Häuserbuch
Ortsgeschichte [ Noch in Korrektur! ]
Entraching, Endriching, Enterkining
Aus: Josef von Hazzi, Statistische Aufschlüsse über das
Herzogthum Baiern…. Bd. II,1 (1802) S. 170 ff.
(Digitalisierung und Transskription in Antiqua durch Books- Google).
Hazzi (Biographie siehe Seite: Hazzi,Landsberg) schreibt bei der
Schilderung der Verhältnisse im Gericht Landsberg 1802 ( Bd. II,1 S.
170) : [Bilder Beepworld]
„Ich rücke hier die Beschreibung
des Dorfes Entraching dieser Gegend von einem sehr geschickten Mann dieser Gegend
ein, weil sie volles Licht über diesen ganzen Distrikt verbreitet, und
manches Interessantes liefert“.
Später nennt er bei der Beschreibung der
politischen Verhältnisse den Autor mit Namen (Bd. II,2 S.
210):
.Die Bewohner haben ein hartes Loos. Ihre Besitzungen sind
nicht nur unbeträchtlich, sondern sie sind auch in ihrem wenigen Eigenthum
durch die auch von den Klöstern ausgeübten Forstigkeiten sowohl als
durch das Tuftgraben sehr gekränkt und haben überdis starke Abgaben,
grundherrliche Dienste, Scharwerke etc.. jährliche Schauer, Reife,
Viehseuchen und Feuersbrünste, wogegen keine Anstalten sind, so wie die noch
nicht ganz beseitigte Jagd, treten dazu und — sieben Achtel Unterthanen
können sicher unter die Bettler gezählt werden. — Unter den
Pfarrern zeichnet sich der durch seine Schriften berühmte Pfarrer
Geiger zu Entraching aus, dessen Fleis für die
Obstbaumzucht, Kultur, Schule, kurz für alles der Gegend Wohlthätige
ausserordentlich ist. Kirchen, Wallfahrten, als: zu Wessobrunn, Diesen,
Pilgersheim etc. Andächteleien, Kreuzgänge und Brüderschaften gibt
es zwar die Menge, allein Gesundheitsanstalten und Schulen sind nicht
vorhanden.“ Vgl. dazu R. Beck, Unterfinning.
Entraching
[170] Dorf
Entraching Landgerichts Landsberg, Augsburgischer Diözes;
Grundherrschaft Kl. Benediktbaiern; hat 24 Häuser, und das Pfarrhaus. Das
ganze Personale 142.
Das pfarreiliche Taufbuch fängt sich an 1607.
Am Eingang der Kirche liegt ein großer Grabstein mit der Aufschrift:
Anno Dni 1580. 21 Febr. obiit Venerabilis Dnus Joan Drexel,
Plebanus huius Ecclesiae.
Jm Jahr 1628 waren hier an der Pest vom
13 Jul. bis 3. Sept. fünf Personen; im Jahre 1634 aber 41
gestorben.
Jn den 3 Jahren 1654, 35, 36, ward e i n Kind geboren.
Aus einer alten Sage hat man, daß Entraching vor Jahren die
Schmalzgrub genannt worden; eine Benennung, die auf jetzige Zeiten nicht
mehr paßt.
Die alten Hauser haben in- und auswendig ein schlechtes Aussehen; sie sind ganz
von Holz gebaut; der [171] Stubenstock ist aussenher mit Leimen
angeworfen, und mit Kalk überweißt. Die wenigen neuen Hauser sind von
Stein gebaut, und mit einem Kamin versehen. Die Dächer sind mit groben
Schindeln, die gegen die Windstöße mit großen Steinen beschwert
werden, gedleckt, wie es in der ganzen Gegend Gebrauch ist.
Die Gassen sind Jahr aus Jahr ein naß und unreinlich, auch eine Bemerkung,
die allgemein zu machen ist.
Das Klima ist rauh und kalt; die Lage etwas hoch, aber ungleich und unangenehm.
Eine halbe Meile weiterhin gegen Osten und eben so viel gegen Süden, kommen
die Bäume um 14 Tage früher zur Blühte, und die Feldfrüchte
eben um so früher zu ihrer Reife, als hier.
Eine halbe Viertelstunde westwärts vom Dorfe fließt die Windach, und
ostwärts ein kleiner Regenbach, der Köhrer genannt, vorbei. Dieser
letztere nimmt durch feine wurmförmigen Krümmungen viel Erdreich weg.
Bei anhaltendem Regenwetter setzen beide, zumal die Windach, die ein sehr
ungleiches Rinnsal und viele Tiefen hat, (Tümpfel genannt) alles flache Land
zwischen hier und Oberfinning unter Wasscr, so daß manchmal alle
Kommunikazion zwischen beiden Dörfern abgeschnitten ist.
Die Mannspersonen sind im Durchschnitte, von sehr mittelmäßiger
Große, nicht schön von Angesicht, meist hagern Leibes und blasser
Farbe. Auch die Jünglinge [172] verlieren frühzeitig
die rothe gesunde Gesichtsfarbe. Demungeachtet ist das Mannsgeschlecht von
starkem Gliederbau , und nicht nur zu schweren , sondern auch, wenn die Noth dazu
dringt, zu anhaltenden Arbeiten geschickt. Die Weibsleute gehören , der
Leibesgröße nach, gleichfalls zum mittlern Schlage, sind
ziemlich wohl gebildet, rund, wohl genährt, und von gesundem Aussehen.
Die Einwohner zeigen sich nicht als große Liebhaber der Arbeit. Sonderbar
haben sie einen unüberwindlichen Haß gegen neue Versuche: „Wir
schwitzen und plagen uns, sagen sie, schon bei unsern gewöhnlichen Arbeiten
genug.,, Ein Bauer, dem es zum Bierkrug zu gehen, entweder an Lust, oder am Gelde
fehlt, liegt, die Kirchen- und Mittagsstunde abgerechnet, ganze 3, 4, und wohl
auch 5 Feiertäge hintereinander unverrückt auf seiner Lotterbank, ohne
über Langeweile zu klagen. Diese nennt er seine guten Tage.
Der Bauer zu Endraching hat keine andere Erwerb- und Nahrungsquelle, als seinen
naßkalten Äcker, und seine magern Wiesen. Aus dem Produkt dieser
Gründe muß er sich, seine Familie und sein Vieh ernähren ,
muß sich die nöhtigen Haus- und Ackergeräthe beischaffen,
muß seine Behausung in baulichem Stand erhalten, muß seine
Dienstboten und Tagelöhner bezahlen und verkösten, muß
Steuern und Abgaben entrichten, muß der Grundherrschaft seine
jährliche [173] Stift reichen, muß dem Pfarrer
den Zehnten lassen, muß die Hirten und Handwerksleute bezahlen, den
Müller und Mühlknecht, den Schergen, die Collectanten und Bettelleute
etc. befriedigen. — Nun steigen nicht nur alle seine Bedürfnisse im
Preise und die Dienstboten im Jahrlohne, sondern auch die Abgaben erhöhen ,
und die Steuern vermehren sich mit jedem Jahre, und dermalen kommen auch die
Kriegslasten hinzu. Der Bauer (vermögliche oder wohlhabende Bauern sind hier
gar nicht zu Haus) sieht nun gar kein Aufkommen mehr; die Arbeit, die ihm zuvor
doch sein mittelmäßiges Auskommen gegeben, dermalen aber auch nicht
einmal die nöthigsten Bedürfnisse verschaft, eckelt ihn jezt noch
mehr an, er verliert allen Muth, alle Arbeitslust, allen Fleiß, und geht an
seinen Acker, gerade wie sein Pferd oder sein Ochs — wann und weil er
muß. Zur Kultur kann und will er feine Zuflucht nicht nehmen; denn die
zeigt ihm die Früchte seiner Bemühungen allzu spät. Er muß
auf Mittel denken, bares Geld, und zwar gefchwind, zu erwerben. Dieß Mittel
findet er hier allein im Salz fahren, obschon ihm jede Salzfuhr um den vierten
Theil geringer bezahlt werden soll, wie wenigstens die Sage geht, als der
Churfürst sie bezahlt. Mit diesem Fuhrwerke richtet der Bauer sich vollends
zu Grunde, wie man hie mehr als ein Beispiel hat. Er bekommt zwar baar Geld auf
die Hand, aber nach »« oder z« Fuhren stirbt gewöhnlich
eines seiner { 174], Pferde dahin, seine Stute verwirft, der
Wagen zerfällt, der so nöthige Dung geht verloren, und seine noch
übrigen Pferde machen im Acker nur halbe Arbeit. Seit ein Paar Jahren
besucht der Bauer den Krug öfter als vor diesem. Er sagt: ,,Es hilft ohnehin
alles nichts. Für wen soll ich hausen; immer nur für den
Kurfürsten, und jezt auch für den Kaiser?- Da wär ich wohl der
größte Narr!,,
Der hiesige Bauer hat ein unglückliches Mißtrauen gegen seine
Obrigkeiten. Er sieht sie alle für feine Peiniger an, die es sich zum
Geschäfte machen, ihm das Leben recht zu verbittern, und alle seine
Lebenssäfte auszusaugen. Ei hiesiger 70jähriger Bauer will aus seiner
lebenslänglichen Erfahrung wissen, daß noch nie eine landesherrliche
Verordnung erschienen ist, wo nicht entweder eine neue Last aufgelegt, oder
Gemeinden gegen einander gehezt, und Processe veranlaßt, oder neue Abgaben
ausgeschrieben wurden. Dieses Vorurtheil herrscht fast durchgängig. Der
Gerichtsdiener läßt sich im Dorfe nicht ein einzigesmal unentgeldlich
sehen; allemal wird er entweder für sich, oder für seine Herrfchaft,
oder für beide zugleich seine Foderungen anbringen, und dies wie häufig
des Jahrs. Der Bauer vermuthet bei jeder neuen Verordnung neue
Bedrückung, und da er sich in diesem Stücke, leider, so selten
irrt, so erstreckt er sein Mißtrauen auf alle landesherrliche Verordnungen
ohne Ausnahme, und er erschrickt vor jedem neuen Befehle so, wie vor
[175]jedem jedem Anblick des Gerichtsdieners. Dies
allgemeine Mißtrauen hat sich merklich vermehrt, seitdem der Bauer in
Erfahrung gebracht hat, daß man die ihm günstigen Verrufe (z. B.
daß der einquartirte Soldat blos Dach und Fach zu fodern,, alle Kostartikel
aber dem Quartiervater zu bezahlen habe; daß der Bauer keine Fuhr, Vorspann
und Lieferung ohne auzustellcnde Quittung zu leisten schuldig sey; daß die
Magazinfuhren auf jede Meile für den Zentner mit 4 kr. bezahlt werden etc.)
geflissentlich unterdrückt, und mit Absicht davon still schweigt, daß
man ihn allen erdenklichen Mißhandlungen, Beleidigungen und
Brutalitäten des k. Militärs, ohne alle Hofnung einer
Unterstützung, Abhülfe oder Satisfaction, blos giebt; daß
überhaupt alles in der Welt ungehindert, ungestraft, und ungeahndet mit dem
Bauer sein Spiel und Wesen treiben darf.
Bei dieser schimpflichen Erniedrigung giebt der Bauer ohne allen Widerstand , was
, wann , und so viel man fordert. Seine ganze Klage besteht in den Worten:
Heißt immer nur, Bauer gieb! Bauer gieb! Als vor 3 Monaten
der Gerichtsdiener alle Schießgewehre abgefordert hatte , und der Bauer sie
ohne Widerrede hingab, sagte ein niederländischer k. Offizier: Die
bairischen Bauern sind doch recht gutwillige Leute , sie gäben wohl auch
ihre Weiber her, wenn man ihnen sie abforderte. Der seit einem
[176] Jahre bei allen landgerichtlichen Forderungen üblich
gewordene Beisatz: Bei Strafe der Exekution! scheint wenigstens bei den
hiesigen Bauern, überflüssig zu seyn; man weiß hier kein Beispiel
von Weigerung oder Widersezlichkeit.
. Das Benehmen des hiesigen Bauers ist übrigens grob und ungeschliffen,
seine Sprache, eine Mischung von bairischem und schwäbischem Dialekte, ist
rasch, schreiend, und mit einer gewaltsamen Gestikulazion der Hände
begleitet, so daß mancher Fremde, der unsern Bauern nicht kennt , einen
Angriff besorgt , und von ihm ein Paar Schritte zurücktritt. Jm Worthalten
ist er eben nicht genau, besonders wenn er etwas von Geld oder von seinen
vermeintlichen Gerechtsamen aufopfern sollte. Wer sich in diesem Falle auf seine
Zusage verläßt, geht gewiß allemal irre. Er ist im übrigen
in einem gewissen Grade dienstfertig, freigebig, zumal gegen Verunglückte,
und gastfrei gegen Fremdlinge. — Man weiß hier wenig von Diebstahlen.
Wären die Dienstboten, die fast alle aus andern Dörfern sind, und unsre
Nachbarn in diesem Stück gewissenhafter, so könnten wir Schlösser
und Riegel entbehren. - Kriminalfall war seit 18 Jahren nur folgender:
Zween Söhne seines hiesigen Bauerns wurden beschuldiget, einen Purschen, den
sie einst bei ihrem Mädchen antrafen, aufgelauert und
[177] denselben ermordet
zu haben. Da man aber mit Beweisen nicht ganz aufkommen konnte, wurden sie wieder
aus dem Gefängniß entlassen.
Jn Sachen , die ihrer Meinung nach, Neuerungen sind, sind die Bauern höchst
empfindlich, und legen da eine große Schadenfreude an den Tag. Wer
einen einmädigen Gras-Flecken zweimal mähet, darf sicher darauf
rechnen, daß ihm in der ersten oder zweiten Nacht das Gras auseinander
geworfen, und zerstreut werde. Junge Obstbäume , die auf einem Weideplatz,
wo sonst keine gestanden waren, gepflanzt werden, stehen nicht lange, sondern
werden entweder ab geschnitten, oder ausgerissen. Auch wurden vor diesem die
neuen Zäune allemal fleißig umgeworfen, aber' seitdem vom Landgericht
die ganze Gemeinde dafür hergenommen, und zur Wiederherstellung des
Zaunes an gehalten wird, läßt man es bleiben.
Die hiesigen Weibsleute findet man fast immer beschäftigt; sie lieben die
Arbeit, aber nur das Grobe und Mechanische von der Bauernarbeit, nemlich: das
Heuladen, das Viehfuttern, das Kühemelken, das Schneiden, Dreschen und
Spinnen. Hingegen die Produkte des Akers, des Viehstalles, des Obst- und
Kräutergartens auf die räthlichste Weise anzuwenden, daran
Verbesserungen und Vermehrungen zu machen, ist ihre Sache gar nicht. Sie lieben
Näschereien und (Hazzi. Aufschl, 2.Bd.) und [178]
öffentliche Lustbarkeiten, z. B. Hochzeiten, Kirchweihfeste,
große Ablaßtage und Wallfahrten: denn beide leztere gelten dem
Bauernvolke für Festtage, woran man sich etwas zu gute thun kann. Manche
Bauernweiber halten sich eigene Weiber oder sogenannte Küchenbasen, die
ihnen insgeheim Spizen, Borden, schöne Zeuge, Brandwein, Zuker, Lebkuchen,
weisse Semmeln, (doch keinen Kaffee, weil sie nicht damit umzugehen wissen)
zutragen müssen, wofür sie mit Butter, Eiern, Brod, Milch, Korn, Mehl,
Leintuch, Obst, Kuchen etc. regalirt werden. - > Vom Kochen verstehen Manche
auch das Allernöthigste nicht. Man ches Mädchen tritt in den Ehestand,
ohne daß sie eine Wassersuppe gehörig zu schmalzen oder einen
Nudelteig schiklich zuzurichten weiß. Man hat hier ein Beispiel von einem
Manne, der erst im Ehestand sich ans Trinken gewöhnte, weil sein Weib
ihm nicht einen schmakhaften Bissen zuzubereiten verstehet. Wenn die Weiber g u t
kochen , wie sie es nennen , so wird die Speise kostspielig, und gleichwohl nicht
köstlich und schmakhaft. Werden aber die Speisen gemein weg bereitet , so
sind sie oft kaum genießbar, und der in diesem Stük höchst
empfindliche Dienstbote hält sich dafür auf eine andere Art schadlos,
wird aufstößig, oder läuft mitten in der Woche aus dem Dienste.
Ein gefährlich krankes Weib bat vor 3 Jahren ihre Nachbarin , ihr eine
Eiersuppe zu kochen , weil sie eine härtere Speise unmöglich mehr
ertragen konnte. [179] Die Nachbarin, ein sehr dienstfertiges
Weib, brachte nach einer halben Stunde die Speise — nämlich eine
wohlgeschmalzene Wassersuppe, und in der Mitte ein hartgekochtes ganzes Ei. Das
war die Eiersuppe!Nicht
nur die Töchter/ sondern selbst auch die Mütter (wenn sie nur nicht gar
zu tief in die Funf zige sind) lieben die Kleiderpracht ganz
übermäßig. Die weiblichen Dienstboten tragen gewöhnlich ihr
ganzes Vermögen auf dem Leibe., Manchmal steht ei ne Braut am Traualtar,
deren Vermögen man, ihrem Kleide nach, auf wenigstens 5ooo fl. schäzen
würde, die aber noch dieselbe Woche aus Geldnoth ihren be sten Rok zu
versezen gezwungen ist. — Die Weibsleute haben hier den Spruch: Lieber
Hunger leiden, als die Hoffart (so heißen sie hier den Kleiderstaat)
meiden.
Aberglaube und Andächtelet ist hierorts nicht sehr groß. Ueber gewisse
Gattungen von Aberglauben, z.B. vom Verhexen, von Bezauberungen, vom Festmachen ,
vom Wegescheiden etc. wissen die Bauern selbst mit vielem Wize zu spotten. Auch
die Weiber nehmen die von den Terminanten angebotenen Lukaszettel und Hexenrauch
mit Kaltsinn oder mit Verstellung an, und machen wenig Gebrauch davon. Auf das
Weihwasser haben sie ihr meistes Zutrauen. [180] Sie besprengen
damit alle Abende das Vieh im Stalle; giessen dasselbe in die frisch gemolkene
Mllch, und sogar auch in die Getreidsäke, ehe das Getreid aufgeschüttet
wird. Auch jedes Stük Vieh, das verkauft wird, bekommt, ehe es aus dem
Stalle geführt wird, seine Besprengung, und einige Brodschnitte mit
geweihtem Salz. Die hiesige Pfarrkirche, die nichts von Brüderschaften und
Wunderbildern weiß, , giebt zu Andächteleien gar nicht
Anlaß. Aber die Kreuzgänge werden fleißig verrichtet. Bei
Gelegenheit der kurfürstl. Verordnung, vermöge welcher alle weit
entfernte Kreuzgänge untersagt wurden, sind hier drei Kreuzgänge dieser
Art in einen einzigen nahen Kreuzgang verwandelt worden, wobei es noch izt,
und zwar ohne Widerspruch, sein Verbleiben hat. Jn auswärt gen Kirchen, wo
es Andachten, Prozessionen, Brüderschaften von allen Gattungen giebt, und wo
die Prediger bei kommender Festzeit auf ihre Waare einen hohen Werth zu
legen wissen, sind die hiesigen Leute in vielen Brüderschaften,
vorzüglich in der Rosenkranz- und Armenseelen - die Kinder aber in der
Skapulie - r« Brüderschaft, fleißig eingeschrieben. Wenn die
Leute von solchen Brüderschaftsorten und Prozessionen zurük nach Hause
kommen,, so wissen sie von den abgelösten Pöllern, von der
höchsten Fahnstange, vom guten und schlechten Bier, Brandwem, Brezen,
Fleisch, [181] Brattwürsten und Plunzen ein Langes und
Breites zu erzählen.
Obschon der hiesige Bauer, beim gewöhnliche» Gang der Dinge, ganz und
gar nicht frömmelt, so erwacht doch seine ganze Andacht in vollem Masse, zur
Zeit, da sich eine Viehseuche zeigt. Da verlobt man sich zu allen Heiligen, wo
man Hülfe zu finden glaubt, geht wallfahrten, legt Geld in die
Opferstöke, läßt Messen lesen, reißt das hochwürdige
Gut aus dem Schoose des Altars, spricht damit Segnungen über die Heerde auf
offenem Felde, bethet häufige Rosenkränze, bis die Seuche
nachläßt, dann geht wieder alles seinen gewohnten Gang.
Die hiesigen Leute erreichen ein hohes Alter. Jm I. 1785, das hier eines
der stärksten Sterbjahre war, hatten die 6 verstorbenen Personen
zusammen ein Alter von 544 Jahren, und erst 1798 haben die 4 Verstorbenen
zusammen 289 Jahre erreicht.
Die Leute heirathen sehr gerne; aber nicht alle können ihren Wunsch
erreichen, und diejenigen, die so glüklich sind, gelangen ziemlich spät
dazu, 'weil die Ehen dermalen von der Regierung über alle Massen erschwert
sind. Die Mädchen wissen frühzeitig was Liebe ist, und weisen ihren
Liebhaber, der sich einmal für sie erklärt hat, selten ab. Desto
unbeständiger aber sind die Bursche; ein Fehler, den man ihnen
[182]eben nicht sehr verdenken kann. Da heut zu Tage auf die
Ehen ungeheure Taxen angesetzt sind, so sind die Bursche genöthigt, die
Mädchen zu verlassen, die ihre erste Liebe besizen, aber zu wenig Geld
haben, um die schweren Gerichtskosten und Neustiften bezahlen zu können. Es
werden daher fast alle Bräute aus andern Dörfern geholt, wo reichere
Mädchen sind: aber auch die Mädchen , die von ihren Eltern die Heimath
erben, holen ihren Bräutigam anderwärtig her.
Kinder werden gewöhnlich viele, nämlich in einer Ehe 10—12
erzeugt. Von 1788 bis 93 wurden gebohren 58, darunter 2 Paar Zwillinge, —
in dieser Zeit starben 13 Erwachsene und 20 Kinder — geheurathet
haben 9 Paar. - Der Bauer freuet sich, wenn fein Weib ihm das erste Pfand
der Liebe bringt, er freut sich auch noch beim zweiten und dritten, aber nicht
auch so beim vierten. Da treten schon Sorgen an die Stelle der Freude. Er
bedauert es, ein Vater vieler Kinder zu seyn, er hat für so viele keine gute
Aussicht mehr, sein Vermögen ist zu klein. Er sieht alle nachkommende Kinder
für feindliche Geschöpfe an, die ihm und seiner vorhandenen Familie das
Brod vor dem Munde wegnehmen. Sogar das zärtliche Mutterherz wird schon
für das fünfte Kind gleichgültig, und dem sechsten wünscht
sie schon laut den Tod, oder daß das Kind (wie man sich hier ausdrükt)
himmeln sollte. Jede Familie, wo viele Kinder sind, [183]
wird für unglüklich und arm gehalten, und sie ist es auch, und was
unsere Vorfahren für Segen angesehen, daß wird izt für
Strafe des Himmels gehalten. Die gegenwärtige Regierung rechtfertigt den
Bauer in dies« Meinung. Mancher Beichtvater, der einige tausend Beichten
den Landleuten abgenommen, und anbei ein fleißiger Beobachter ist, konnte
der Regierung ziemlich zuverläßig anzeigen, wie viel hundert eheliche
Kindder in einem gewissen Bezirke weniger geboren und wie viel geborne
frühzeitig verwahrloset werden, daß sie um 50 oder 6o Jahre zu
früh himmeln m üssen. Uneheliche Kinder sind binnen 13 Jahren 7
gebohren worden; eine Anzahl, die man hier zusammen in zwei vollen Jahrhunderten
nicht findet. Man hat beobach tet, daß alle gefallene Mädchen ihr
Kränzchen, wo nicht über, doch in ihr dreißigstes Jahr behalten
haben. In die Länge scheint ihnen die Last der Jungferschaft zu schwer zu
werden. Unter den dermaligen Gutsbesitzern ist kaum einer, der schreiben, und
kaum 3, die den Druk , aber gar keiner , der die Schrift recht lesen kann.
Hingegen kann die Jugend beiderlei Geschlechts von 24 Jahren bis herunter in das
10te fast ohne Ausnahme lesen und schreiben, und auch etwas rechnen. Zu
bedauern ist es , daß die meisten Jünglinge, sobald sie der Schule
entschlüpft sind, alles, was Bücher und Schreibfeder heißt, auf
die Seite legen und dafür mit der Tobakspfeife Staat machen.
[184]
Die gewöhnlichste Gebrechlichkeit unter ihnen ist der Leibschade.
Krankheiten sind hier die Ruhr und das Faulfieber am gewöhnlichsten. Die
meisten Leute sterben vor Alter und an Entkräftung. Von venerischen
Krankheiten weiß man hier bis jezr noch nichts; ob aber das k. k. Militair
nicht so etwas nachlassen werde, wird die Zukunft zeigen.
Der Bauer kleidet sich einfach und wohlfeil. Am Werktag ist sein Rock und
Leibstück von Loden; die Hosen von Hammelfell, das Hemd und die
Strümpfe von rupfernem Tuch. Aber das Tuch zu feinem Feiertags« rock
holt er sich aus dem Kramladen.
Jm Jahr 1797 kam die erste Taschenuhr ins Dorf.
Die erwachsenen Söhne, und vorzüglich die Dienstboten, tragen lichtblau
tuchene Röcke, Leibstücke von rothem Scharlach, manchmal mit ganz
silbernen Knöpfen ; einen breiten mit einer zweifachen Reihe von falschen
Goldborden, oder aus einem Borden bestehenden Hosenträger: um die Lenden
eine breite mit zinner- nen Sternchen besezte juchtene Gürtel. Einige
Dienstboten tragen statt des sonst gewöhnlichen schwarzen Floxes, seidene
Halstücher, und wohl auch eine Sackuhr; einen runden schwarzen Hut, dessen
Kopf theils von einem falschen, theils auch von guten Goldborden , den eine
silberne Filigranschnalle zusammenschließt, umwunden ist. Die Bursche
bezeichnen ihre Junkerschaft mit ' einem breiten, an den Enden mit Goldfranzcn
besezten [185] grünen
Taffetband um den Hutknopf. Die Hosen sind von Bock- oder Hammelfell; die
Strümpfe weiß oder perlenfarb, die Schuhe von gemeinem Hausleder,
manch mal mit silbernen Schnallen.
Das weibliche Geschlecht kleidet sich sehr kostspielig, aber nicht mit viel
Geschmack. Die Haube ist seit wenigen Jahren, gewöhnlich von Sammt mit einem
Otterbräm, und kostet oft bei einer Dienstmagd über 10 fl. Nebst dieser
haben die Mädchen auch eine weise Kappe von zarter Leinwand, von der Stirne
bis an die Ohren mit einer feinen Spize (die Elle zu 2, 3, 4, 5 fl.) besezt,
dicht mit weisser Seide bcnehet, und hinten wird das Haar, wie in einem Beutel,
zusam mengezogen. — Jm Jahre 1790 hat sich unter dem hiesigen Weibsvolke
die erste Pelzhaube mit Goldstoff sehen lassen; jezt giebt es deren
mehrere. Das Goller ist entweder weiß von feiner Leinwand mit Spitzem, oder
von Pers mit Taffetbändern eingefaßt; es wird dasselbe entweder mit
schönen Bändern, oder wohl auch mit einer silbernen Kette unter der
Brust fest gebunden. Ueber das Goller wird zum Gottesdienste und auf Reisen der
Schalk angezogen. Er ist von blauen Pomasin oder Kattun mit weißen Punkten,
(die Elle zu 4o kr. oder l fl.) um und um mit breiten Taffet bändern
eingefaßt. Der Halsküttel ist von feiner weißer Leinwand
und mit Spitzen besezt. Seit einigen Jahren wurden auch die sogenannten Ermel
[186] gemein, die vom besten Pers, und mit
Taffetbändern eingefaßt sind. — Rock und Mieder hängen
zusammen, und werden von der Nähterin verfertiget. Der Rock ist
durchgängig von schwarzer Farbe, und das daran hängende Mieder nicht
mit Fischbein gesteift, sondern weich, von rothen, blauen, grünen oder
schwarzen Damast, oder moire oder Parterr, aber überall, vorzüglich im
Rücken der Länge nach mit schwarz samtenen Borden (die Elle 3o
bis 45 kr.) besezt. Der Brustfleck ist eine umgekehrte Pyramide, oben etwas
rund ausgeschnitten, von einem dicken harten Pappendeckel, worauf falsche Borden,
zum öfter n Gold- und Silberborden zugleich, und mitunter allerlei
bunte Flecke aufgenähet werden. — Die Florschnalle ist entweder von
geschlagenem Silber, oder Filigran, von 8 bis 15 fl. Der Schurz ist von blauen,
bei denen aber, die großen Staat machen wollen, von weiß und blau,
oder von roth und weiß gestreiftem Zeuge, und sehr faltenreich. Der Rock
ist kurz, und erreicht kaum die Waden. Die Füße sind mit weißen
Strümpfen (die sie selbst zwar zu stricken, aber nicht so weiß zu
waschen wissen, wie man sie z. B. in Schwaben wascht) und an Festtägen mit
Schuhen bedeckt, deren Absätze, Riemen und Lappen mit rothem
Saffianleder überzogen und ausgeschlagen sind.Die Mädchen
bezeichnen ihren Jungfernstand mit oben beschriebener weißen Kappe,
weißen Halsküttel, (187]und und mit dem
weißen Schurz, den sie nur an gewissen hohen Festtagen, und beim Tanze
umhangen; er ist von feiner Leinwand , und hat in der Breite 3
Ellen.
Die Kinder werden schlecht und nachlässig gekleidet, und schon, sobald sie
laufen können, gegen Hitze und Kälte, Wind und Regen gut
abgehärtet. Es ist ein angenehmes Schauspiel, in den Tagen der grimmigsten
Kälte, alle Kinder von 6 bis 1o und noch mehr Jahren, meist ohne Handschuhe,
zuweilen auch mit blosem Haupte, schon vor Sonnenaufgang auf den
Eisöplätzen zu sehen, wo Knaben und Mädchen theils mit Schleifen,
theils mit Schlittenfahren sich ergötzen, und ihre Spiele (wenige Stunden
abgerechnet) bis Sonnenuntergang, mit einer rastlosen Geschäftigkeit
fortsetzen..
Gegessen wird fünfmal des Tages, nämlich: i) des Morgens eine Stunde
nach dem Aufstehen, ein Mus von geschrotenem Kern, welches mit Butter belegt, und
dann mit vielen Brodbrocken angestopft wird. Im Sommer wird statt dessen
Milchsuppe gegeben. 2) Um 9 Uhr Brod. Das Brod ist durchgängig
von Roggen, oder höchstens nur etwas Gerste darunte.r.. 3) Um 1l Uhr das
Mittagsmahl, es besteht gewöhnlich aus Sauerkraut und Topfennudeln aus gutem
Kern mehl. Zuweilen, wiewol selten, werden Fleischknötchen gegeben. 4) Um 3
Uhr Brod, und im Sommer [188] saure Milch mit Topfen. 5
) Um 6 oder 7 Uhr das Nachtmal; es besteht gewöhnlich aus Sauerkraut
und Nudeln von Roggenmehl, aus einer Brennsuppe, Bröselsuppe, Milchsuppe,
Erbsen und gerändeter Gerste, oder (wenigstens alle Samstage des Jahrs) aus
gebackenen Kucheln vom besten Ker nmehl. — Alle Sam stage müssen jedem
Dienstboten 12 bis 12 gebackene Kücheln besonders gegeben werden, jedem
Hirten viere, jedem Taglöhner eben so viel, und diesem letztern zugleich ein
Viertel vom Laib. Jn der Erndtezeit müs sen alle Mittags gebackene
Kücheln, und Abends gute Topfennudeln gegeben werden, von denen werden so
wohl jedem Taglöhner, als auch Dienstboten, 4 besonders hinausgegeben. Jn
der Dreschzeit müssen alle Woche wenigstens zweimal Kücheln gebacken,
und am Samstag jedem D.enstboten 4, und zedem Taglöhner eben so viele, und
diesem zugleich der 4te Theil vom Laib gereicht werden. Zur Madzeit wird jedem Ma
der täglich ein Maas Bier gegeben. Will man an großen Arbeitstagen
gute und prompte Arbeit haben, so muß man nicht vergessen, dem Bauknecht
von Zeit zu Zeit mit Bier zuzusetzen. Es versteht sich, daß fast alles
Schmalz aufgezehrt, und in Häusern, wo Dienstboten sind, nichts von diesem
Artikel zum Verkauf gebracht wird. Ueberfluß muß in allen Speisen da
seyn, sonst murrt der Dienstbote und der Taglöhner, denn beide wollen
essen, bis sie nicht mehr können. Murrt aber einmal der Dienstbote, so
geschieht wenigstens [189] desselben Tages
keine Arbeit so, wie sie geschehen sollte.
Trunk ist Wasser. Bier wird nur um Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Kirchweih, am
letzten Faschingstage, am letzten Dresch- und Er ndtetag gegeben.
Fleischspeisen werden gar keine gegessen, ausser im Fall, da man im Hause ein
Rind schlachtet.
Der Trunkenheit ist der Bauer eben nicht sehr ergeben. Seit einigen Jahren
besucht er den Krug an Sonn« und Feiertagen ordentlicher, als
ehedessen. Grund und Boden ist noch kalt, hart, grießig, lettig, mit
vielen Naß- und Grießgallen. Wir brauchen hier fast nochmal mehr
Eisen und dreimal mehr Saamen, als die Unterländer auf ihrem guten Boden,
und erndten dafür dreimal weniger, als sie. .
Wie viel Feld, Wiesen, Garten etc. die ganze Gemeinde besitze, kann gar nicht
bestimmt angegeben wer« den, indem noch nie eine Ausmessung der Gründe
vorgenommen worden. — Der Bauer, der hier für einen ganzen gilt, hat
auf 3 Feldern zufammen 51 Ju chert Acker, und die 2 Halbbauern jeder
ungefähr 27.
Von Holzungen besitzt die hiesige Gemeinde, die so zu sagen mitten im Holz liegt,
ganz und gar nichts. Alles Holz muß für baar Geld gekauft werden. Aus
der einstimmigen Sage hiesiger Greise vernimmt man, daß vor Jahren, in dem
Bezirke, vom Ursprung der Windach bis an den Ammersee zu Diesen, und von da bis
an den Ausfluß der Windach in die Ammer, [190]ein starkes Wildgehege von Wildschweinen gewesen, wo die
Landesfürsten von Zeit zu Zeit ihre Lustjagden gehabt, und den Förstern
ihr sonderbares Wohlgefallen darüber bezeugt hatten. Ohne Rücksicht auf
Landmann und Ackerbau hätten denn die Förster, um das Wild in recht
großer Menge hegen zu können, und die Gunst des Fürstens immer in
grösserer Masse zu gewinnen, aus übertriebenem Diensteifer den Bauern
alles Holz nach und nach abgenommen, und dasselbe für kurfürstl.
Eigenthum erkläret. Sonderbar ist es, daß die hiesigen Bauern zum
kurfürstlichen Schlosse nach Landsberg jährlich 12 Fuder Holz liefern
müssen, das heißt, daß sie das Holz erstlich dem Kurfürsten
abkaufen müssen, um es hernach dem Kurfürsten wieder geben zu
können. Da überall keine Naturalien zu einer Abgabe gemacht werden, als
nur solche, die die Wirthschaft selbst hervorbringt, so sehen die hiesigen Bauern
diese jährliche Holzabgabe für einen fortredenden Beweiß an,
daß sie vor Jahren Holzeigenthümer müssen gewesen seyn.
— Viele der hiesigen Dorfleute besitzen in dem kurfürstlichen Forst
Wiesengründe, und das Holz wird auch da als kurfürstl. Eigenthum
angesprochen. Es hat sich aber schon ereignet, daß einer derselben eine
ganze solche Wiese dem Kurfürsten besteuern muß, obschon bereits die
Hälfte derselben mit Holz angeflogen ist. Da die ganze Lage des hiesigen
Dorfs förstig ist, und das Forstamt selbst auf die Eiche, die im
Pflanzgärtche n aufwachset, Anspruch macht, [191] so
ist es kein Wunder , daß man die mager n Wiesgründe, die zu nichts,
als zum Holzanflug gut wären, immerfort schlecht benüzt, und gleichwohl
das Auf kommen des Holzes nach Möglichkeit verhindert, und manchmal einige
tausend junge Stämmchen ausreißt, und zum Verbrennen nach Haus
führt.
Das Jahrholz kostet ½ Metzen Haber à 42 kr.
Auszeigegeld 21 kr. Macherlohn 4o kr. Fuhrlohn 2 ft. 30« kr.
Mithin jedes Klafter 3 fl. 13 kr.
Die hiesigen mager n Wiesen stehen, wie es scheint, seit Anbeginn der Welt, auf
dem alten Fuße. Bis auf den 4ten Mai wird das Vieh darauf geweidet; dann
läßt man die kommenden 8 Wochen fleißig Gras dar auf wachsen,
und bald nach Ulrich müssen alle Wiesen dem Vieh wieder zur Weide
eingeräumt werden. Einige Wiesenverbesserung ist noch nie vorgenommen
worden. Nur der Pfarrer hat sichs vor 8 Jahren in den Kopf gesezt, so eine Wiese,
die das besondere hat, daß sie um und um eingezäunt ist, mit Dung und
Gips in besser n Stand zu bringen. Sie gab vor diesem ein sehr
mittelmäßiges Fuder Heu; heuer gab sie aber 4 große Fuder Heu,
und 3 große Fuder Grummet.
Alle Arten von Futterkräutern sind hier unbekannt, den rothen Klee
ausgenommen. Dieser ward vor 4 Jahren hier das erstemal angebaut, aber nicht ohne
Widerspruch. Erst heuer folgte ein Bauer diesem Beispiele, welcher ebenfalls
großen Widerspruch erfuhr, weil die hiesigen Leute geschworne Feinde von
neuen [192] Einzäunungen sind. Da diese
aber aus Erfahrung wissen, daß Prozesse wider die Kultur allemal nicht gut
ausschlagen, liesen sie es gleichwohl geschehen. Dem Vernehmen nach wird auch
eben dieser Bauer den Kleebau in die Zukunft wieder bleiben lassen.
Von Wässerungsanstalten weiß man hier nichts.
Weideplatze sind das Brachfeld, die Wiesen , und der
kurfurstl. Forst.Möser und Filze giebt es nur im letztern.
Die Gärten sind um die Hauser. An Baumpflanzungen ist hierorts seit 12
Jahren manches verbessert, vermehrt, veredelt worden, wovon die Einwohner bereits
angefangen, einige Früchte zu erndten. Die große Gleichgültigkeit
der Dorfleute, und ihr unüberwindlicher Abscheu vor aller
ungewöhnlichen Arbeit, die nicht auf der Stelle ihr Prozent abwirft, ist
schuld daran, daß für das arme Dorf nicht eine neue Erwerbungsquelle
kann geöfnet werden, obschon große und weitschichtige Plätze
vorhanden sind, wo sich eine sehr beträchtliche Baumpflanzung anbringen
ließ.
Viehstand. — Das Vieh ist, wie die Weidplätze, mager, und, da die
Kälber gewöhnlich schon in ihrem zweiten Jahr auf der Weide
trächtig werden, sehr mittelmäßig von Wuchs. Das ist die Ursache,
daß man nie einen ansehnlichen und schweren Bullen, eine bessere Rare zu
erzielen, einstellen kann.
Der Viehstand ist hier nicht so groß, als er wohl seyn könnte. Die
Leerhäusler und Bausöldner haben zwar [193] so viel Vieh, und wohl auch mehr, als ihnen gebührte; aber die
ganzen, die halb, und Viertelhöfe ha- ben kaum die Hälfte, die sie
haben sollten, oder könnten.
Aus Geldnoth werden gewöhnlich die schönern Stücke verkauft/ und
die schlechtern beibehalten. Mit der Kälberzucht scheinen die Leute nicht
gar gut umgehen zu können. Viele Kälber sterben ein Paar Wochen,
nachdem sie abgesezt worden, und die meisten, die davon kommen, werden und
bleiben so schlecht, daß sie kaum das Aufstehen vermögen. Erst auf der
Weide müssen sie sich heraushelfen.
Die 2 Oechslein abgerechnet, die dermalen im Dorf sind, wird der Feldbau
durchgängig mit Pferden, die im Ganzen genommen, von schlechtem Gehalte
sind, getrieben. Der Einführung' der Ochsen stehen hier zwei Hindernisse
entgegen, 1) Leidet man's nicht , daß die Ochsen mit unter die Kühe
auf die Weide kommen. 2) Wollen die Dienstboten, die gar keine große
Liebhaber der Arbeit sind und mit Pferden schnellere Geschäfte zu machen
glauben, durchaus nichts von Ochsen wissen. Sie schämen sich recht , wenn
sie mit Ochsen fahren müssen. Stellt man irgendwo einen Ochsen ein, ,
s» wird das arme Thier so jämmerlich zerschlagen, daß es zur
Arbeit untauglich wird, und wieder mit Schaden verkauft werden muß. Auf
einen sonderheitlichen Viehzügel wird kein Bedacht genommen. Die kleinen
Schaafe, die erst auf der Weide gut werden müssen, machen (Haz. Ausschl. 2.
B.) [194]hier den grösten Viehzügel aus; sie werden an
die Landsberger oder benachbarten Mezger verkauft. Jm Jahr 1798 waren auf der
Weide:
Pferde 44
Füllen 10
Rindvieh 150
Kälber 30
Schaafe 196
Gänse 72
Gewerbe. — In einigen Häusern werden wirkene und wollne schmale
Bänder, (jene zu 1 und 2 pf. diese zu 2 kr. die Elle,) gewirkt, und dann
verhausirt. Da man nach vielen Versuchen vom kurfürstl. Commerz - Collegium
kein Hausierpatent hat bewirken können (obschon Ungarer, Reitlinger, Tiroler
und andere Ausländer mit kurfürstlichen Patenten versehen, häufig
im Lande herumlaufen, hausiren, und die Landleute um ihr Geld prellen, so
ergreifen die Bänderhändler den Weg des Bettels, der in Baiern
jedermanniglich auch ohne kurfürstliches Patent offen steht, nehmen für
ihre Waare Geld, Werg, Wolle oder Flachs , und betteln am Ende um ein Stück
Brod, oder um eine Nachtmahlzeit, oder um die Nachtherberge.
Erziehungsanstalten sind hier keine. Der Schullehrer (Meßner zugleich) ist
ein betagter Mann von altem Schrot und Korn. Der Pfarrer besucht die
Schule, und das Lehrgeld (für jedes Kind des Tags l Pfennig und des
Sonnabends ein Scheit Holz) fällt [195]ganz dem Meßner
heim. Wenn in der Woche ein Feiertag fallt, so trift dem Meßner um einen
Pfennig weniger. Weil aber der Bauer diesen Pfennig nicht gerne abzieht, und doch
auch nicht gerne giebt, so schickt er lieber dieselbe Woche das Kind gar nicht in
die Schule. Der Schulpfennig ist des Schullehrers ganzes Einkommem. Die Schule
dauert von Advent bis Ostern.
Vor diesem ward hier gar nicht Schule gehalten, so wie auch nicht in den
benachbarten großen Dörfern Hofstetten und Unterfinning; sondern
die Schule für die Kinder einer ganzen Nachbarschaft war in Oberfining, das
eine Viertelstunde von hier, eben so weit von Unterfinning, und eine halbe Stunde
von Hofstetten gelegen ist. Nach dem Tod des alten Meßners von Oberrfinning
hielt vor 8 oder 9 Jahren ein gewesener Händler von Obersinning, Schule in
seinem Hause, und lehrte so ziemlich gut. Aber der Sohn des verstorbenen
Meßners, eifersüchtig auf das Verdienst des neuen Lehrers,
reiste nach München, und erhielt daselbst Aprobation als Schullehrer in
Oberfinning, quamquam vir iste, neque commode legere neque scribere
sciat, er rem rusticam multo magis amet quam rem
scholasticam. Da ward nun der vorige bessere Lehrer, als non
approbatus, verdrangt, und mußte sich um eine andere Stelle umsehen.
Ungeachtet des Schullehrers würde die Schule in Oberfinning ganz leer
stehen, wenn nicht dasiger Herr Pfarrer sehr oft die Schule besuchte.
[196]
Noch eine andere Gelegenheit, das Schulwesen in
unserer Nachbarschaft zu verbessern, bot sich im Jahre 1787 an, als der
Frühmessner in Oberfinning gestorben war. Die Frühmesse war 1748 von
vermöglichen Oberfinningern, mit einem bequemen Frühmesserhaus und
einem Kapital von 6000 fl., wovon der jährliche Zins das Einkommen von 300
fl. abwirft, gestiftet. Nach des Frühmessners Tod war ein benachbarter
Pfarrer entschlossen, seine Pfarrstelle gegen das Frühmeß- Benefizium
zu vertauschen, und nebenbei auch das Schulamt in Oberfinning zu
übernehmen. Allein der (nunmehr seel.) Pfarrer in Oberfinning wollte lieber
das Benefizium mit seiner Pfarrei vereinigen, und den guten Bissen an sich
ziehen, um davon einen Kaplan halten , und für sich desto bequemer leben zu
können. Er negozirte darüber im geistlichen Rath. Da ward — durch
eine fremde Dazwischenkunft — am Ende das Benefizium dismembrirt, 150 fl.
dem Pfarrer von Oberfinning , zur Haltung einer Frühmesse, und das
übrige einem Schullehrer in der ober n Pfalz angewiesen. Auf solche
Weise ward die einheimische Schulnoth vergessen , um einer auswärtigen
abzuhelfen, und den Kindern im Hause ward so zu sagen das Brod genommen, um
es einem Fremden zuzuwerfen.
Das hiesige Meßnerhaus (ein eigenes Dienstschulhaus, ist hier und in allen
genannten Dörfern nicht) hat alle erdenkliche Unbequemlichkeiten, die
dem[197]Lehrer
und den Lernenden höchst beschwerlich fallen
müssen. Aber zunächst an der Pfarrkirche sieht eine gemauerte
müssige Kapelle, die keinen andern Nutzen gewährt, als daß sie
Bausteine zu einem bequemen Schulhaus liefern kann.
Eine Pfarrkirche und ein Pfarrer. — Jene hat so viel, daß sie
bestehen, und dieser, daß er leben kann.
Nebst den abgewürdigten Feiertagen, werden hier noch insonderheit gefeiert:
1) Pauli Bekehrung. 2) St. Wilibald. 3) Maria Heimsuchung. 4) H. Kreuz-
Erhöhung. 6) Der Freitag nach Christi Himmelfahrt. 7) Maria Opferung. 8) Der
Dienstag nach Quinquagesima. 9) Der Montag nach der Kirchweihe zu Obersfnning.
10) Der Montag nach hiesiger Kirchweih, l 1) Der grüne Donnerstag. 12) St.
Leonhard.
Kreuzgänge in allem 14. Davon sind 2 reduzirt, restirt also 12.
Doktor, Bader, Spital, und andere Gesunbheitsanstal.ten sind hier nicht zu Hause.
Zu Oberfinning, 1/4 Stunde von hier ist die in München approbirte
Hebamme, die vor 7 Jahren auf Kosten der 4 umliegenden Gemeinden Hofstetten,
Ober« und Unterfinning und
Entraching die Hebammenkunst gelernet hat. Atqui ex tempore
difficiliora puerperia, et mortes irifantium crebriores; est enim haec
obstetrix vetula, caecutiens, cruda, parturientibus molesta, et
penitus inepta, insuper inactis et multum repugnantibus rusticis
obtrusa..[198]
Von übrigen Spekulationen , z. B.
in der Kultur, von Arrondirung weiß man hier gar nichts. Vor ungefähr
200 Jahren, hatte ein hiesiger Bauer, eine halbe Stunde vom Dorf, seine
Gründe in der schönsten Rundung um sein Haus herum, entschloß
sich eber, um näher in Gesellschaft zu leben, sein Haus in das Dorf zu
versetzen, und von dieser Zeit ward dieser sonst gute Hof zu einer Frette, und
ist es noch. Im Jahr 1797 wollte der jetzige Gutsbesitzer wieder dahin ziehen, wo
seine Urvater gewesen waren. Aber man legte ihm nicht nur von Seite der hiesigen
Gemeinde, sondern auch der Grundherrschaft Benediktbaiern (der doch gar
nichts dadurch benommen gewesen wäre) solche Hindernisse in den Weg,
daß er sein Vorhaben aufgeben mußte.
Wegen Kothführungen ist nichts, wegen Düngung aber so viel unternommen
worden, daß das Kleefeld, und auch manche Grasflecken mit Gips bestreut
werden. Die Wege sind so schlecht, daß sie in allen 4 Weltgegenden nicht
schlechter angetroffen werden können — Wegen Gewerben, Handelschaften
etc. ist nichts besonders in Aufnahme. Nur zween der hiesigen Einwohncr treiben
eine Handelschaft; der eine zu Zeiten mit Pferden, der andere mit
Strohhüten, die im Venetianischen gekauft, und in Sachsen verhandelt werden.
Beide stehen besser, als die blos vom Acker leben. Vor einigen Jahren wollte ein
Unterthan in seinen Feldern Tuftsteine graben, bald eröfnet man ihm
[199] aber, daß der Nutzen davon der Grundherrschaft
zufalle, und da ließ er das Graben wieder bleiben.
Keine Mühle, kein Wasserwerk, keine Maschine ist vorhanden.
Vor Jahren stund unweit vom Dorf eine Mühle an der Windach, von der aber
jezt kaum eine Spur mehr vorhanden ist. Sachverständige versichern,
daß an eben dem Orte eine Mehl-, Säge- Oel- und Brechmühle
füglicher angebracht werden könnte, als sie dermalen in Oberfinning
ist. — Vor diesem war auch eine Kalkbrennerei hier.
Herrschaftliche Scharwerke sind hier keine, weil der Jurisdikzionsherr der
Kurfurst ist.
Beim Landgericht Landsberg ist das Dorf zu 6 Höfen angeschrieben,
obschon vor mehr als roo Jah ren ein halber Hof in auswärtige
Hände nach Oberfinning gekommen. Auch Ober- und Unterfinning sind,
jedes zu 6 Höfen , angeschrieben; da doch jedes Dorf augenscheinlich noch so
viele Besitzungen hat, als Entraching.
Bei Eintheilung der Soldateneinquarti rung laßt sich dieses
Mißverhältniß sonderbar empfindlich fühlen
Blos die kurfürstl. Abgaben sind folgende: Steuer 66 fl. 12 kr. heuer bis
jezt 6mal ff. 397. 12
Anlag 32 fl. 53 kr. das Jahr 4 mal 131.32
Herdstattgeld 25 kr. Von 24 Herdstellen l0 –
Leprosengeld, á 2 bis 4 fl 3.-
S. fl. 541. 44
[200] Jeber Unterthan hat seine Grundherrschaft , und
giebt Geldsttften zu mehrern Gulden, so hat jeder z.B. von dem Kloster
Benediktbayrischen Unterthan, deren 18 hier sind, 14 — 15 — 16 fl. zu
entrichten, dann bezieht noch den Zehenden der Pfarrer.
Die Einwohner im Ganzen sind arm. Hier ist ein Einziger, den man vermöglich
nennt, und der giebt jedem seiner 3 Kinder höchstens 500 fl.
Aussteuer. Die man hier Bauern nennt, können am wenigsten geben.
Wie theuer die Güter verkauft werden, kann eigentlich nicht angegeben
werden, weil der Fall in vielen Jahren nicht eingetreten ist. Doch ward einmal
bei einer gewissen Gelegenheit ein halber Hof (mit 9 Juchert auf jedem Felde,
folglich auf alle drei Felder 27 Morgen) auf 3ooo fl. angeschlagen.
Ein Juchert Akker wird gewöhnlich für 100; ein Tagwerk Anger für
2oo fl. verkauft.
1) Ein ganzer Bauer (er hat den Namen, weil er auf jedem der 3 Felder 17 Juchert
Akker besizt).
2) Zwei Halbbauern.
3) Vier Viertelhöfler.
4) Sechs Achtelhöfler. Die übrigen sind Söldner und
Leerhäusler. Oede Höfe giebt es nicht.
Vom Schauer wird beinahe alle zwei Jahre einiger, wiewohl nicht allemal sehr
großer, Schaden an-[201]gerichtet. Die Roggenblüte
leidet gewöhnlich vom Reif, und der Fesen vom Brande.
Vor fünf Jahren ist hier ein Haus abgebrannt, sonst sind Feuersbrünste
äusserst selten.
Die Hornviehseuche hat 1790 hier 44, die Pferdeseuche 1793 aber 14 Stüke
aufgerieben. Von Anstalten gegen die Seuche ist gar nichts zu sagen. Man gab dem
kranken Vieh anfänglich Arzneien, die man fur die besten hielt; sie wirkten
aber nichts, am Ende ließ man alles gehen wie es gieng, das heißt:
einige von der Seuche befallne Stüke kamen auch ohne Arznei davon, und
einige starben. Jn unsrer Nachbarschaft nämlich zu Diesen, