seiten des Lech verlaufende Römerstraßen Via Claudia und die römische Brennerstraße verbanden die Provinz und Augsburg mit Italien.
KARTE: Tabula Peutingeriana

1c. Der Ort Weil am Lechrain hat seinen Namen von der dortigen villa = Landgut. Deren
Grundrisse wurden in den letzten Jahren ausgegraben.
BILDER Grabungsbericht Villa rustica in Weil

1d. Dementsprechend war der Lech auch nicht Grenze eines spätantiken Bistums Augsburg. Auch sein Nachfolgebistum Augsburg , im 7. Jh. wohl wieder gegründet, erstreckt sich deswegen - noch heute - zu beiden Seiten des Lechs. Von Augsburg aus erfolgt seit dem 7. Jahrhundert die Christianisierung und später die Pfarreiorganisation. (S. Fried, Bistum Neuburg-Staffelsee)
ABBILDUNG: Goldblattkreuze (Spötting) früheste Zeugen des Christentums.

2. Der Lech ist aber seit dem 5./6. Jahrhundert, dem Beginn der bajuwarisch - alamannischen Besiedlung, nachweislich seit dem 8. Jahrhundert, die Landesgrenze zwischen den Stammesherzogtümern Baiern und Schwaben (Alemannien). Älteste Zeugnisse für die germanische Besiedlung sind Reihengräberfunde und die alten Ortsnamen auf ing(en).
Siehe KARTEN Bayer. Herzogtum 788; ingen -Orte im Bayerischen Geschichtsatlas.

KARTE Reihengrab-Funde!

2a. Entstehung und Geschichte der Lechgrenze ist bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, zuletzt in der Tagung l998 "Menschen und Grenzen in der frühen Neuzeit". Zusammenfassend siehe Ferdinand Kramer (unten Nr.40) und P. Fried, a) in: Heimatbuch Landsberg, 1966; b) in: Augsburger Beiträge Bd. l 1979, c) in: Festschrift T. Gebhard, 1989; d) in: Studien z. bayer.Verfassungs- und Sozialgeschichte Bd. XVI, 1994.

3. Im 8. Jahrhundert werden vom Herzog und den Huosi, gleichfalls im Zuge der Christianisierung, die Klöster Wessobrunn, Benediktbeuern, Sandau, Polling und Thierhaupten gegründet, die am Lechrain liegen oder dort begütert werden. Mit den im Hochmittelalter gegründeten Klöstern Rottenbuch, Steingaden und Dießen entsteht der sog. Pfaffenwinkel. Diese Klöster, vor allem Wessobrunn und Benediktbeuern haben ausgedehnte Grundherrschaften und Kirchenpatronate im Land zwischen Lech und Ammersee/Paar, im späteren Landgericht Landsberg. Dessen nördlicher Teil wurde deswegen nicht zu Unrecht „Kleiner Pfaffenwinkel" genannt. - Neue Quelleneditionen im Rahmen der Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte (QE NF) und der Germania Sacra, zuletzt Wessobrunn.
BILD: Kirche Sandau

3a. Die Grafen von Dießen, Inhaber von Grafschaften und Grundherrschaften am Lechrain,  gründen um 1130 das Kloster Dießen(P. Fried, Die Grafen von Dießen - Andechs. Schnell & Steiner 1988)

4. Im Hochmittelalter sind neben den Grafen von Dießen - Andechs die Welfen und in deren Nachfolge seit 1191 die Staufer Herren am Lechrain: Der Bergfried der Burgruine Haltenberg erinnert an die Ritterzeit am Lechrain.
BILD: Burgruine Haltenberg

4a. Der Gunzenlee am Lechrain bei Kissing ist vom 10. -13. Jh. Sammelort des könglichen Heeres und Gerichtsort (Barthel Eberl, Die Ungarnschlacht auf dem Lechfeld (Gunzenlê) im Jahr 955. Augsburg 1955. Siehe Ortschroniken Mering und Kissing)

4b. Ein Bau mit Folgen: Herzog Heinrich der Löwe läßt um 1160 die „Landespurc" zur Sicherung der Salzstraße errichten, aus der dann im 13. Jahrhundert die Stadt Landsberg entsteht. 
(Siehe Beiträge P.Fried zur Frühgeschichte Landbergs)

BILD Gemälde Landsberg 1200

5. Nach dem Anfall der Güter der 1248 ausgestorbenen Andechser und der sog. Konradinischen Erbschaft 1268/69 errichteten die Wittelsbacher, seit 1180 Herzöge von Bayern, das Landgericht Landsberg . Der Lech bleibt damit Landesgrenze, allerdings mit einigen Dörfer „schwabseits" vor Landsberg.
KARTE Landgericht Landsberg. Ausstellungskatalog Konradinische Erbschaft

6. Vom 15. - 18. Jahrhundert kommt es an der Landesgrenze mehrfach wegen Grenzverlauf und Landeshoheitsrechten zu Streitigkeiten, die in Plänen und Karten dokumentiert sind.
Historische PLÄNE und Karten im HSTA München, Abb. im Hist. Atlas Landsberg

6a. 1436 Grafschaft Moring "an dem Lechrain" : Soweit ersichtlich erste urkundliche Erwähnung des Lechrains, siehe Lori, Urkunden Lechrain S. 144 (Nr. CXLVI)

7. Der Humanist Johannes Thurmaier, gen. Aventin (1477 - 1534), Vater der baierischen Geschichtsschreibung, kennt den Lechrain in Chronik und Karte (1523): „An dem Lech Lycates oder Lycatios, haissen wir nun die Lechrainer". Das Kloster Thierhaupten liegt am Lechrain.

8. Der Lechrain ist in den Atlas- und Kartenwerken von Sebastian Münster l550 und Philipp Apian l568 eingezeichnet.

9. 1573 wird ein Inventarverzeichnis der „ Grafschaft Möringen, am Lechrain, in Bayrn" erstellt anläßlich der Verpfändung an die Fugger.

9a. Im Kur-Bayerischen Atlas von Anton Wilhelm Ertl 1687 ist unter Landsberg vermerkt: „Das Volk ist meistens nach Schwäbischen Sitten und Gewohnheiten geartet."

10. Die seit dem l8. Jahrhundert einsetzende Aufklärung läßt neue Methoden der Geschichtsforschung  enstehen und widmet sich der „statistischen"Beschreibung des Volkes zum Zwecke der Hebung der "Volkskwohlfahrt":

11. *Johann Georg v. Lori (+1779), Wirtssohn von Gründl (gegenüber Lechbruck bei Steingaden), kurfürstlicher Hofrat und Mitbegründer der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, verfaßte 1765 das Urkundenwerk: "Zur Geschichte des Lechrains zweyter Band, Urkunden enthaltend". Anton Lichtenstern, in: Stadt Landsberg (Internet).

12. 1802 beschreibt der aufgeklärte Staatsrat Joseph v. Hazzi in seinen „Statistischen Aufschlüssen über das Hertogtum Baiern" (4 Bde. 1801/08) Bd. II (1802) S. 153 ff. beim  Landgericht Landsberg  (u. Schongau) sehr ausführlich den Lechrain:

12a. Text aus Hazzi:
„Da jetzt mit der Abtheilung der Weide sowohl als der Holzplätze angefangen ist, das Dorf Scheuring auch die Hänge, die am ganzen Lechrain - so heißt auch das ganze Land - bis Friedberg öde lagen, erst jüngst vertheilt und zur Kultur vorbereitet hat, so werden diese Hänge oder Rhaine, wenn man die Mühe sich nicht reuen läßt, bald die schönsten Gärten und Baumpflanzungen darbieten, und die Gegen neu beleben."

12b. Text aus Hazzi:
Im Gericht Mering sind die großen hageren Männer meist blau gekleidet sind und immer mehr den Schwaben gleichen, „deren Sprache sie ganz haben". Von den Meringer „Weibsleuten" wird berichtet, daß sie sich wie die „Lechrainerinnen" kleiden. Mit Kissing könne man den „wohltätigen Lechrain als geendet" ansehen, wo alles „in Rücksicht des Bodens und Karakters mit den Lechrainern in gleichem Verhältnis
stehe".

12c. Text aus Hazzi:
Im Gericht Aichach sind die Männer hingegen klein wie die Zwerge und mit brauner oder schwarzer Haarfarbe; die Frauen weisen ebenso kleinen Wuchs und dazu noch „wilde Züge" auf. Beim Gericht Schongau stellt Hazzi wiederum fest : „Die Bewohner tragen sowohl den Karakter als der Kleidung nach das Gepräg der Mischung: halb schwäbisch, halb baierisch....."

