Italien - Lechrain

Sonderdruck aus:
DIE TRANSALPINEN VERBINDUNGEN
DER BAYERN, ALEMANNEN UND FRANKEN
BIS ZUM 10. JAHRHUNDERT
Herausgegeben von
Helmut Beumann und Werner Schröder
NATIONES
Historische und philologische Untersuchungen zur
Entstehung der europäischen Nationen im Mittelalter
Herausgegeben von
Helmut Beumann und Werner Schröder
Band 6


JAN THORBECKE VERLAG SIGMARINGEN
1987                                                                                              Noch in Korrektur!

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Burgund 1000

 

Alemannien und Italien vom 7. bis l0. Jahrhundert

VON PANKRAZ FRIED

Die Beziehungen Alemanniens (Schwabens) zum benachbarten italischen Süden sind historisch
äußerst vielfältig. Es verwundert daher, daß sie bis jetzt noch nicht zum Gegenstand einer
Monographie gemacht worden sind. Sie beginnen in der Römerzeit und kulminieren nach der
Epoche des Frankenreiches in dem hauptsächlich von Schwaben getragenen Imperium der
Staufer. Die Verbindungen setzen sich aber auch nach dessen Untergang in Einzelbeziehungen
verschiedenster Art fort, in den Bereichen des Rechts, der Kunst, Wirtschaft und Siedlung
ebenso wie auf den Gebieten von Sprache, Brauchtum und Kirche 1). Die alemannisch-italischenWechselbeziehungen treten allerdings nicht so signifikant in Erscheinung wie etwa im benachbarten Bayern 2). Hier bewirkte die von Anfang an geschlossenere »Staatlichkeit«, daßdie herrschaftlich-politischen Beziehungen im Vordergrund standen und von der politischen
Geschichtsschreibung stärker beachtet wurden als die alemannisch-italischen, die in der
staufischen Zeit mehr der allgemeinen Geschichte zugeordnet worden sind 3). In dem von
Anfang an herrschaftlich stärker aufgesplitterten und auch landschaftlich differenzierteren
alemannischen Raum überwogen zahlreiche lokale und personale Einzelbeziehungen nach
Italien, über die zwar Detailstudien vorliegen, jedoch eine Zusammenfassung noch fehlt 4).
Wohl sind gerade in letzter Zeit die transalpinen Beziehungen des alemannischen Raumes im
frühen Mittelalter mehrfach untersucht worden, gerade auch auf archäologischem Gebiet.",
doch von einer expliziten Italienpolitik der Alemannen (Schwaben) und aus dem schwäbischen


1) Vgl. Th. MAYER, Grundlagen und Grundfragen der alemannischen Geschichte (Vorträge und Forschun- gen Bd. 1) 1955. Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters. Reichenau- Vorträge 1961/62, 2/1976. - Die einzelnen Beziehungen müßten aus den Territorialgeschichten des alemannischen Hauses zusammengestellt werden. Die Darstellung» Tausend Jahre deutsch-italienische Beziehungen« (Schrifteneihe des internationalen Schulbuchinstituts, Bd. 5),1960, geht auf den alemannischen Raum nicht ein, wohl aber auf Bayern.
2) Vgl. den Beitrag von A. SCHMlD in diesem Band, wo auch die einschlägige allgemeine Literatur aufgeführt ist.
3) E. GEBELE, Schwaben in Italien (Schwabenland 4 Heft 11),1937.
4) Siehe Anm. 1.
5) V. BIERBRAUER, Alemannische Funde der frühen Ostgotenzeit aus Oberitalien, in: Festschrift J. Wemer,
1974; DERs., Reperti Alemanni del primo periodo osrrogoto provenienti dall'Italia Settentrione, in: I Longobardi e la Lombardia, 1978. Vgl. auch den Beitrag von MENKE in diesem Band und unten Anm. 18.

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Raum heraus ist dabei kaum die Rede. Im Folgenden kann und soll daher auch nicht das
Gesamtspektrum der alemannisch (schwäbischen) Italienbeziehungen im Mittelalter aufgerollt
werden. Ziel ist vielmehr, eine Antwort auf die Frage zu finden, inwiefern eine im 7. bis
lO.Jahrhundert gegebene alemannisch (schwäbische) Italienpolitik die Italienpolitik der rö-
misch-deutschen Kaiser seit dem lO.Jahrhundert bedingt hat, wofür die vorliegende Literatur
bisher nur einzelne Hinweise gibt6).
 

Spätantik-frühmittelalterliche Voraussetzungen (3. - 6.]ahrhundert)


Die Alemannen sind die ersten gewesen, die nach dem Einbruch in den Limes seit 259/60 mit
dem Dekumatenland römisches Gebiet im späteren deutschen Raum besetzt haben 7). Obwohl
dieses Gebiet relativ klein war, sollte seine Eroberung durch die Alemannen zu einem der
schwerwiegendsten außenpolitischen Probleme des spätrömischen Reichs bis zum Ende des
4.Jahrhunderts werden. Die Gründe dafür sind bekannt: Der Einbruch erfolgte an einem
strategisch besonders neuralgischen Punkt des römischen Reichsgebiets. Das Dekumatenland
hatte ein wichtiges Vorfeld zum Kernland Italien abgesichert. Im Gegensatz zu den Franken
drängten die Alemannen nicht nur nach Gallien hinein, sondern von Anfang an auch nach
I talien und donauabwärts nach Osten. Die Zersplitterung des Stammes war allerdings bereits zu Beginn die Achillesferse der alemannischen Expansion.
Obwohl die Alemannen als Föderaten und im Heeresdienst in vielfacher Weise mit Rom
verbunden waren, kamen sie mit einer Staats gründung auf dem Boden des bisherigen Weltreichs nicht zum Zuge. Selbst als offenbar nach etwa 430 die Donaulinie nicht mehr verteidigt wurde und dann um 470 alemannische Scharen unter Gibuld bis vor Passau vorgedrungen waren,scheint es noch nicht gleich zu einer stärkeren Besiedelung der Raetia Secunda gekommen zu sein. Östlich der Iller erfolgte diese nur zögernd, obwohl hier die Bayern noch nicht gesiedelt hatten und somit nur wenig Widerstand zu erwarten warB). Ob man, wie zuletzt vorgeschlagen, von einer West-Ost-Einwanderung der Alemannen in das spätere bayerische Gebiet sprechen


