Landsberger Lechrain/Kleiner Pfaffenwinkel
Landsberger Tagblatt 19.9.2007 Status: 15-3- 2008
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Kleiner Pfaffenwinkel am Landsberger Lechrain
Auf der Grundlage hauptsächlich der Beiträge:
° Succisa virescit". Wessobrunn und St. Ottilien. 1250 Jahre Wessobrunn. Festschrift . Lindenberg 2003 S.104 - 106
° Der Lechrain heute - Nachhall auf eine verklungende Geschichtslandslhaft (Lech-Isarland 2002) S. 7 - 36
in Bearbeitung.
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I. Einleitende Erläuterungen
1. Kleiner Pfaffenwinkel
Den Begriff "Pfaffenwinkel" selbst hat erstmals Franz Sales Gailer (1685-1766),
Dekan des Landkapitels Weilheim, in seinem Werk Vindelicia Sacra zur Bezeichnung
der klösterlichen Südwestecke Altbayerns (angulus monachorum)
geprägt.
Ein halbes Dutzend
Klöster lag dort auf engem Raum zusammen: Ettal, Steingaden, Rottenbuch,
Polling, Wessobrunn - vielleicht darf auch noch Dießen
dazugerechnet werden, obwohl es schon etwas nördlicher liegt. Zum Bereich
des Großen Pfaffenwinkels gehören wohl auch die Klöster
Benediktbeuern und Habach, die noch in der Augsburger Diözese liegen.
Geschichte und Kunstgeschichte dieser Klöster haben bis jetzt eine
vielfältige Beachtung erfahren. Wenig oder gar nicht ist bis jetzt die
Tatsache ins Bewusstsein gedrungen, daß alle diese Klöster auch
weltliche Herrschaft (Grund- und Niedergerichtsbarkeit) über zahlreiche
Bauern ausübten und mit den ihnen inkorporierten Pfarreien sogar kleine
"Kirchherrschaften" ausgebildet hatten (vgl. Fried/Hiereth, Historischer Atlas
von Landsberg/Schongau, 1971). Diese klösterliche Grund- und Kirchherrschaft
umfaßte nicht nur die engere Umgebung des Klosters, sondern konzentrierte
sich auffallend im Land zwischen Lech und Ammersee, im sogenannten bayerischen
Lechrain, im Gebiet des alten Landgerichts Landsberg vor allem, das sich bis
Mering und weit ins Brucker Land erstreckte. Das 1887 neu gegründete Kloster
St. Ottilien liegt in diesem Gebiet (s.unten). H.
Pörnbacher hat deswegen 1985 erstmals dieses Land als „Kleinen
Pfaffenwinkel" bezeichnet, nachdem ich im Historischen Atlas Landsberg/Schongau
bereits l972 auf diesen Sachverhalt hingewiesen hatte. 1985 wurde mit der
Beschreibung von Kirche und Pfarrei Walleshausen die Reihe „Der Kleine
Pfaffenwinkel" begonnen.
Dort, im fruchtbaren
Getreideland des Altmoränengebiets vor allem, lagen also dichtgedrängt
die Bauernhöfe der Klöster des Pfaffenwinkels, die seit den
klösterlichen Anfängen im 8. Jahrhundert mit ihren
grundherrschaftlichen Abgaben das Leben der Mönche im unwirtlichen
Voralpenland ermöglichten. Dort lagen auch viele inkorporierte Pfarreien,
aus denen gleichfalls die Zehnten und Abgaben zum Unterhalt der Klöster
flössen. Die Bauern dieses Raumes waren es also, die durch ihre Steuern und
Abgaben den Bau der heute so berühmten Kirchen und Klosterbauten im
Pfaffenwinkel ermöglicht haben. Doch war es keinesfalls ein einseitiges
Nehmen. Ebenso stark war auch das "Geben". Wenn Bauern in Notlage kamen, so war
das Kloster mehr oder weniger Brand-, Seuchen-, Hagelversicherung usw. in einem.
Die geistige Gabe war vor allem das Gotteswort der klösterlichen
Seelsorgegeistlichen; ein weiteres Geschenk waren oft Kirchbauten in den
inkorporierten Pfarreien, die etwas vom Glanz der großen Klosterkirchen des
Pfaffenwinkels selbst vermittelten. Das wohl prägnanteste Beispiel
hierfür ist die Kirche von Egling, die ganz der Mutterkirche in Ettal
nachgebaut ist. Aber auch die vielen anderen inkorporierten Kirchen lassen oft
diesen Zusammenhang in der
Ausstattung der Kirchen und Pfarrhöfe erkennen, wie es zum Beispiel in
einzigartiger Weise in Walleshausen der Fall ist. Zählen wir im folgenden
mehr statistisch die Beziehungen weiterer Kirchen des Lechraingebiets zu den
Pfaffenwinkel-Klöstern auf (nach Plazidus Braun, Bistum Augsburg)l:
Pfarrkirche St. Michael Beuern: Präs. Kloster Wessobrunn
Pfarrkirche St. Martin Oberschondorf: Kloster Dießen inkorporiert
Pfarrkirche St. Georg Pürgen: Präs. Kloster Wessobrunn
Pfarrkirche U. L. Frau Hagenheim: Kloster Wessobrunn inkorporiert
Pfarrkirche St. Margaret lssing: Kloster Wessobrunn inkorporiert
Pfarrkirche St. Maria Heimsuchung Stoffen: Kloster Andechs inkorporiert
Pfarrkirche St. lakob Entraching: Kloster Benediktbeuern inkorporiert
Pfarrkirche St. Maria Unterfinning: Kloster Benediktbeuern inkorporiert
Pfarrkirche Hl. Kreuz Oberfinning: Kloster Wessobrunn
Pfarrkirche St. Nikolaus Dettenschwang: Kloster Wessobrunn inkorporiert
Pfarrkirche St. Pankraz Schwifting: Kloster Rottenbuch inkorporiert
Pfarrkirche St. Johannes d.T. Geretshausen: Präs. Kloster Wessobrunn
Pfarrkirche St. Mang Oberbergen: Kloster Wessobrunn inkorporiert
Pfarrkirche St. Benedikt Untermühlhausen: Kloster Benediktbeuern
inkorporiert
Pfarrkirche Hl. Kreuz Schwabhausen: Kloster Benediktbeuern inkorporiert
Pfarrkirche St. Urban Schöffelding: Patr. Kloster Wessobrunn
Pfarrkirche Hl. Frau Petzenhausen: Präs. Kloster Wessobrunn
Pfarrkirche St. Georg Eresried: St. Ulrich Afra Augsburg
Pfarrkirche St. Peter Unfriedhausen: Kloster Rottenbuch inkorporiert
Pfarrkirche St. Veit Egling: Kloster Ettal inkorporiert
Pfarrkirche U. L. Frau Walleshausen: Kloster Polling inkorporiert
Pfarrkirche St. Benedikt Beuerbach: Kloster Benediktbeuem inkorporiert
Pfarrkirche St. Peter und Paul Prittriching: Kloster Dießen
inkorporiert
Pfarrkirche St. Sixtus Moorenweis: Kirchensatz Kloster Wessobrunn
Pfarrkirche Hl. Kreuz Purk: Vogtei Kloster Wessobrunn
Filialkirche St. Pankraz Wabern: Kirchensatz Wessobrunn
Pfarrkirche Maria Himmelfahrt Utting: Kloster Dießen inkorporiert
Pfarrkirche St. Johannes der Täufer Schmiechen: Kloster Dießen
inkorporiert
Pfarrkirche Johannes der Täufer Scheuring: Kloster Schäftlarn
inkorporiert
Pfarrkirche St. Mauritius Weil: Deutschordenskommende Blumenthal
Filialkirche St. Benedikt Sandau: Kloster Wessobrunn inkorporiert
Pfarrkirche St.-Remigius Raisting: Kloster Dießen inkorporiert
Pfarrkirche St. Ulrich Holzhausen a. A.: Kloster Bemried
Pfarrkirche St. Johannes der Täufer Kaufering: Kloster Dießen
inkorporiert
Pfarrkirche St. Peter und Paul Winkl: S. J. Landsberg inkorporiert
Pfarrkirche St. Stephan Steindorf: Kloster Rottenbuch inkorporiert
Pfarrkirche St. Maria Merching: Kloster Ettal inkorporiert
Pfarrkirche St. Johannes d. T. Althegnenberg: Kirchensatz z. DO-Kommende
Blumenthal
Pfarrkirche St. Johannes Holzhausen: Kloster Steingaden
Pfarrkirche Hl. Kreuz Huilach: Patr. St. Moritz Augsburg
Pfarrkirche St. Moritz Obeimeitingen: Kirchensatz Kloster Wessobrunn
Pfarrkirche St. Michael Mering: Patr. Ettal (bis 18. Jh.)
Pfarrkirche Hl. Geist Apfeldorf: Kloster Polling inkorporiert
Pfarrkirche St. Veit Mundraching: Kirchensatz Kloster Wessobrunn
Pfarrkirche St. Johannes der Täufer Peißenberg:Patr. Kloster
Polling
Pfarrkirche St. Ulrich Eresing: Patr. Baron Füll z. Windach
Wallfahrtskirche U. L. F. Vilgertshofen: Kloster Wessobrunn zugeh.
Klosterkirche St.Rasso Grafrath: Kloster Dießen inkorporiert
Betrachtet man also die enge kirchliche Verflechtung, die zwischen den Klöstern des Pfaffenwinkels und den Pfarrkirchen des unteren Lechrains bis 1800 bestanden hat, so wird man mit Recht von einem "Kleinen" Pfaffenwinkel sprechen können: eine Bezeichnung, die auch durch die hohe künstlerische Qualität einer Anzahl dieser Kirchen gerechtfertigt ist. Dazu kommen noch, wie schon ausgeführt, die wirtschaftlichen und sozialen Verbindungen auf der Ebene der Grundherrschaft. Diese reichten bis nach Tirol, wo die Klöster meist auch Weingüter besaßen. (Siehe D. Stutzer, Die Weinberge bayer. Klöster in Tirol). Als nach dem Dreißigjährigen Krieg viele bäuerliche Klosteranwesen am Lechrain öde lagen, siedelten diese die Klöster mit Untertanen aus ihren tirolischen Besitzungen wieder auf. So möge denn diese Schrift dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf Kirchen im Landsberger Lechrain zu lenken, die bisher vielleicht nur isoliert gesehen wurden, im Zusammenhang mit dem Pfaffenwinkel aber erst ihre eigentliche Bedeutung erhalten. Hierfür ist noch der Blick auf die Geschichte des Lechrains selbst zu werfen.
2. Der Landsberger Lechrain
(Bilder dazu auf Startseite)
Wenn vom "Kleinen Pfaffenwinkel" die Rede ist, so muß einiges über den Lechrain gesagt werden, in dem er eingebettet war. Als Lechrain bezeichnet man bis heute das Land zu beiden Seiten des Lechs, jedoch vornehmlich das östliche, auf bayerischer Seite liegende Gebiet von Füssen bis nach Rain bzw. Lechsend ( -gemünd). In der wissenschaftlichen Geographie wird der Lechrain ebenfalls bis zur Gegenwart als Landschaftsbegriff verwendet. Am intensivsten hat sich der Namensgebrauch im mittleren Lechrain, also im Gebiet des Landkreises Landsberg gehalten, wohl deswegen, weil im oberen Lechrain, also im Schongauer Gebiet, die Bezeichnung Pfaffenwinkel ihn verdrängt hat. Im unteren Lechrain nördlich von Friedberg bis nach Rain hat überwog das Baierische die Lechrainer Mundart, so dass hier der Begriff Lechrain bzw. unterer Lechrain hier nur selten verwendet wurde.
Der Begriff Lechrain
So erscheint im „Landsberger Tagblatt" der Begriff „Lechrain" täglich als Seitenüberschrift im Lokalteil, neben Ammersee und Landsberg. Neuerdings (2001), nach Umgestaltung des Designs, führt er sogar den Kopf des Lokalteils Landsberg an: „Lechrain. Ammersee und die Region". Der Begriff muß also irgendwie noch „in" sein, sonst hätte ihn die Redaktion längst schon gestrichen und mit einem neuen ersetzt. Was verstehen aber heute Redaktion und Leser darunter? Wohl das Landsberger (Um-, Hinter-) Land, ein Begriff, der nicht allzu schön klingt wegen des doppelten „Land". Die Friedberger Allgemeine hat es da mit dem „Wittelsbacher Land" leichter. Und da gibt es noch einige Orts- und Vereinsbezeichnungen mit dem Namen Lechrain. Aber ist das schon alles? Klingt mit dem Namen Lechrain vielleicht doch etwas von seiner uralten Geschichte und Kultur in die Gegenwart herein?
Sicherlich, der alte, altertümliche Lechrain ist verklungen, nahezu
verschwunden, so wie die einstige Artenvielfalt unserer Landschaft durch die
modernen Einflüsse geschwunden ist. Viele seltene Pflanzen sind ganz
ausgestorben, manche versucht man noch durch Biotope an dem durch Kraftwerke
„gezähmten" Lech künstlich am Leben zu erhalten. Weniger wird im
Bewusstsein der Wandel und Verlust auf geistig - mentalem Gebiet empfunden, der
sich auf dem Lande durch vielfältige moderne Einflüsse vollzieht und
die ursprüngliche Sprach- und Brauchtumsvielfalt gleichfalls schwinden
lässt. Am stärksten sind davon Landschaften betroffen, die eine
besonders altertümliche Eigenart bewahrt hatten. Dazu gehörte vor allem
das Land am Lechrain. Das alte dörfliche Bauerntum ist auch hier zu einer
kleinen Minderheit zusammengeschrumpft. Die Dörfer sind heute oft
überwiegend zu Wohn- und Schlaforten von Pendlern geworden. Alte
Bauernhäuser sind eine Rarität, die nur noch in Museen hinreichend zu
dokumentieren sind wie z.B. in Riederau oder in dem seit einer Generation
leerstehenden Bergwirt in Heinrichshofen. Die Fluren beginnen zersiedelt zu
werden. Die einstige Naturlandschaft mit seiner bäuerlich-handwerklicher
Kultur wird so immer mehr zu einem verstädterten Gebiet mit zahlreichen
Eingriffen der High-Tech-Zivilisation. Alles in allem: Ein Prozess, der im
Zeitalter der Globalisierung und Informationstechnologie wohl nicht mehr
aufzuhalten ist. „Die alte ländliche Welt ist so zu einer Welt
geworden, die wir verloren haben" , hat es der Engländer Paul Laslett
trefflich formuliert. Die Jüngeren wissen kaum mehr, wie diese
ländliche Welt ausgeschaut hat. Für den modernen Wohlstand musste
dieser hohe Preis aber wohl bezahlt werden.
Nur Kirchen und Kapellen sowie einige Schlösser und Burgruinen ragen noch
als Symbole der alten Zeit wie Mahnmale in unsere Gegenwart herein. Und manchmal
klingt noch in den Bauerndörfer ein seltsam klingender Dialekt ans Ohr: Der
alte Lechrainer Bauerndialekt. Aber die Kinder sprechen und verstehen oft nur
noch das modische Nord- und Neusprech, das sie schon in den
Kinderfernsehsendungen hören. Ob ihnen noch etwas von der alten und
ehrwürdigen Geschichte ihrer Lechrainer Heimat erzählt wird?
Eigengeprägte Geschichte
Den Lechrain kann auf eine Jahrtausend alte eigengeprägte Geschichte und
Kultur als bayerisch-schwäbische Grenzregion zurückblicken.
Zunächst wurde das Land nur von nomadisierenden Kleingruppen bewohnt - die
Pfahlbausiedlung Pestenacker ist vielleicht ein Beispiel hierfür, von der
auch der Özi hätte stammen können, der von seiner Bergtour nicht
mehr zurückgekommen ist. Die ersten dauerhaften Siedler, die wir kennen,
waren die keltischen „Likatier", die keltischen Lechrainer, welche die
Römer im Jahre l5 vor Christus unterwarfen. Zur Römerzeit lag der
Lechrain in der Mitte der Provinz Rätien mit der Hauptstadt Augsburg, die
wohl von den villae rusticae, den Gutshöfen des Augstgaues mit Getreide
versorgt wurde. Die Ortsnamen Weil und Epfach erinnern an diese Zeit, wie auch
die Römerstraße Via Claudia, die heute wieder als
Touristenstraße zum Leben erweckt wird. Es ist zu bedauern, dass Weil bis
heute sich nicht entschließen konnte, seine römische Vergangenheit zu
dokumentieren.
Nach dem Zusammenbruch der Römerherrschaft siedelten seit dem 5. Jahrhundert
die Germanen, wohl Alemannen und dann Bajuwaren neben den sitzen gebliebenen
Keltoromanen. Seit dem 6. Jahrhundert wurde der Lech, der einst mitten durch die
römische Provinz Raetien floß, zur Grenze zwischen Alamannen(Schwaben)
und Bajuwaren. Und er blieb es, mit mehr oder weniger größerer
Trennkraft, bis zu Beginn des l9. Jahrhunderts, als das Land zwischen Lech und
Iller zu Bayern kam. Seit dem l6. Jahrhundert wird das Land am östlichen
Lech vom berühmten bayerischen Geschichtsschreiber Aventin zum ersten Mal
schriftlich als „Lechrain" überliefert. Im Hochmittelalter war es
Domäne der europäischen Hochadelsgeschlechter der Andechser, Welfen und
Staufer gewesen. Die Andechser traten erstmals als Grafen von Dießen auf
und beherrschten seit Anfang des 12. Jahrhunderts fast den ganzen westbaierischen
Raum bis hinein nach Tirol. 1248 starben sie aus, ihr Besitz fiel an die
Wittelsbacher. Mittelpunkte der Welfenherrschaft waren seit dem l0. Jahrhundert.
Mering, Kaufering, Schongau, Peiting und der Ammergau. Um 1160 begründetete
Herzog Heinrich der Löwe die Burg Landsberg. Mit dem Tode Herzog Welfs VI..
1191 - er ist in Steingaden begraben - starben die süddeutschen Welfen aus,
das Land war vorher schon durch Kauf an die schwäbischen Hohenstaufen -
Kaiser gefallen. Ein Denkmal ihrer Herrschaft am Lechrain ist die Burgruine
Haltenberg gegenüber von Lechfeld . Von den Staufern kam der Lechrain durch
die sog. Konradinische Erbschaft l268/69 an die Wittelsbacher und damit zum
bayerischen Landesherzogtum. Diese schufen aus der Wessobrunner Vogtei das von
Rottenbuch bis nach Mering sich erstreckende Landgericht Landsberg, den
Vorläufer des heutigen Landkreises Landsberg. Die Wittelsbacher Herzöge
brachten die Gründung Heinrichs des Löwen, die Stadt Landsberg zu
städtischer Blüte, ebenso den Markt zu Dießen, den sie vom
Kloster trennten, um das bürgerliche Element zu stärken.
Das Wappen des Landkreises symbolisiert diese am Landsberger Lechrain wirkenden
Herrschaftskräfte mit dem welfischen Löwen, dem andechsischen (und
staufischen) Adler und den wittelsbachisch-baierischen Wecken.
Kunst und Kultur
Für die Kultur im Landsberger Lechrain war prägend, dass in der
südlichen Nachbarschaft so bedeutende Klöster wie Wessobrunn,
Rottenbuch und Dießen lagen und gleich den anderen
Pfaffenwinkelklöstern Benediktbeuern und Steingaden im Landsberger Raum
zahlreiche Bauernhöfe im Obereigentum besaßen, aus deren Abgaben sie
den klösterlichen Lebensunterhalt bestritten. Alle diese Klöster hatten
auch in Tirol Besitzungen und Weinberge, so dass eine abgeschlossene
bäuerliche Lebenswelt vom Landsberger Lechrain bis ins südliche Tirol
hinein entstand. In den Dörfern, in denen sie den Pfarrer einsetzen konnten,
bauten die Klöster dann auch Barockkirchen, die wir heute noch als
„kleinen Pfaffenwinkel" im Landkreis Landsberg bewundern können ,
namentlich angeführt seien nur die Kirchen zu Egling, Prittriching oder
Kaufering. Von der mittelalterlichen Burgenwelt am Lechrain haben sich hingegen
nur wenige Adelssitze bis in die Neuzeit erhalten, es sind die Schlösser in
Pöring, Greifenberg, Kaltenberg, Igling und Schmiechen. Doch im Vergleich zu
den Klöstern spielten ihre adeligen Besitzer keine allzu große Rolle
mehr. Die Burgen Haltenberg und Rauhenlechsberg waren kurfürstliche
Pflegschlösser geworden. Doch blieben die meisten Schlösser noch bis in
die neuere Zeit hinein in Adelshand. Kaltenberg ist nach dem 2. Weltkrieg in den
Besitz der Wittelsbacher gekommen .
Es verwundert nicht, dass diese Geschichte des Lechrain bereits im Werk des großen bayerischen Geschichtsschreiber und Humanísten Johannes Aventinus 1477 -1534) Eingang fand. Seinen genuinen Historiker fand der Lechrain dann im gebürtigen Lechrainer und kurfürstlich-bayerischen Hofrat Johann Georg von Lori ( +1779 ). Auch wenn er von seiner Geschichte des Lechrains nur den Urkundenband 1765 publizieren konnte, so ist der Lechrain dank seines Werkes heute ein fester Bestandteil im Kanon der landesgeschichtlichen Werke. Kurz vor Aufhebung der Lechgrenze beschrieb 1803 der baierische Staatsrat Joseph v. Hazzi in seinen „Statistischen Aufschlüssen" unter den Gerichten Schongau, Landsberg, Mering und Friedberg in einmaliger Weise die Lechrainer Eigenart in Sprache und Brauchtum.
Die Veränderungen seit dem 19. Jahrhundert
Das beginnende l9. Jahrhundert bedeutete für den Lechrain einen tiefgehenden Einschnitt. Die Grenze am Lechrain, über die man so manchen Metzen Weizen ins Schwäbische geschmuggelt hatte, verschwand. Sämtliche Klöster wurden aufgehoben, damit hörte auch der Verbund mit dem Oberland und dem tirolischen Süden auf, von woher gerade nach dem Dreißigjährigen Krieg so manche Neusiedler in die von Pest, Hunger und Krieg entleerten Lechrainer Dörfer gekommen waren. Die Bauern bekamen nach und nach, zuletzt l848, das Eigentum an ihren Gütern.
Doch die alte Welt des Lechrains erhielt sich anders als in anderen Gegenden zäher und länger in das l9. Jahrhundert hinein, als mit der Fabrikindustrialisierung die ersten Vorboten der Moderne in die Dörfer kamen. Leute, die den kommenden Umbruch auf dem Dorf ahnten, begannen schon damals, das alte abbröckelnde Brauchtum auf den Dörfern aufzuzeichnen. Und der Lechrain bot um die Jahrhundertmitte des l9. Jahrhunderts davon noch so viel, dass darüber der auf Schloß Pöring sitzende Freiherr Carl von Leoprechting (1818-1864) l855 in einen eigenen Büchlein „Aus dem Lechrain" berichten konnte, und zwar im ersten Teil über das Lechrainer Bauernjahr und in einem zweiten über Sagen und Gebräuche dieser Landschaft. Leoprechtings Werk gehört heute zu den klassischen Darstellungen der deutschen Volkskunde, in welchem dem alten Lechrain ein Denkmal gesetzt wurde. Neben Leoprechting war es der Münchner Buchhändlerssohn Josef Friedrich Lentner, der so manche Eigentümlichkeit in Sage und Brauchtum aus dem Lechrain aufgezeichnet hat, die dann in der „Bavaria", der große Landes- und Volksbeschreibung Bayerns, im Auftrag von König Maximilian II. von Bayern seit l862 herausgegeben, Aufnahme fanden. Von da an war der Lechrain immer wieder zum Gegenstand gelehrter und volkstümlicher Abhandlungen von „Auswärtigen", erwähnt sei hier nur die tiefschürfende Studie des bayerischen Reichsarchivsdirektors Franz Ludwig Baumann (1902) über die „Geschichte des Lechrains und der Stadt München" oder die 1926 erschienenen köstlichen Erzählungen aus dem „Oberen Lechrain" des Dichters Peter Dörfler. In den großen Serienwerken wie z.B. in den Kunstdenkmäler von Bayern oder im Historischen Atlas von Bayern ist der Lechrain nicht mehr als eigene Titelkategorie ausgewiesen. Immerhin ist er im Historischen Atlas des Landkreises Landsberg/Schongau (1971) weitgehend berücksichtigt
Mit dem Aufschwung des Bürgertums und der Stadt Landsberg im 19. Jahrhundert
befassten sich auch zunehmend einheimische Kräfte mit der Geschichte des
Lechrains, vor allem seit der 1855 erfolgten Gründung des Historischen
Vereins Landsberg und der l901 begründeten „Landsberger
Geschichtsblätter" (siehe das eben erschienene Register). Dass der Name
Lechrain nicht in die Titel aufgenommen wurde, zeigt, wie stark der Lechrain im
Bewusstsein des Landsberger Bildungsbürgertums schon in den Hintergrund
getreten war. Mit dem Dießener runo Schweizer beginnt zwar die
intensive Erforschung des Lechrainer Dialekts, die von ihm seit l925
begründeten Vereine und Zeitschriften sind aber nach dem Ammersee und dem
„Huosigau" bzw. „Lechisarland" benannt und nicht auf den Lech hin
orientiert. In der Nachkriegszeit gab Landrat Bernhard Müller-Hahl, einmal
als „ Lechrainer Dickschädel" humorvoll in der Landsberger Lokalpresse
charakterisiert, die Schriftenreihe „Unsere Heimat am Lechrain" heraus,
doch erschient sein Kreisheimatbuch selbstverständlich unter dem Titel
Landsberg. Trotz dieser und vieler lokaler historischer Bemühungen ist
jedoch, wie es das Register der Landsberger Geschichtsblätter zeigt, die
Geschichte des Lechrains im 19. und 20. Jahrhundert, die Geschichte der
Industrialisierung und Demokratisierung ein Desiderat der Forschung. Albert
Thurner hat eben einen Anfang mit der Parteiengeschichte nach dem 2. Weltkrieg
gemacht.
Man könnte aus der Literatur den Eindruck gewinnen, als ob die im Lechrain
so traditionsreiche klösterliche Lebenswelt mit der Säkularisation vor
200 Jahren vollständig abgestorben wäre. Dies stimmt zumindest seit
l902 nicht mehr ganz: In diesem Jahr wurde die l887 mitten in der alten
Wessobrunner Klosterlandschaft gegründete Missionsgesellschaft in
St.Ottilien zu Emming zur Benediktinerabtei erhoben. Obgleich sie mit ihrer
Missionsaufgabe weit über die engere Heimat hinauswirkt, so ist sie doch der
faktische Traditionsnachfolger des alten Wessobrunner Klosters, dessen 1250
Jahrfeier im Jahre 2003 feierlich begangen wird. Die Dießener Klosterkirche
mit der Grablege der 1248 ausgestorbenen berühmten Grafen von
Dießen-Andechs wurde durch Msgr. Heinrich Winterholler, einem Lechrainer
aus Geltendorf, prächtig renoviert, der alte Turm der Kirche als Wahrzeichen
des westlichen Ammerseegebietes wieder neu erbaut. Ebenso künden die
wiederentdeckten karolingischen Mauern der einstigen Klosterkirche zu Sandau vom
kulturellen Wirken des Klosters Benediktbeuern im 8. Jahrhundert.
Lechrainer Dialekt
Die Lechrainer Sprache war aber wohl der prägnanteste Ausdruck der
Lechrainer Eigenart. Sie begründete vor allem Lechrainer Identität und
Lechrainer Eigenbewußtsein. Leider ist der Dialekt heute vollständig
im Aussterben begriffen. Er wird oft nur noch als verderbtes Hochdeutsch
angesehen. Sollte man ihn Dialekt überhaupt noch nachtrauern, wenn nun
endlich das feine Hochdeutsch in Fernsehprägung in die Stuben einkehrt? Doch
da ist etwas Sonderbares festzustellen: Dieser Lechrainer Dialekt, der im eigenen
Land oft so wenig gilt, dieser hat, wie schon erwähnt, bei
Germanistikprofessoren an Universitäten und Akademien ein hohes Ansehen, er
ist seit Jahrzehnten Gegenstand von zahlreichen sprachwissenschaftlichen
Forschungen und Abhandlungen. Er wird in wissenschaftlichen
Wörterbüchern gesammelt, wie z. B. derzeit im Bayerischen
Wörterbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften oder im
Bayerisch-Schwäbischen Sprachatlas der Universitäten Freiburg und
Augsburg. Was macht das Lechrainische für die Sprachwissenschaft so
interessant? Will man dies verständlich machen, so ist am besten auf den
sog. zimbrischen Dialekt in den abgelegenen Hochgebirgsdörfern bei Trient
hinweisen, wo noch heute die mittelalterliche baierische Sprache gesprochen wird
- der Dießener Bruno Schweizer, angeregt vom Lechrainer Dialekt, hat diesen
gleichfalls aussterbenden Dialekt erforscht und dokumentiert. Und ähnlich
war und ist es auch beim Lechrainer Dialekt: Wegen der Abgeschiedenheit des
Lechrains an der baierischen Landesgrenze und infolge der uralten
Abgeschlossenheit innerhalb der Grundherrschaften der Pfaffenwinkelklöster
hat sich hier eine besondere Form des alten Baierisch mit starken
schwäbischen Einschlägen erhalten, die einmalig ist. Dieser Dialekt
stellt, um es nochmals zu betonen, kein verderbtes Hochdeutsch dar, das sich ja
erst im l6. Jahrhundert ausgebildet hat, sondern es ist eine Sprache, die
ziemlich eigenständig auf das mittel- und althochdeutsche Baierisch und das
dahinterstehende Westgermanische zurückgeht, selbstverständlich
versetzt mit zahlreichen keltoromanischen Lehnwörtern. Jeder kulturbewusste
Bewohner im Landsberger Lechrain sollte dies wissen und deswegen mit einer
gewissen Ehrfurcht einem Lechrainer Dialektsprecher zuhören, falls er das
Glück hat, einem solchen noch zu begegnen Sicherlich fehlt diesem Dialekt
die Geschliffenheit der Schrift- und Hochsprache, von der er weitgehend
unbeeinflusst geblieben ist. Aber dafür zeichnen ihn Ursprünglichkeit
und Bildhaftigkeit in besonderem Maße aus. Er verdient es, als Lechrainer
Kulturgut bewahrt zu werden, nicht nur in wissenschaftlichen
Wörterbüchern, sondern auch im Gesang und im Gedicht der Heimat.
(Auszug LIL 2002)
Literatur
a. Pfaffenwinkel
Hans Pörnbacher , Erika Groth-Schmachtenberger, Der Pfaffenwinkel.
München 1980, mit Literarturverzeichnis; Der Pfaffenwinkel. Landschaft und
Kunst. Eine Wanderung, beschrieben von Hugo Schnell. Die Großen
Kunstführer. München-Zürich 7. Aufl. 1968 f.
b.
Lechrain
Zur Geschichte des (Landsberger) Lechrains bietet eine Grundinformation
P.Fried, Der Lechrain heute , in LIL (Lechisarland) 2002, S.27-36; P. Fried/ S.
Hiereth, Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern: Die Landgerichte
Landsberg und Schongau (mit Rauhenlechsberg), l972 (Kommission für
bayerische Landesgeschichte); Bernhard Müller-Hahl, Heimatbuch für den
Landkreis Landsberg am Lech mit Stadt und allen Gemeinden, 2. Aufl. l982. Zuletzt
hat sich Ferdinand Kramer mit dem Lechrain unter Angabe der wichtigsten und
neuesten Literatur befaßt: „Zur Entwicklung einer Grenzregion. Der
Lechrain an der bayerischen Grenze zu Schwaben" , in: Wolfgang Schmale/Reinhard
Stauber (Hrsg.), Menschen und Grenzen in der Frühen Neuzeit , Berlin l998,
S.210 - 228.
Eine erste Grundinformation über die Lechrainer Sprache bietet das
Büchlein von Martin Wölzmüller über „Der Lechrainer und
seine Sprache" (Landsberger Verlagsanstalt 2.Aufl. l992). - Über den
Lechrainer Dialekt bekommt man weiter Auskunft von der Wörterbuchkommission
der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und seinem Leiter, Prof. Rowley
(Marstallplatz 9, 80533 München). Auch der Leiter des Bayerisch -
Schwäbischen Wörterbuchs an der Universität Augsburg, Prof.
König, gibt bereitwillig Auskunft (Universitätsstr.1, 86135
Augsburg).
Weitere Literaturangaben sind in der Zwischenzeit im Computer des Verfassers
gespeichert.
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II. Teil: Die Kirchen des „Kleinen Pfaffenwinkels". Führer. In
Bearbeitung
1. St. Ottilien
Prof. Hans Pörnbacher hat in seinem 1985 erschienenen Pfaffenwinkelbuch auf dessen Ausstrahlung auf das benachbarte nördliche Getreideland, also auf den nördlichen Landkreis Landsberg hingewiesen[1]. Dort hatten nämlich die Klöster aus dem Alpenvorland ihre Getreidehöfe, so wie sie in Südtirol die notwendigen Weinhöfe besaßen. Im Getreideland betreuten diese Klöster nicht wenige Pfarreien, die ihnen inkorporiert waren. Dort bauten sie auch Kirchen, die zusammen wiederum als ein „kleiner Pfaffenwinkel“ anmuten. Pörnbacher verweist auf den großartigen Zentralraum der Kirche in Egling, von Ettal erbaut, Walleshausen, der Sommersitz der Pollinger Prälaten, die Kirchen zu Maria- Kappel (Pfarrei Schmiechen), Prittriching, Unterwindach und Kaufering des Augustinerchorherrenstifts Dießen.
Im Historischen Atlas von Bayern habe ich seinerzeit selbst auf die Ausstrahlung der Benediktinerklöster Wessobrunn und Benediktbeuern aufmerksam gemacht, die in ihren Gütern am Lechrain ihre Hauptgetreidekammern hatten. Die Vogtei (Schutzherrrschaft) darüber wurde im 13. Jahrhundert zur Grundlage des Landgerichts Landsberg. Ebenso pastorierten die Klöster dort zahlreiche Pfarreien[2], so das Kloster Wessobrunn zu Moorenweis, Purk, Petzenhausen, Geretshausen, Oberbergen, Oberfinning, Pürgen, Pössing, Hagenheim, Schöffelding, Beuern, Greifenberg, und nicht zuletzt zu Landsberg, wo es die Stadtpfarrei Landsberg innehatte[3]. Das Hauptfest mit der stummen Prozession in der Wallfahrtskirche Vilgertshofen erinnert noch heute an die Wessobrunner Zeit. Zu Benediktbeuern, das gleichfalls ältesten Besitz im Getreideland hatte, gehörten die Pfarreien Schwabhausen, Beuerbach und Untermühlhausen mit Sandau, wo sich Fundamente und Mauern der karolingischen Klosterkirche bis heute erhalten haben[4]. Das um 753 gegründete Kloster Wessobrunn, wie viele andere 1802/3 im Zuge der Säkularisation aufgelöst, hätte im nächsten Jahr, 2003, sein 1250jähriges Gründungsfest begehen können[5]. Diese beiden Benediktinerklöster haben, wie man sehr treffend gesagt hat, „cum cruce, aratro et libro“, also mit dem Kreuz, dem Pflug und dem Buch, unsere engere Heimat im Frühmittelalter missioniert und kultiviert, so wie die Benediktiner insgesamt wesentlich Europas Kultur in der Frühzeit geformt und geprägt haben.
P. Frumentius Renner schreibt nun 1971 in seiner Hinführung zum Werden und Wirken von St. Ottilien den bemerkenswerten Satz: „Es mag als reiner Zufall erscheinen, dass St. Ottilien am Randgebiet des Pfaffenwinkels entstanden ist. In Wirklichkeit ist das moderne Missionskloster ein legitimer Nachfolger jener Klöster, die St. Bonifatius 739/41 in unserem Voralpenland gründen ließ: Benediktbeuern und Sandau, denen um 753 Wessobrunn folgte....“ [6]. Und mit H. Pörnbacher und aufgrund eigener Forschungen können wir hinzufügen: St. Ottilien ist im „Kleinen Pfaffenwinkel“ entstanden, es liegt mitten in der dort bis 1802 bestehenden klösterlichen Güterlandschaft, inmitten also in einer uralten bayerischen „Terra Benedictina“ mit seiner mehr als 1250jährigen Tradition. Und 100 Jahre nach der Säkularisation hat hier der abgehauene Baum ein neues Reis getrieben: Das 1887 zu Emming angesiedelte und 1902 zur Abtei Benediktinerkloster St. Ottilien. „Succisa virescit“ [7] ( der abgehauene [Baum] ergrünt wieder) – der Wappenspruch des Klosters Monte Cassino gilt auch hier. Und bald darauf fasste der Benediktinerorden auch in Wessobrunn selbst wieder Fuß: 1913 schenkte der Frhr. v. Cramer-Klett die noch übriggebliebenen Klostergebäude, vor allem den Gästetrakt, den Tutzinger Missionsbenediktinerinnen, die im ursprünglichen Doppelkloster St. Ottilien ihre Wurzeln haben[8]. Auch die Abtei St. Ottilien erhielt nach dem ersten Weltkrieg einen Ableger in St. Ottilien, zuerst pacht-, dann geschenkweise: Im Jahre 1919 überließ der große Gönner des Ordens Baron von Cramer-Clett seinen dortigen Gutshof dem Kloster, das dort einen Brüderkonvent unter einem Superior einsetzte[9]. Auch wenn dieser in den letzten Jahren aufgegeben und das Klostergut verpachtet werden musste, so wird im benachbarten Stillerhof als Jugendhaus der Erzabtei die Tradition noch weiter gepflegt. Es ist also nicht nur die Funktionsnachfolge, die nach P. Frumentius St. Ottilien mit Wessobrunn verbindet, sondern auch die örtliche Besitztradition der Ottilianer Benediktiner und Tutzinger Benediktinerinnen. St. Ottilien ist damit in die 1250-Jahrfeier des Benediktinerklosters Wessobrunn miteingebunden. Weltweite Missionsaufgabe und über Tausend Jahre bayerische Benediktiner -Tradition sind hier in einmaliger Weise verknüpft[10].
Diese lechrainische Terra Benedictina ist auch die Heimat so manchen Wessobrunner Mönches gewesen und auch so manchen Ottilianer Benediktiners später[11]. In der Geschichte des Lechrains, des Landes an der Stammesgrenze zwischen Bayern und Schwaben, war das monastische Element seit dem 8. Jahrhundert ein intregrierender Bestandteil[12]. Es wirkte auch noch nach der Säkularisation weiter, als ehemalige Religiosen nun Pfarreien betreuten. Leoprechting schildert 1855 in seiner Volkskunde des Lechrains die trotz aller Aufklärung weiter bestehende, von den ehemaligen Klöstern geprägten urwüchsigen Volksfrömmigkeit[13].
Möge das 100jährige St. Ottilien auf dem mehr als ein Jahrtausend alten benediktinischen Traditionsboden in Wessobrunn und am Lechrain mit Zuversicht in die Zukunft gehen! (Siehe Festschrift 100 Jahre Erzabtei St. Ottilien).
Fortsetzung folgt:
(>Eresing)
Moorenweis
Walleshausen-Wabern
Egling
Schmiechen
Prittriching
Beuerbach
Schwabhausen
Kaufering
Landsberg
Penzing
Thaining
Vilgertshofen
usw. Stand 23.10.2007
[2] P. Fried/S.Hiereth, Die Landgerichte Landsberg und Schongau (Historischer Atlas von Bayern, T. Altbayern, Bde.22/23) München, Kommission für bayerische Landesgeschichte b.d.Bayer. Akademie der Wissenschaften l971; P. Fried und H. Winterholler, Der „kleine“ Pfaffenwinkel. In:Walleshausen „Das kleine Polling“ hrsgg. von W. Brandmüller = Der kleine Pfaffenwinkel, hrsg. v. P. Fried und H. Winterholler Bd.1) Weißenhorn 1985, S. 7-10
[3] Irmtraud Freifrau von Andrian – Werburg, Das Bistum Augsburg 2: Die Benediktinerabtei Wessobrunn = GERMANIA SACRA, hrsgg. vom Max-Planck.Institut für Geschichte, Neue Folge 39, Berlin. New York 2001. Siehe vor allem die Kartenbeilagen.
[4] H. Dannheimer, Karolingische Funde aus Sandau (Beitrr.z.Altbayer. Kirchengeschichte 31) l977, S. 175-178; P.Fried, Zur Geschichte des ehem. Klosters Sandau (Zeitschr.f.bayer. Landesgeschichte 50) l987 S. 363-366; Kirchenführer l986.
[5] P. Coelestin Leuttner, Historia Monasterii Wessofontani, Augsburg und Freiburg i.Br. 1753; Übersetzung von Adalbert Mayer, hrsg. von der Vereinigung Wessofontanum, Wessobrunn 2001; W. Winhard, Die Benediktinerabtei Wessobrunn im 18. Jahrhundert, München-Zürich 1988.
[8] Handbuch der historischen Stätten, Bd. Bayern, 3.Aufl., 1981 S. 812 f.; Sr. Bernita Walter, Von Gottes Treue getragen. Die Missions-Benediktinerinnen von Tutzing. Bd. I, St. Ottilien 1985
[11] Vgl. Winhard, Wessobrunn S. 76: „Bei den Geburtsorten sind Schwerpunkte in den benachbarten Städten Weilheim, Landsberg und Schongau festzustellen“. S.a. Schematismen des Klosters St. Ottilien.
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