Die Landesgrenze am Lech fällt

13. Die Grenze fällt: 1803-1810 wird die bayerische Landesgrenze vom Lech an die Iller verschoben.
Siehe KARTE. Der Lechrain bleibt aber Regierungsbezirks- und Stammesgrenze.

14. 1803 wird im Zuge der Säkularisierung das Kloster Wessobrunn, das die größte Grundherrschaft im Landgericht Landsberg hatte, mit allen anderen Klöstern des Pfaffenwinkels aufgehoben. Der Ort Wessobrunn wird vom neu organisierten Landgericht Landsberg abgetrennt und Weilheim zugeteilt.
Jahrtausend alte kulturelle Beziehungen werden so unterbrochen, vor allem nach Tirol.
In einer „Revolution von oben" wird das Land von der aufgeklärten Montgelas´schen Staatsbürokratie modernisiert, auch wenn viele Reformen, wie B. Hubensteiner in seiner Bayer. Geschichte schreibt, am Landmann von damals noch "wie ein Regentropen am Fenster abgelaufen sind". 1848 erhalten die Bauern endgültig ihre Güter als Eigentum.

15. Weitaus mehr beeinflußte das Land in seinen Folgen der Anbruch des Industriezeitalters im 19. Jahrhundert.

Die erste Generation von Landbewohnern beginnt in die Städte abzuwandern. 1854 fand die erste große Industrieausstellung im Münchner Glaspalast statt. Damals enstand der Gedanke, das vorindustrielle Bayern, das Land der Bauern, Handwerker noch einmal zu dokumentieren, ehe es zu spät ist.
Auch dem damaligen Kronprinz und späteren König Max II. von Bayern war dies ein
Anliegen. Der Lechrain, wo sich damals noch altes Brauchtum besonders intensiv erhalten hatte, hatte das Glück, mehrere interessierte volkskundliche „Feldforscher" zu finden. Die Romantik tat das ihre, das alte Landleben zu verklären und den Blick zurück auf das Mittelalter zu lenken.

16a. l821 schreibt Franz Dionys Reithofer in seiner Geschichte der Stadt Rain:

 "Rain bedeutet sonst einen zwischen den Feldern aufgeworfenen unbebauten Raum oder mit Gras bewachsenen Rand eines Ackers, auch einen Platz oder eine ganze Strecke am Ufer eines Flusses, Lechrain ist der Inbegriff aller Landschaft am dieß- und jenseitigen Ufer des Lechs. Au bei München, dann die Dörfer Bogenhausen und Vöhring liegen am ehemahligen Isarrain".

16b. Der kgl. Reichsarchivdirektor Frhr. Joseph von Hormayr (1781 -1848) setzt das Werk Loris über den Lechrain l842 in seiner „Goldenen Chronik von Hohenschwangau, der Burg der Welfen, Hohenstaufen und Scheyern(Wittelsbacher)" in romantischer Manier fort.

17. *Carl Freiherr von Leoprechting (1818 -1864), Herr auf Schloß Pöring, zeichnete
Volkserzählungen und das Bauernjahr imLechrain auf. (Siehe A. Lichtenstern unter Stadt Landsberg (Internet).

17a. 1855 erscheint Leoprechtings Werk „Aus dem Lechrain". Zur deutschen Sagen- und Sittenkunde. Es ist noch heute ein Klassiker der Volkskunde.

17b. Leoprechting, Lechrain Text (Einleitung):
Wenn man den Lechrain in drei Theile theilt, so bildet die Gegend zwischen Friedberg und Schongau, sohin dem größeren Theile nach das Landgericht Landsberg, den mittleren Lechrain. Dieser scheidet sich der Güte des Bodens nach wiederum in drei wesentlich verschiedene Abtheilungen:Die Poststraße, so von München über Landsberg nach dem Allgäu führt, theilt denselben bayerhalb in das Ober- und Unterland. Die dritte Abtheilung, welche auf der linken seite des Lechs liegt und das Lechfeld genannt wird, ist schon ganz schwäbisch, obwohl noch ein Theil nach Oberbayern gehört......".


18 . Etwa gleichzeitig beschreibt der Schriftsteller und Maler Joseph Friedrich Lentner (1814-1852) den Lechrain in den „Sagen und Geschichten aus dem Lechrain". Siehe Joseph Friedrich Lentner, Bavaria. Land und Leute im 19. Jahrhundert. Oberbayern: Die Landgerichte im Gebirge. Herausgegeben von Paul Ernst Rattelmüller, München 1988; Hans Pörnbacher, Dorfgeschichten und Ritterromane. Zum 150. Todestag von Joseph Friedrich Lentner 4. In: Unser Bayern, Jgg. 51 Nr.4, April 2002, S. 55 - 57

18a. Lentner schreibt (Text S. 17 f.):

„Das rechte Ufer des Leches am Gebirge bei Füssen bis zum Beginn des Lechfeldes hinter Landsberg bildet die uralte Landmark zwischen Schwaben und Bayern unter dem Namen´Lechrain´.....Die Lechrainer sind ein alemannisch-bojoarisches Mischlingsvolk. Die schwäbische Beimischung überwiegt, jedoch besonders südlich bedeutend......Wir finden einen Mittelschlag, ohne schöne Formen, keine hübschen Gesichtszüge, jedoch gute Farben und besonders bei Weibern meist klare blaue Augen und blondes Haar.... Es zeigt sich bei den Lechrainern ein tüchtiger Verstand, viel Auffaßungstalent, nach Schwabenart leicht auf jeden Gegenstand eingehend".

18b. Lentner schreibt weiter  Text (S. 23):

„Der Lechrain gehört nach Schmöller [Schmeller] zum Gebiete der „westlechischen, d.i. schwäbischen Mundart. Die Erinnerung für Geschichten und Märchen aller Art ist hier noch lebhafter, als anderswärts und muß hier einmal ein besonderes reicher Schatz davon gehäuft gelegen sein. Auch vom alten Volkslied zeigen sich Spuren, indessen in beiden Zweigen alljährlich ein rasches Verwelken."

18c. Lentner S. 84

Noch sind es jedoch nicht 20 Jahre, so ergötzte man sich auch im Lechrain und im Ammergau an der löblichen Lust des Kommödienspiels. Ein der bessern und besuchten Bühnen stund in Peuting..

18d. Lentner S. 250

Er selbst schreibt später im Vorwort zu seinen Sagen und Geschichten aus dem Lechrain, es ist "der Landstrich an den Ufern des Leches, von den Hochalpen bei Füßen bis hinab gegen Augsburg, ein Zwischengau des Baier- und Schwabenlandes...

19. In dem 1861 erschienen Physikatsbericht = Topographischer & Ethnographischer Bericht wird das Gebiet des kgl. Landgerichts Landsberg eingeteilt in:I. Das Lechfeld, II. Das Lechthal, III. Der nördliche Teil des Lechrains (nördlich von ..) und IV. Der südlich von der Münchnen-Landsberger Straße gelegene Theil des Lechrains. (ed. von K. Münzer in LG 91./92. Jgg. 1992/93)

20. In der von König Max II initiierten Bavaria: Landes- und Volksbeschreibung Bayerns 1862ff. ist der Lechrain unter Oberbayern auf der Grundlage des Werke von Leoprechting und Lentner geschildert. Auch der Untere Lechrain wird mehrfach bei der Beschreibung der Haus- und Trachtenlandschaft erwähnt.

21. Im historisierenden l9. Jahrhundert wird 1856 der Historische Verein für Stadt und Landkreis Landsberg gegründet. 1901 werden als sein Organ die „Landsberger Geschichtsblätter" durch Realschullehrer Johann Jacob Schober und Karl Emerich, Pfarrer in Unterfinning. begründet. Darin ist  auch über den Lechrain behandelt, wenngleich nur in wenigen Beiträgen. (Siehe Register Jgg./Bd. 100) 

22. Über den unteren Lechrain erscheint 1863 der Beitrag von Böhaim, Carl August, Zur Geschichte und Beschreibung des unteren Lechrains (Oberbayer. Archiv Bd.23), 1863.

23. 1885 schreibt Johannes Fressl in den Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns in einem Aufsatz „Über die genaueren Grenzen der Baiwaren unter dem kgl. Hause Wittelsbach": „Alte Leute erzählten mir , daß schwäbische Laute in der Stadt Landsberg ein seltener Klang waren; heute möchte jemand, der es nicht besser weiß, zweifeln, ob Landsberg je eine baiwarische Stadt war."

23a. 1895 werden die Landsberger Kunstdenkmäler in der Reihe „Die Kunstdenkmale des Königreichs Bayern" (Bd. 1: Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirks Oberbayern) beschrieben. Siehe auch Dehio -Gall, Kunstdenkmäler Oberbayerns.

24. 1902 verfaßt der kgl.bayerische Reichsarchivdirektor Franz Ludwig Baumann, bekannt
durch seine Geschichte des Allgäus, eine grundlegende Studie zur "Geschichte des Lechrains und der Stadt München".

25. 1902 wird, 100 Jahre nach Aufhebung des Klosters Wessobrunn, das Benediktinerkloster St. Ottilien, „am Randgebiet des Pfaffenwinkels entstanden "(P. Frumentius Renner) und inmitten des ehemaligen Wessobrunner Klosterbesitzes liegend, zur Abtei erhoben. Es ist auf verschiedenen Gebieten Traditions- und Funktionsnachfolger des ehem. Lechrain - Klosters Wessobrunn . (Fried, in Festschrift 100 Jahr Abtei St. Ottlilien)

Nach dem l. Weltkrieg

26. 1925 gibt Dr. Bruno Schweizer aus Dießen (l897 - 1958) mit seiner Dissertation „Der Konsonantismus im Lechisarland 1925 den Anstoß zur sprachwissenschaftlichen Erforschung des Lechrainer Dialekts und seiner Entstehung. (Dialekt - Karte). Schweizer ist Begründer der Zeitschriften „Ammersee-Heimatblätter" bzw. „Lech-Isar-Land" und der sie tragenden Vereine, des Heimatvereins Dießen, des Heimatverbandes Huosigau bw. Lech - Isarland und der „Ammersee-Heimatforscher".

26a. Schweizer unterteilt l925 das Gebiet des Heimatverbandes Huosigau u.a. auch in die Unterbezirke oberer, mittlerer und unterer Lechrain zu beiden Seiten des Lechs
(KARTE).

27. 1926 erscheint das Büchlein „Der Lechrain" aus der Feder des zu Untergermaringen geborenen schwäbischen Dichters Peter Dörfler (1858 - 1955). Darin erzählt er köstliche Geschichten aus dem oberen Lechrain.

27a. l929 berichtet Anton Mayer-Pfannholz über „ Eine alte [1545 entstandene ] Karte vom oberen Lechrain" im Schwäb. Museum Jgg. l929 . S. 56 - 60

28. 1932 schreibt Pfarrer Johann Dorn (1989 - 1972), langjähriger Benefiziat in Prittriching, über „Kirchherrschaft und Grundherrschaft... am bayerischen Lechrain"

28a. 1935 zeichnet Otto Reuther mit dem „Goggolore" aus Achselschwang nochmals eine oberbayerische Sage aus dem Lechrain auf.

28a. Johanna Brandmaier von Egling (1872-1956), verh. in Wabern, erzählte als Zeitzeugin: Die Lechrainer seien Bayern. Doch wegen ihrer Sprache seien sie keine Schwaben, sondern eben Lechrainer. Sie unterscheiden sich von den Unterländer - Bayern mit ihrem dumpfen „o".
Sie wußte genau die obere Maisach („Doldeigraben; bei Apian 1560 „ rivus Toletin")zwischen
Luttenwang und Adelshofen als Dialektgrenze zwischen Lechrainisch und Baierisch anzugeben.

Nach dem 2. Weltkrieg

29. Bernhard Müller-Hahl, der spätere Landrat, beginnt 1951 die ortsgeschichtliche Schriftenreihe „Unsere Heimat am Lechrain", die stellvertretend für die vielen ortsgeschichtlichen Bemühungen am Lechrain genannt sei (ca. l0 Bände).

30. 1966 (2.Aufl. 1982) gibt Landrat Bernhard Müller-Hahl (+1985) eine umfassende Geschichte des Stadt- und Landkreises Landsberg heraus mit dem Titel: „ Zwischen Lech und Ammersee. Heimatbuch".

30a. Er begründete um 1970 eine Kreisheimatstube im Stohrerhof in Riederau , für die er altes bäuerliches Gerät sammelte. Das LT (l.5.84) charakterisiert Müller-Hahl bei seinem Abschied l984 mit der Überschrift : „Lechroaner Dickschädel von Format".

30b. 2006 wird nach jahrelangen Ringen das Kreisheimatmuseum Stohrerhof aufgelöst und ein Teil seiner Bestände in ein neugebautes Depot neben der Berufsschule in Landsberg verlagert. (Siehe P.Fried, Heimatmuseum. In: Zeitschr.f.bayer. Landesgeschichte Bd.68, 2005 S.147-163; www.stohrerhof.de)

BILDER M.-H., Stohrerhof

31. „Der Lechrain in geographischem Sinn heißt der Höhenzug, der das östliche Lechufer bildet und sich von Füssen an bis gegen Rain erstreckt". Lore Grohsmann, Die Ortsnamen des Landkreises Friedberg 1956

32. 1972 erscheinen im landesgeschichtlichen Grundlagenwerk „Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern", als Bde.22/23 die Beschreibung der Landgerichte Landsberg und Schongau mit dem Pfleggericht Rauhenlechsberg, bearb. v. P.Fried und S. Hiereth.
(Kartenausschnitt)

33. Mit dem „Strukturwandel" („Höfesterben") bei steigendem Wohlstand) auf dem Lande seit den 60erJahren des vorigen (20.) Jahrhunderts ändert sich die ländlich-dörflicheWelt auch am Lechrain wie nie zuvor in der Geschichte: sie wurde vielfach „zu einer Welt, die wir verloren haben", wie der Engländer P. Laslett es formulierte.

34. Unter diesem Eindruck entsteht an der Universität Regensburg l972 eine Habilitations - Schrift von P.Fried über die Sozialgeschichte der ländlichen Welt Bayerns im Industriezeitalter (1800 -1970), ein zusammenfassender Abstrakt veröffentlicht im Handbuch der bayerischen Geschichte Bd. IV. Es wurde versucht, die Romantisierung und Überzeichnung des ländlichen Lebens in der vorindustriellen Zeit durch das Bildungsbürgertum , aber auch die übertriebenen sozialkritischen Darstellungen des Landlebens zurechtzurücken.

34a. Pankraz Fried und Heinz Haushofer edieren 1974  "Die Ökonomie des Klosters Dießen. Das Compendium Oekonomicum von 1642" (Quellen u. Forschungen z. Agrargesch. Bd. XXVII). P. Fried gibt später gesammelte Aufsätze von Heinz Haushofer heraus.  

35. Dipl. ing. Wilhelm Neu (1919-1998), Landeskonservator am Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Vorsitzender der „Ammersee -Heimatforscher" und bis zuletzt Kreisheimatpfleger. Er inventarisierte und dokumentierte die gefährdeten historisch wertvollen Bauernhäuser. Er schrieb jährlich u. a. Beiträge in der Heimatzeitschrift Lech-Isar-Land.

36. Der Volksmusikpfleger des Bezirks Oberbayern gibt 1986 „Lieder aus dem Lechrain" heraus.

37. Der langjährige Heimatpfleger von Oberbayern Dr. Sigfrid Hofmann, ein geborener Lechrainer aus Steingaden (+1993), gab die Schongauer Zeitungsbeilage „Lech-Ammerrain" heraus und publizierte Schriften über „Altbaiern, Lechrainer, Schwaben" und „Wanderungen im Lechrain". Das von ihm wiederbegründete „Lech-Isar-Land" hatte unverkennbar seinen Schwerpunkt im Lechraingebiet von Steingaden-Schongau bis Landsberg. „Heimatpflege durch Heimatschrifttum" war sein Motto.

38. Der Lechrainer Bauern - Dialekt, den Martin Wölzmüller 1987 zuletzt im populären Büchlein „Der Lechrainer und seine Sprache" beschrieben hat, geht mit dem Untergang der alten bäuerlichen Welt immer mehr zurück. Prof. Werner König, Universität Augsburg, dokumentiert seit l996 im „Sprachatlas von Bayerisch - Schwaben" auch den Lechrainer Dialekt (siehe die Dialektserie im LT!). Dr. Rowley, Leiter des Bayer. Wörterbuchs bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften,sprach in Ried b. Mering über den Lechrainer Dialekt.

39. Der Kreisarchäologe Dr. Anton Huber bezeichnet in seinem Landkreisbuch l996 den Lechrain als das „Land zwischen Schwaben und Bayern", und schreibt über Ortsnamen am Lechrain.

40. Unter dem Eindruck der neuen Kommunikationsforschung schrieb l998 Prof. Dr. Ferdinand Kramer eine  interessante Studie „Zur Entwicklung einer Grenzregion: Der Lechrain an der bayerischen Grenze zu Schwaben" (In: Menschen und Grenzen in der Frühen Neuzeit. Innovationen Bd.2, Berlin 1998, S. 210- 227). Er erklärt durch den Prozeß der regionalen Verdichtung (durch Grund- und Gerichtsherrschaft, zentrale Orte, vor allem Wessobrunn und Landsberg) die Abgrenzung gegenüber baierische Neuerungen in Mundart und Brauchtum.

41. Im Jahre 2000 verfaßte Prof. Kramer unter diesen Aspekten eine „Geschichte der Gemeinde Untermühlhausen", die l714 auf einer Kerze in Andechs als „Milhausen am Legrain" bezeichnet ist. 1993 hatte Rainer Beck zuvor am Beispiel von Unterfinning die „Ländliche Welt vor Anbruch der Moderne" (frühes l8. Jahrhundert) wirtschafts- und sozialgeschichtlich erforscht.


42. Prof. Kramer hatte bereits l999 einen Aufsatz zum Thema: „Die Entwicklung der bayerischen Städte an der Grenze zu Schwaben im Rahmen der Infrastruktur des Landes" (ZBLG/B 15) verfaßt. Der Zugrunde liegende Vortrag auf einer Tagung in Weißenburg lautete noch „Die bayerischen Grenzstädte am Lechrain (Schongau, Landsberg, Friedberg, Rain a. L.) zwischen Altbayern und Schwaben".

43. Die Stadt Landsberg, das Zentrum des Lechrains, gibt etwa l999 nach der großen Inventarisierungsaktion durch Frau Dr. Dagmar Dietrich eine umfassende Geschichte der Stadt Landsberg bei der Universität Augsburg, Prof. Karl Filser und Dr. Dotterweich, in Auftrag.

Der Lechrain heute

44. Geographisch betrachtet: Der Lechrain ist immerhin noch 1985 im wissenschaftlichen „Verzeichnis der Landschaftsnamen nach größeren naturräumlichen Landschaftseinheiten" eingetragen. Die einstige Naturlandschaft ist jedoch durch Stauseen stark beeinträchtigt. Immerhin sind aber noch einzelne Biotope vorhanden: „Die Blume des Jahres (Blutroter Storchenschnabel) wächst am Lechrain"! (LT 3.11.2000 S.21)

45. Auch in sämtlichen Bänden des wiss. Handbuchs der bayerischen Geschichte von Max Spindler erscheint der Lechrain öfters als historischer Landschaftsbegriff verwendet. Vor allem im Zusammenhang mit den den Welfen und Staufern am Lechrain.

46. In der Datenbank der Bayerischen Staatsbibliothek (OPAC-Suchsystem) werden 33 Literaturtitel in Bezug auf den Lechrain ausgewiesen (im Jahre 2000). Im Internet (Google) gibt es 2007 über 12000 Lechrain- einträge!

47. Es fällt auf, daß der Begriff Lechrain seit dem 19. Jahrhundert zurückgedrängt wird zugunsten von Landsberg, des Ammersees und Oberbayern. Der Historische Verein hat sein Zentrum in der Stadt Landsberg; Bruno Schweizer von Dießen am Ammersee verwendet den Begriff Lechrain kaum, ebenso Wilhelm Neu von Utting am Ammersee. Leoprechtings „Aus dem Lechrain" erscheint neu bezeichnenderweise unter dem Titel „Bauernbrauch und Volksglaube in Oberbayern"! Für manchen Städter und zugezogenen Ammerseebewohner war der Lechrainer, schon aufgrund seines Dialekts, etwas abschätzig der Bauer vom Dorf.

48. Unter historischer Perspektive ist der Lechrain nach dem „Strukturwandel" (= Höfesterben) heute „ein verklingendes oder schon verklungenes Lied" von der altertümlichen, eigengeprägten ländlich - dörflichen Welt am Lech. Er ist eine romantische Erinnerung an den untergehenden Lechrainer Bauern - Dialekt und an die immer mehr schwindende baierisch-schwäbischen Stammes- und Dialektgrenze am Lech. (Fried, Lechrain heute. LIL 2002)

Der Lechrain im Volksbewußtsein heute:

49 . Presse: Im (2000) neugestalteten LT ist der Lokalteil: „Landsberg. Der Lechrain. Ammersee und die Region" überschrieben. Die Seite „Lokales - Lechrain" bringt Nachrichten aus dieser Region. - Die Zeitung „Friedberger Neueste" nennt sich im Untertitel: „Heimatzeitung vom Lechrain".
BILD ZEITUNGSEITE

50 . Internet: Domäne noch frei! Unter der privaten Homepage „Lechrain" erscheint ein „Briefmarkenbüro Lechrain" in Mering bzw. Affing (2000).

51. Vereine u.ä.: „Lechrainer Viergesang"(Landsberg), Blaskapelle Lechrain (Pürgen), Lechroaner Schützen (Stadl), Fischereiverein Lechrain (Prittriching) usw.

52. Auswertung: Der Begriff Lechrain ist also gerade im Landsberger Gebiet durchaus noch lebendig. Lechrain bedeutet dabei wohl soviel wie das ländliche Gebiet um Landsberg, das Landsberger Hinterland.
Die Bezeichnung Lechrain ist auf jeden Fall besser als „Landsbergerland" mit dem
doppelten „Land" . Das gleiche gilt für den Kunstbegriff „Mittleres Lechtal" - hier assoziiert jeder an das Lechtal in Tirol.

53 . Der Begriff Lechrain ist umfassender als sein Kernraum ( Landkreis Landsberg) . Friedberg nennt sich die "altbairische Herzogsstadt am Lechrain". Schongau ist Sitz des Deutschen Alpenvereins, Sektion Lechrain.

54. Fazit:

Das Wertvolle am Erbe und an der Tradition des Lechrain sollte heute bewußt bewahrt und weiter vermittelt werden.
Der Lechrain war und ist noch immer ein farbiger Tupfer in der volktümlichen Landschaft Altbayerns.
Wie am vielfach gestauten Lech bewußt Biotope erhalten werden, so verdient es auch der Lechrain als eigengeprägte Region, daß gerade der Landkreis Landsberg diese seine kostbare Tradition pflegt und für die Nachkommen erhält, und damit die regionale Identität stärkt!

55. Pläne und Visionen:

Wie kann heute Lechrainer Geschichte und Tradition erhalten, vermittelt und umgesetzt werden?
- Z.B. durch ein reich bebildertes Sachbuch: „Der Lechrain - der sagenumwobene wilde
Westen Altbayerns"
- Durch einen Führer für eine Kunst- und Kulturstraße unter Einbeziehung von Gastronomie und Vermarktung:

55a. „Romantische Straße - Lechrain" (als Variante zur Romantischen Straße und zur „Via Claudia"):
Von Donauwörth nach Lechsend - Rain a. Lech - Kl. Unterschönenfeld - Kl. Thierhaupten - Friedberg - Mering - Schmiechen - Burg Haltenberg - Kaufering - Sandau (>Landsberg) - Pöring - Vilgertshofen - Dießen - Wessobrunn - Hohenpeißenberg - Schongau: Tor zum Pfaffenwinkel, oberer Lechrain. ( Karten)

55b. Variante „Römische Brennerstraße am Lechrain":
Kissing - Mering - Egling - Walleshausen - Schloß Kaltenberg - (Kl. St. Ottilien-) Eresing - Schondorf - Utting - Dießen - Wessobrunn - Schongau (ev. Fortsetzung von Dießen in Richtung Weilheim - Polling - Murnau - Garmisch-Partenkirchen)

(Ergänzung 2007):
55 c. Variante „LL - Kleiner Pfaffenwinkel" - Kirchentour: Ausgehend von St. Ottilien oder Landsberg zu den Kloster - Kirchen am Landsberger Lechrain. In Planung (Siehe Link Startseite oben!)

56 . Ein „Lechrainer Kultur- und Heimatmuseum" zu errichten sollte für den Landkreis Landsberg, dem Kerngebiet des Lechrains, immer Vision und Ziel sein, um die regionale Identität und den „weichen Standortfaktor" zu bewahren und zu stärken (corporative identity) !

Diese Homepage soll auch diesem Ziele dienen!


                                            Lechrain Lauf

 Jugend läuft für die Heimat Lechrain und ein Lechrainer Heimatmuseum!

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Wird laufend ergänzt  zu einem Lechrain- Lexikon!                                                                                                        Stand 5.9..2007