6) Siehe hierzu auch die Einführung von H. BEUMANN in diesem Band.
7) In Hinblick auf den Beitrag MENKE wird hier nur ein Überblick geboten. Die einschlägige grundlegende Literatur ist angeführt bei K.F. STROHEKER, Die Alemannen und das spätrömische Reich, in: Zur Geschichte der Alemannen, hg. W. MÜLLER (Wege der Forschung 100), 1975, S.20ff. Siehe dort auch insbesondere die Beiträge von W. HÜBENER, R. STRAUB, J. WERNER und H. DANNENBAUER. Vgl. ferner: Die Alamannen in der Frühzeit, hg. W. HÜBENER (Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts Freiburg/Br. 34), 1974, dort besonders G. FINGERLIN, Zur alemannischen Siedlungsgeschichte des 3.-7. Jahrhunderts, S. 45 ff., weiterhin: R. CHRISTLEIN, Die Alemannen. Archäologie eines lebendigen Volkes, 1978, R. WENSKUS, Die Alamannen, in: Handbuch der europäischen Geschichte, hg. TH. SCHIEDER, Bd. 1, 1977, S.227f.
8) Vgl. STROHEKER (wie Anm. 7), S.43f. 

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kann 9), das dann überwiegend von Alemannen besiedelt worden wäre, bleibt sehr zweifelhaft.
Überraschend ist auf jeden Fall der zaghafte Ausgriff der Alemannen nach Italien in dieser Zeit,
war die Aperminenhalbinsel doch zuvor über Jahrhunderte hinweg das bevorzugte Ziel ihrer
Angriffe gewesen. Seit 455 lag dort die Kaisergewalt in der Agonie, die Möglichkeit zur
Intervention bot sich also unmittelbar an, nachdem alle Verteidigungslinien in der Nordschweiz
zusammengebrochen waren. Dennoch gelang es den Alemannen lediglich 457 noch einmal nach Norditalien vorzustoßen, in die inneritalischen Auseinandersetzungen der folgenden Jahr-
zehnte mischten sie sich nicht mehr ein, zudem begann ihre Dauersiedlung in den Gebieten
südlich des Hochrheins wohl kaum vor dem Ende des 5.Jahrhunderts.
Ihren Zügen nach Westen stellte sich zunächst noch eine intakte römische Abwehr
entgegen. Erst nach 450 gelang ihnen die endgültige Eroberung des Elsaß. Als folgenschwer
erwies sich die Umsiedlung der Burgunder 443 vom Rhein in die Sapaudia (Savoyen), eine
Aktion, die von Anfang an als Schachzug des Aetius gegen die weitere Ausdehnung der
alemannischen Siedlung aufzufassen ist. Schon 480 war das Burgunderreich dazu fähig, den
Nachbarstamm nach Norden zurückzuwerfen und ihm ein Eindringen in die Burgundische
Pforte unmöglich zu machen. Daher konnten sich die Alemannen in der letzten Phase
ihrer eigenständigen Geschichte nur noch nach Nordwesten ausdehnen, wo sie bald mit den
Rheinfranken zusammenstießen. Als jedoch diesen die salischen Franken unter Chlodwig zu
Hilfe kamen, begann mit der entscheidenden Niederlage von 496/97 das Ende der alemanni-
schen Autonomie. Geschlagen und um Schutz flehend wandte sich der Stamm an Theoderich
den Großen und wurde zu großen Teilen (generalitas) in das ostgotisch-italische Rätien auf-
und gegen die Franken in Schutz genommen. Allerdings ist der Umfang der ostgotischen
Herrschaft in Rätien bis heute umstritten, desgleichen ein eventueller politischer Anschluß der
den Alemannen außerhalb Ratiens verbliebenen Regionen an das Ostgotenreich.
Diese Epoche alemannisch-italischer Beziehungen geht aber mit der Invasion Süditaliens
durch den byzantinischen Feldherrn Belisar zu Ende. Um die Neutralität der Franken zu
erkaufen, trat ihnen der ostgotische König Witigis 537 die rätischen Gebiete und die Provence
ab. Der Feldzug der Alemannenherzöge Leuthari und Butilin in den Jahren 553/554 ist somit
bereits als ein Moment fränkischer Italienpolitik zu interpretieren IOl.
Die Alemannengeschichte vom 3. bis 6.Jahrhundert zeigt - als Auftakt für unser Thema
gesehen - bereits die entscheidenden Grundlagen für die späteren Beziehungen des Stamms zu Italien: Zwar gelang es ihnen als ersten, römisches Reichsland an strategisch wichtiger Stelle zu erobern, dennoch vermochten die Römer diesen Einbruch noch zwei Jahrhunderte lang erfolgreich abzuriegeln. Als dann im 5.Jahrhundert die Abwehrlinien zusammenbrachen,
gelang es den Alemannen nicht, an ihre frühere Eroberungspolitik anzuknüpfen. Bis auf die
Entscheidungsschlacht gegen Chlodwig hatten sie ihre Kräfte in Kleinkriegen verbraucht. Die

9) So W. HARTUNG, Süddeutschland in der Merowingerzeit. Studien zur Gesellschaft, Herrschaft, Stammesbildung bei Alamannen und Bajuwaren (Vierteljahresschrift für Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 73),1983.
10) Vgl. STROHEKER (wie Anm. 7), S.47.

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tiefere Ursache hierfür muß - nach dem Urteil Strohekers - »in dem lockeren Aufbau des
alemannischen Stammes gesucht werden, der es nie, und zwar sicher nicht nur aus geogra-
phischen Gründen, zu einer wirklichen politischen Einheit gebracht hat. Die regionale
Eigenständigkeit entsprach vielmehr wohl von Anfang an alemannischer Art 11).«
Die kirchlichen Beziehungen nach Italien scheinen mit Ausnahme des Bistums Chur im
7.Jahrhundert endgültig abgerissen zu sein 12). In römischer Zeit war der alemannische Raum
durch die Heerstraße Genf-Solothurn-Windisch-Neckargebiet und durch den rätischen Heer-
weg (Mailand-Bündnerpässe-Augsburg) mit dem Süden verbunden. Die an die Städte und
Kastelle angelehnte Kirchenorganisation der Spätantike dürfte sich teilweise bis zum 6.Jahr-
hundert erhalten und auch den Ansatzpunkt für die kirchliche Neuorganisation abgegeben
haben. Die alemannische Besiedlung, die seit dem 6. Jahrhundert östlich der Iller und südlich
des Hochrheins einsetzte, ließ hier die Romania endgültig versinken - mit Ausnahme
Churrätiens, das sich eine relative politische Selbständigkeit und auch seine kirchlichen
Beziehungen zum Erzbistum Mailand bis in die Zeit Karls d. Gr. bzw. bis zum Vertrag von
Verdun (843) erhalten konnte 13).


Merowingerzeit


Die oberdeutschen Stämme der Alemannen und Bayern nahmen im merowingischen Reich eine
politische und kulturelle Sonderstellung ein. Dies resultierte weniger daher, daß sie - wie eben
die Franken auch - am Rande des römischen Kulturgebiets siedelten. Durch ihre Beziehungen
zum langobardischen Italien konnten sie aber dem politischen und kulturellen Einfluß der
Franken, der sie vom Mittelrhein und längs der Alpen von Burgund her an das Kerngebiet des
neuen Reichs heranzog, ein Gegengewicht entgegensetzen 14).
Die kulturell bedeutsamen Wirtschafts- und Handelsverbindungen tangierten Alemannien
wohl stärker als das benachbarte Bayern. Sie hatten jedoch keine politischen Folgen, da
Alemannien lediglich in den größeren Zusammenhang des Handelsverkehrs zwischen Oberita-
lien und dem fränkischen Rheingebiet eingespannt war und es vor allem keine gemeinsame
Grenze mit dem Langobardenreich hatte. Die Romanen Churratiens hatten im Rahmen des
fränkischen Reiches noch ihre Sonderstellung bewahrt und sicherten im Auftrag der Reichsge-
walt die Alpenpässe ihres Gebiets. Daher wurden die Alemannen, stärker als die benachbarten

11) STROHEKER (wie Anm. 7), S.48.
12) W. MÜLLER, Die Christianisierurig der Alemannen (Veröffentlichungen des alemannischen Instituts Freiburg 34), 1974, S. 169ff., wiederabgedruckt in: Zur Geschichte der Alemannen (wie Anm. 7), 1975,
S. 401 ff. H. KELLER, Spätantike und Frühmittelalter im Gebiet zwischen Genfer See und Hochrhein, in: Frühmittelalterliche Studien 7, 1973.
13) O.P. CLAVADETSCHER, Zur Verfassungs geschichte des merowingischen Rätien, in: Frühmittelalterliche Studien 8, 1974; DERs., Churraetien im Übergang von der Spätantike zum Mittelalter, in: Vorträge und Forschungen 25, 1979.
14) So H. LÖWE, Deutschland im fränkischen Reich, in: Handbuch der deutschen Geschichte, hg.
GEBHARDT / GRUNDMANN, Bd.2, 91970, S. 87. 

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Bayern, in die fränkisch-merowingische Italienpolitik einbezogen 15), die von den Söhnen und
Enkeln Chlodwigs schon früh auch mit Hilfe alemannischer Heerestruppen (Leuthari und
Butilin) betrieben wurde 16). Neben fränkischen werden auch alemannische Kriegsgefangene in Italien genannt. So berichtet Paulus Diaconus von einem Droctu/f ex Suavorum hoc est
Alamannorum gente, der ca.575 in Gefangenschaft geriet, sich aber in langobardischen
Diensten hocharbeiten konnte und als langobardischer dux eine Rebellion gegen König Authari
anstiftete (584-590)17). Seit dem ausgehenden 7. Jahrhundert sind es dann vornehmlich Pilger, Mönche und politische Flüchtlinge, die die Beziehungen zwischen dem fränkisch-alemannischen Norden und dem langobardischen Süden kennzeichnen. So pilgerte 744 eine vornehmeFrau namens Beata aus Alemannien nach Rom, wobei ihr das Kloster St. Gallen behilflich war.
742 bemerkte Bonifatius in einem Brief an Papst Zacharias, daß verschiedene »ungebildete
Leute der Alemannen, Bayern und Franken« als Pilger um die Jahreswende in Rom weilten und
dort manch üblen Brauch erlebten, so daß ihre Berichte darüber die Missionsarbeit im Norden
zu beeinträchtigen drohten 18).
Mehr als die knappen schriftlichen Quellen können die häufigen Funde der Goldblattkreuze
in den Adelsgräbern des zentralalemannischen Raums als archäologisches Indiz für den
Zusammenhang dieser im 6.Jahrhundert einsetzenden Beigabensitte mit der gleichen Erschei-
nung bei den Langobarden gewertet werden 19). Ob sie auch als Ausdruck der wirtschaftlichen
Beziehungen zu sehen sind, die trotz der Umwälzungen in frühfränkischer Zeit über die
Savoyer- und Bündnerpässe noch vorhanden waren, ist schwer zu entscheiden.
Lückenhaft ist unser Wissen auch über die kirchlichen Verbindungen 20). Inwieweit die
kirchliche Organisation am Rande des Alemannengebiets noch in Kontinuität mit der
Spätantike zu sehen ist und in fränkischer Zeit kirchliche Südbeziehungen bewahrt hat, ist sehr
umstritten. Sicherlich erhielten sich in ihr - auch in Form von Rückzugsbistümern - noch für
längere Zeit innerhalb des ehemaligen Limes Reste der untergehenden Romania. Frühe
Kirchenbauten (Dreikonchenanlage bei St. Ulrich und Afra in Augsburg-!', Solnhoferr-",


15) H. BÜTTNER, Die Alpenpolitik der Franken im 6. und 7.Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch 79, 1960.
16) Vgl. Quellen zur Geschichte der Alamannen Ir, hg. v. H. C. DIRLMEIER, G. GOTTLlEB, 1978, S. 81 ff.
17) E. HLAWITSCHKA, Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien (774-962) (Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte 8), 1960, S. 17 ff. mit Anm. 2.
18) Brief 50 (ed. M. TANGL, MGH Epistolae selectae 1, 1916), S. 84.
19) CHRISTLEIN, Alamannen (wie Anm. 4), S. 120. DERS., Der soziologische Hintergrund der Goldblattkreuze nördlich der Alpen, in: Die Goldblattkreuze des frühen Mittelalters, hg. W. HÜBENER (Veröffentlchungen des Alemannischen Instituts 37), 1975, S. 73 ff. W. MÜLLER (wie Anm. 12), S.411 f.
20) Siehe Anm. 12.
21) Über die neuesten Grabungen bei St. Ulrich und Afra 1983/84, bei denen ein spätantiker Sarkophag und eine Dreikonchen- Kirchenanlage zum Vorschein kamen, siehe vorerst die Presseberichte in der Augsburger Allgemeinen Nr. 88, 1984, S.16 und Nr. 140, S.5.
22) Siehe die Presseberichte in der Süddeutschen Zeitung (Nr.198) vom 20.8.1979.

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Sandau 23)) sowie Teile der Mailänder Liturgie in Augsburg weisen in diese Richtung+". Die
Missionierung der Alemannen erfolgte jedoch vom fränkisch-burgundischen Raum aus
(Luxeuil), dessen Adel bis ins 7.Jahrhundert im Rahmen des noch spätantik orientierten
Herrschafts- und Verwaltungs systems der Merowinger führend geblieben war. Seit König
Dagobert wird aber unter den Hausmeiern Austrasiens der nordwestfränkische Einfluß immer
vorherrschender und drängt schließlich auf kirchlich-kultureller Ebene den Süden gänzlich
zurück.
Auch wenn die Alemannen unter ihren frühen Herzögen bisweilen eine relative Selbständig-
keit gegenüber der fränkischen Zentralgewalt behaupten konnten, so blieb diese, allein schon
wegen ihrer räumlichen Nähe, doch immer prasent-", Von einem autonomen Agieren der
alemannischen Herzöge in südlicher Richtung ist kaum etwas bekannt, eher schon von einem
Eingreifen in die Auseinandersetzungen fränkischer Teilreiche (Burgund). Die antifränkische
Opposition wurde in mehreren Etappen ausgeschaltet, endgültig durch das sogenannte
»Blutbad- bei Cannstatt 746, das die Aufhebung des Herzogtums und damit eine intensivere
Integration Alemanniens in den fränkischen Herrschaftsapparat mit sich brachte. Es war nun
endgültig in die politisch-militärischen Aktionen der Karolinger einbezogen, die unter König
Pippin 754 das welthistorisch so bedeutsame Bündnis mit Papst Stephan schlossen, Rom unter
ihren Schutz stellten und schließlich unter Karl d. Gr. 774 das Langobardenreich ihrer
Herrschaft unterwerfen konnten. Mit dem letzteren Datum war nun auch der Bezugspunkt der
selbständigen bayerischen Italienpolitik unter den Agilolfingern weggefallen, einer Beziehung,
die sich doch wesentlich von den oben dargestellten alemannischen Verhältnissen unterschied.
Zwar war der Handel zwischen Italien und Bayern vielleicht weniger intensiv, wie man aus den
geringeren Münzfunden und dem fast vollständigen Fehlen der Goldblattkreuze folgern
möchte, doch zogen die Lage am Rande des Merowingerreiches und die gemeinsame Grenze
mit den Langobarden spezifische Beziehungen nach sich, die von denen des fränkischen Reichs
unterschieden waren und einen dezidiert politischen Charakter aufwiesen 26).


Karolingerzeit


Mit der Eroberung des Langobardenreiches 774 setzte in Oberitalien eine intensive Herr-
schaftsbefestigung durch die Franken ein. Anstelle unzuverlässiger einheimischer duces wurden
nach dem Aufstand von 775/76 zunehmend fränkische Grafen eingesetzt und fränkische
Besatzungen in die einzelnen Plätze Italiens gelegt. Seitdem begegnen auch fränkische


23) H. DANNHEIMER, Karolingische Funde aus Sandau (bei Landsberg/Lech), in: Beitr. z. Altbaier.
Kirchengeschichte 31, 1977.
24) F. PRINZ, Augsburg im Frankenreich, in: Die Ausgrabungen in St. Ulrich und Afra in Augsburg
1961-1968, hg.J.WERNER, 1977, Textband S.375ff.
25) O. FEGER, Zur Frühgeschichte des alemannischen Herzogtums, in: Zur Geschichte der Alemannen
(wie Anm. 7), S. 151 H. B. BEHR, Das alemannische Herzogtum bis 750, 1975. KELLER (wie Anm. 12).
26) LÖWE (wie Anm.14), S. 89. 

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Militärkommandanten und königliche missi, meist Angehörige der fränkischen Oberschicht.
Aber auch kleinere fränkische Vasallen, die in Italien Dienste leisteten, trifft man in den
sogenannten »frankischen Staatssiedlungen« an. Seit den Untersuchungen Hlawitschkas wissen wir, daß von den nordalpinen Invasoren und Zuwanderern nach Italien ab 774 ein gutes Drittel Alemannen waren 27). Wie die Franken waren auch sie an strategisch wichtigen Punktenstationiert. Darunter befinden sich so bedeutende Funktionsträger wie Markgrafen, Grafen und Bischöfe. Markgraf Erich von Friaul und Graf Chadaloh stammten aus dem alemannischen Haus der Bertholde, Pfalzgraf Odelricus, die Grafen Wolvene von Verona, die Bischöfe am gleichen Ort namens Egino, Ratold, Noting und Billung waren ebenso Alemannen wie der im Bodenseegebiet beheimatete Graf Scrot von Florenz. Hlawitschka spricht hier mit Recht von einem -reichsfrankischen Patriotismus« der Alemannen, der auch in der zeitgenössischen Dichtung von St. Gallen aufscheint 28). Die Alemannen erwiesen sich so als die wichtigsten Helfer der Franken bei der herrschaftlichen Durchdringung Italiens, die auch andere Bereiche wie das Rechtswesen und das kirchliche Leben des Landes beeinflußte.
Im Vergleich hierzu ist das Auftreten der Bayern in Italien trotz der gemeinsamen Grenze
überraschend schwach. Die von Hlawitschka angeführten Gründe dürften stichhaltig sein: die
relativ späte Eingliederung in das Frankenreich (788) und ihre Beanspruchung durch die
Ostkolonisation beziehungsweise die Abwehr der Awaren. Vergleichbar mit den fränkisch-
alemannischen Ansiedlungen in Italien wurden um 800 aus militärischen und politischen
Gründen Siedlungen und Befestigungsanlagen in Niederösterreich, ferner längs des Wiener
Waldes und im heutigen Westungarn angelegt 29).
Im Rahmen dieses Überblicks ist es nicht möglich, im einzelnen auf die Geschichte des
reichsfränkischen und damit auch alemannischen Adels und Siedlerturns im Italien der
Karolingerzeit einzugehen, die von Hlawitschka ausführlich dargestellt worden ist. Zwar gab es
- wie schon in der vorhergehende Epoche - keine politischen Beziehungen, etwa auf der Ebene
eines Herzogtums oder ähnlicher Einheiten JO), doch haben sich nun die personalen Beziehun-
gen Alemanniens zu dem ursprünglich langobardischen Italien im Rahmen der fränkischen


27) Wie Anm. 17.
28) HLAWITSCHKA (wie Anm. 11), S.48.
29) Ebenda, S.47.
30) Interessant ist allerdings, daß in der Divisio regnorum Kar! d. Gr. von 806 neben Bayern bis zur Donau auch Teile der Alamannia dem italischen Unterkönigtum seines Sohnes Pippin nach dem Tode des Kaisers zugeschlagen werden sollten, vgl. dazu zusammenfassend H. BEUMANN, Uniras ecclesiae - uniras imperii- uniras regni. Von der imperialen Reichseinheitsidee zur Einheit der regna, in: Settimane di studio del Centro italiano sull'alto medioevo 27, Spoleto 1981, S. 537 H. Wie K. SCHMID, Zur historischen Bestimmung des ältesten Eintrags im St. Galler Verbrüderungsbuch. in: Alemannica. Landeskundliehe Beiträge. Festschrift für Bruno Boesch (= Alemannisches Jahrbuch 1973/75), 1976, S. 522 H., hat plausibel machen können, ist
die Königsherrschaft Pippins in seinen alamannischen Reichsteil schon 807, d. h. noch zu Lebzeiten des Vaters, anerkannt worden, die entsprechende Bestimmung der Divisio müßte demnach sehr bald verändert worden sein. Diese politische Anbindung der nordalpinen Region wird aber bereits 810 nach dem Tode Pippins wieder aufgehoben, denn sein Sohn Bernhard muß sich nun mit der Übertragung des eigentlichenRegnum ltalicum bescheiden.

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Politik enorm ausgeweitet. Hinzuweisen ist dabei noch auf den langsamen Einwurzelungs-
prozeß der nordalpinen Grafen, Herren und Vasallen in ihre neue Heimat und auf Bestre-
bungen, die locker werdenden Bindungen zur alten Heimat aufrechtzuerhalten. Die Ver-
schmelzung mit der italischen Führungsschicht ist dann im 10.Jahrhundert wohl schon so
weit entwickelt, daß die Beziehungen zu den nordalpinen Gebieten nur noch politischer
Natur sind.


 Burgund Päasse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Italienpolitik der schwäbischen Stammesherzöge im 10.Jahrhundert


In der einschlägigen Literatur steht vor allem das bayerische Eingreifen in die italischen
Verhältnisse unter Herzog Arnulf im Vordergrund, der bekanntlich für seinen Sohn Eber-
hard 933/34 die italische Königskrone anstrebte. Nach ReindeI war dabei vielleicht noch die
Erinnerung an die italischen Interventionen Kaiser Arnulfs lebendig, der von Bayern und
dem Südosten seines Reichs aus nach Italien vorstieß. Ein Erfolg des Bayernherzogs hätte
durchaus eine Ausgliederung Bayerns aus dem ostfränkischen Reich mit sich bringen und ein
großes bayerisch-italisches Reich entstehen lassen können 31). Eine Parallele hierzu läßt sich
am ehesten noch in der Italienpolitik Hochburgunds und der Provence erkennen, wo die
neuentstandenen starken Fürstentümer versuchten, transalpine Reiche zu begründen.
In Alemannien war diese Entwicklung aufgrund der kaum vorhandenen karolingischen
Traditionen und der Eigenart der inneren Verhältnisse retardiert. Angesichts des hier vor-
waltenden »frankischen Reichspatriotismus- vor allem beim Episkopat konnte sich ein
»jüngeres« Stammesherzogtum nur zögernd gegen starke Widerstände  iim Innern ausbilden.  Zwei Geschlechter, die rätischen Burchardinger und die Bertholde, rangen um die Herzogsmacht, die sich erst unter Burchard I. (917-926) nach der Hinrichtung der ersten Herzöge Erchanger und Berthold stabilisieren konnte32).

Burchard war der erste alemannische Herzog, der auf dem Umweg über das benachbarte Hochburgund in die italischen Verwicklungen hineingezogen wurde. Als König Heinrich I. 919 gegen den schwäbischen Herzog heranrückte, um seine Anerkennung zu erzwingen, lag dieser eben im Kampf mit Rudolf II. von Hochburgund, der die Wirren, die der Konsolidierung der schwäbischen Herzogsmacht vorausgingen, zu einer Expansion in den schwäbischen Raum ausgenützt hatte 33). Im gleichen Jahr wurde der burgundische König jedoch bei Winterthur von Heinrich besiegt, der nach der


31) K. REINDEL, Bayern unter den Liutpoldingern, in: Handbuch der bayerischen Geschichte I, hg. M. SPINDLER, 21981, S.288.
32) Vgl. zur Geschichte des schwäbischen Herzogtums vor allem H. MAURER, Der Herzog von Schwaben, 1978.
33) TH. SCHIEFFER, Burgund (879-1038), in: Handbuch der europäischen Geschichte, Bd.1, hg.
TH. SCHIEDER, 1977, S. 642 H. Zur Politik Heinrichs 1. gegenüber Schwaben und Burgund vgl. besonders H. BÜTINER, Heinrichs 1. Südwest- und Westpolitik (Vorträge und Forschungen, Sonderband 2), 1964. 

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sich anschließenden kampflosen Unterwerfung Burchards in vasallitischer Form dem Schwa-
benherzog wohl Unterstützung gewährte. Doch bald darauf schloß Burchard mit Rudolf Frieden und vermählte ihm seine Tochter Berta. Rudolf wagte nun den Versuch, rittlings der Alpen ein
Großreich aufzubauen.
Beziehungen der Adelsgesellschaft Italiens zu Hochburgund sind 921 belegt, als Pfalzgraf
Odelrich , qui ex Suevorum sanguine duxerat originem bei seinem Herrn, dem "Kaiser" Berengar,
in Ungnade gefallen war34). Odelrich erhielt aber die Unterstützung zahlreicher Großer, die
bald in offener Rebellion gegen Berengar standen. Sie schickten Boten an Rudolf II. mit der
Bitte, nach Italien zu marschieren und Berengar zu vertreiben. Aus der Darstellung Liudprands
von Cremona ist zu schließen, daß sie sich deswegen an den burgundischen König wandten,
weil dieser durch seine Ehe mit der schwäbischen Herzogstochter seine Nordgrenze gesichert
und militärisch damit an Gewicht gewonnen hatte 35) Schon vorher hatte Rudolf  bereits gute
Beziehungen zu einigen italischen Großen unterhalten: seine Schwester Waldrade war mit Graf
Bonifaz von Bologna verheiratet. Auf eine zweite Gesandtschaft hin entschloß sich der Welf
Rudolf, binnen 30 Tagen nach Italien zu ziehen. Dieser Gesandtschaft gehörte auch Samson, ein italischer Graf fränkischer Abstammung an, der König Rudolf zum Zeichen seiner Huldigung
eine Lanze überreichte und ihn mit dieser in den Besitz des Regnum Italicum investierte - eine
Lanze, von der man offenbar, um Rudolf Aussicht auf vollen Erfolg zu geben, behauptete, sie
enthalte Nägel aus dem Kreuze Christi und sei deswegen siegverleihend.


Rudolf stieß in Italien auf eine große Anhängerschaft, so daß Berengar wieder einmal in die
Gebiete um Verona und nach Friaul zurückweichen mußte. In seiner Umgebung sind nur noch
die drei Grafen Grimald, Guntari und Ingelfred anzutreffen, die sämtlich alemannischer
Abstammung waren. Rudolf siegte über Berengar und konnte sich nach dessen Tode 924 auch in Verona als König von Italien durchsetzen. Doch war sein Sieg nicht von Dauer, da er ihn nicht
auszunützen verstand, sondern nach Burgund heimzog. Die Intrigen, die in der mächtig
gewordenen Adelsgesellschaft Italiens gesponnen wurden, führten dazu, daß - bevor Rudolf
dort recht Fuß fassen konnte - Markgraf Hugo von der Provence nach Italien gerufen wurde,
um die Herrschaft anzutreten. Der Weg durch das westliche Italien blieb ihm dabei allerdings
zunächst versperrt, weil dort Rudolf und sein Schwiegervater Burchard von Schwaben ihre
Streitmacht versammelt hatten. Hugo mußte auf den Seeweg nach Pisa ausweichen. Dem
Welfen Rudolf und dem Schwaben Burchard war das Glück jedoch nicht hold. Auf dem
Rückweg von einem Erkundungsritt nach Mailand fand der Schwabenherzog mit seinen wenigen Begleitern bei Novara 926, von Rudolfs Gegnern gestellt, den Tod. Rudolf gab nun das Spiel auf und kehrte nach Burgund zurück. Das Ende Burchards gab jedoch König Heinrich die
Möglichkeit, in Schwaben stärker einzugreifen und den fränkischen Konradiner Hermann als
stammesfremden Herzog einzusetzen. Ein Aufenthalt Heinrichs mit seiner Familie 929/30 im
Bodenseeraum zeigt die schon enger gewordenen Bindungen Schwabens an das fränkisch-sächsische


34) HLAWITSCHKA (wie Anm.17), S. 83.
35) Liudprand, Antapodosis II 6off. (ed. F. BECKER, MGH rer. Germ.), 1915, S.64ff.

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Reich36). Beim Vorgehen in Schwaben scheint sich übrigens der König die Neutralität Bayerns
dadurch erkauft zu haben, daß er die Ansprüche der Luitpoldinger auf den Vintschgau und das
Unterengadin zufriedenstellte, jedenfalls wird Arnulfs Bruder Bertold hier als Graf genannt.
Das Jahr 926 brachte nach dem Scheitern des italischen Engagements auch eine Wende in der
Politik Rudolfs II., der wegen der veränderten Situation und nach dem ausdrücklichen Willen
Heinrichs 1. am Hof zu Worms erschien und damit »die folgenschwere Bindung an das
liudolfingische Deutschland einging, die alle weitere Geschichte des rudolfingischen Burgunds
bestimmte
37). Es spricht alles dafür, daß wieder ein Vasallitätsverhältnis begründet wurde und daß damals Rudolf Heinrich die heilige Lanze im Tausch gegen das Gebiet um Basel übergab. Ob mit der Lanze auch der Hoheitsanspruch über Italien an Heinrich überging oder in dem Akt nur eine persönliche Huldigung des burgundischen Königs zu sehen ist, wie eine Stelle bei Liudprand zu belegen scheint, muß hier dahingestellt bleiben 38).


Bemerkenswert an den oben geschilderten Vorgängen ist die Tatsache, daß nach längerer
Zeit wieder Große des ostfränkischen Reichs in die italische Politik hineingezogen
wurden. Für Herzog Burchard lag dies um so näher, als sein Großvater Adalbert 873 Güter in
der Gegend von Tortona erworben hatte. Vielleicht machte der Schwabenherzog darauf seine
Ansprüche geltend oder hatte, wie Hlawitschka annimmt, Verwandte in der Adelsgesellschaft
Italiens, an die die ehemals rheinauischen Güter seines Großvaters gelangt waren 39). Welches die Motive im einzelnen waren, läßt sich nicht entscheiden, doch sicher ist auch seine
Verschwägerung mit König Rudolf als Beweggrund nicht zu unterschätzen.


Wichtiger noch als dieses schwäbische Engagement ist, daß mit Heinrich I. zum ersten Mal
ein Liudolfinger mit den italischen Problemen konfrontiert wurde, als er sich des Herzogtums
Schwabens versicherte, das seinerseits zu Hochburgund in einem engen Verhältnis stand. Ob
Rudolfs Bindung an Heinrich erneute italische Aktivitäten des Burgunders verhindern sollte, ist
nicht nachweisbar, aber wahrscheinlich. Unter einem ähnlichen Aspekt ist wohl auch die
Einsetzung des Franken Hermann als schwäbischer Herzog zu sehen, womit Schwaben und
damit auch die seit Burchard zugehörigen Bündner Pässe in größerer Abhängigkeit gehalten
werden konnten. Fleckensteins Annahme, die Ausgriffe Arnulfs von Bayern seien ebenso wie

36) Vgl. dazu K. SCHMID, Die Thronfolge Ottos des Großen, in: Königswahl und Thronfolge in ottonisch- frühdeutscher Zeit (Wege der Forschung 178), hg. E. HLAWITSCHKA, 1971, S. 417 ff. 37) So TH. SCHIEFFER (wie Anm. 33), S.644.
38) Letzteres vertrat BÜTTNER (wie Anm. 33). Das Bündnis von 926 dürfte 930 durch eine Verschwägerung der beiden Königshäuser verstärkt worden sein. Ludwig, Bruder Rudolfs von Hochburgund, heiratete damals die angelsächsische Prinzessin Edgiva, als sich Otto I. mit deren Schwester Edgitha verband. E. HLAWITSCHKA, Die verwandtschaftlichen Verbindungen zwischen dem hochburgundischen und dem niederburgundischen Königshaus, in: Grundwissenschaften und Geschichte. Festschr. P. Acht, 1976,S. 57; DERs., Die Königsherrschaft der burgundischen Rudolfinger, in: Historisches Jahrbuch 100, 1980,
S.45l.
39) HLAWITSCHKA (wie Anm. 17), S. 85. 

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die des benachbarten Schwabenherzogs Burchard für Heinrich alarmierend gewesen 40), hat viel für sich. Eine selbständige Außenpolitik der Herzöge lag zweifellos nicht im Interesse des
deutschen Königs. Wenn Widukind von Corvey berichtet, Heinrich I.. habe auf dem Höhe-
punkt der Macht noch einen Romzug geplant, sei aber durch seine letzte Krankheit an der
Durchführung gehindert worden 41), hat diese Nachricht ein große Wahrscheinlichkeit für sich: Der Romzug lag gewissermaßen in der Verlängerung seiner bisher entwickelten Politik.
Die Weiterverfolgung der Südwestpolitik Heinrichs I., der in Parallele zu den Aktionen
Arnulfs von Kärnten zur Zurückdrängung Rudolfs I. von Burgund vorangegangen war, bildete
für Otto I. wohl einen entscheidenden Anlaß für sein Eingreifen in Italien. Als der provencali-
sehe König Hugo von Italien nach dem Tode Rudolfs III 937 durch seine Heirat mit dessen
Witwe Berta und durch die Verlobung seines Sohns Lothar mit Adelheid, der Tochter Rudolfs, die Herrschaft über die Alpen- und Rhoneländer an sich  zu bringen suchte, holte Otto 1. Konrad, den minderjährigen Erben Rudolfs II., an seinen Hof, nahm ihn in seinen Schutz und seine Vasallität auf und ermöglichte ihm 942, die Regierung Burgunds zu übernehmen. Von der
nämlichen Zeit an gewährte Otto auch Hugos italischem Gegner Berengar von Ivrea Zuflucht
und Rückhalt und gestattete ihm, in Schwaben ein kleines Heer anzuwerben, mit dessen Hilfe
Berengar auch die Heimkehr nach Italien gelungen ist 42).  Dort brachte er zunächst die faktische Herrschaft an sich und ließ sich dann nach dem Tode Hugos (948) und dessen Sohnes Lothar (950) Ende 950 in Pavia zum König von Italien krönen. Damit entwickelte sich aber ein neuer Konflikt. Berengar setzte Adelheid von Burgund, nunmehr Witwe König Lothars von Italien, in der Burg Garda gefangen, weil ihm deren Ansprüche auf das Erbe ihres Gatten gefährlich werden konnten. Die Hilferufe der Gefangenen und ihres italischen Anhangs waren bekanntlich der unmittelbare Anlaß, wenn auch sicher nicht die einzige Ursache für Ottos Eingreifen in Italien.
Der sächsische Herrscher war damit über Schwaben und Burgund in den Kampf der
politischen Kräfte südlich der Alpen einbezogen, was schließlich dort zu seiner  Vorherr-
schaft führte. Wie schon bei Heinrich 1. dürfte auch bei seinem Sohn das Wissen um die
Möglichkeiten einer selbständigen Außenpolitik der süddeutschen Herzöge und das Interesse
an ihrer Verhinderung zu den entscheidenden Beweggründen des Engagements gezählt werden.
Geradezu als Bekräftigung dieses Motivs muß es erscheinen, wenn noch vor dem Aufbruch des
Königs  Otto (951) sein Bruder Heinrich von Bayern und sein  Sohn Liudolf von Schwaben aus nach Italien einfielen, um sich die Früchte selbständiger Italienpolitik im Vorgriff zu sichern.
Heinrich brachte damals Aquileja in seine Gewalt, während sein Neffe wegen wachsender
Widerstände ohne Erfolg umkehren mußte. Die Schuld für sein Scheitern gab er seinem Onkel,


40) J. FLECKENSTEIN, Das Reich der Ottonen, in: Handbuch der deutschen Geschichte, hg. GEBHARDT /GRUNDMANN, Bd. 3, 91970, S. 39 f.
41) Widukind, Res gestae Saxonicarum I 40 (ed. H.E. LOHMANN / P. HIRSCH, MGH rer.Germ.), 1935,S.59.
42) HLAWITSCHKA (wie Anm.17), S.90.

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der die Lombardei gegen ihn aufgewiegelt habe 43). »So kündigt sich gleich zu Beginn der
Italienpolitik Ottos und gleichsam an der Schwelle nach Italien die alte bayerisch-schwäbische
Rivalität um den Einfluß auf das Nachbarreich im Süden, verstärkt durch persönliche
Gegensätze im Königshaus, als eine Gefahr für die Zukunft an. Sie wurde durch das Scheitern
Liudolfs und den Aufbruch Ottos zunächst verdeckt, schwelte aber untergründig fort 44).«
Der Entschluß König Ottos, in Italien einzugreifen, darf als die wichtigste und folgen-
schwerste Entscheidung des Herrschers aufgefaßt werden
. Die Italienpolitik der mittelalterli-
chen deutschen Könige hatte damit ihren Anfang genommen, durch sie nahm Schwaben seit der Mitte des 10. Jahrhunderts einen wichtigen Platz in den politischen Konzeptionen der
Herrscher ein und wurde so zu einem Kerngebiet bedeutender Ereignisse 45). Die Bischofsstadt Augsburg sollte als späteres »deutsches Tor zum Süden« endgültig den Aufschwung zu seiner mittelalterlichen Blüte nehmen. Otto I.. brach wohl von hier aus zu seinem ersten Italienzug auf, erfocht 955 auf dem Lechfeld den entscheidenden Sieg über die Ungarn. Er nahm die Stadt auch 961 wieder  zum Ausgangspunkt, um über den Fernpass m nach Italien und zu seiner Kaiserkrönung in Rom zu reiten. Augsburg sollte dann im 12. und 13.Jahrhundert der wohl bedeutendste Sammelplatz deutscher Heere für die Italienzüge der deutschen Königewerden 46).


Als Resumee dieses Überblicks über die alemannisch-italischen Beziehungen vom 7. bis
zum 10.Jahrhundert kann m.e. angeführt werden:

Eine eigenständige Italienpolitik Schwabens ist vom 7. bis 9.Jahrhundert kaum festzusteIlen. Alemannen begegnen in dieser Zeit indes in großer Zahl im Dienste der fränkischen Italienpolitik, vor allem nach der Unterwerfung des Langobardenreichs (774).

Erst mit der Entstehung des jüngeren schwäbischen Stammesherzogtums
greifen die ersten Herzöge über den Umweg Burgund selbständig jenseits der Alpen ein. Dem
wird noch von Heinrich I. ein jähes Ende bereitet, ganz im Gegensatz zum benachbarten
Bayern, wo unter Herzog Arnulf die Beziehungen zu Italien viel intensiver waren und zum Teil
noch unter seinen Söhnen fortdauerten.


43) Vgl.  R. HOLTZMANN, Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, 51967, S.137ff.
44) FLECKENSTEIN (wie Anm.40), S.53ff. Zu dem sich anschließenden Aufstand Liudolfs vgl. auch H. NAUMANN, Das Rätsel des letzten Aufstandes gegen Otto 1. 953-954, in: Otto der Große, Hg. H. ZIMMERMANN (Wege der Forschung 450), 1976, S. 70ff.
45) So A.LAYER, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. M.SPINDLER, Bd.3, 2, 21979, S.842.
46) Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, hg. G. GOTTLlEB und andere, 1984, S.XX.

 

Alemannien und Hochburgund 

    Schwaben und Hochburgund

 

    Aus: Wikipedia

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Anmerkung 2010:

Im Ausstellungskatalog der Bayern-Italien - Ausstellung in Augsburg  ist über diese thematik kaum etwas zu finden,  eher schon in dem von H.M. Körner herausgegeben einslchlägigen Tagungsband. die Hoffnung richtet sich auf den Band von Alois Schmid mit dem Titel "Von Bayern nach Italien" (Beihefte der ZBLg).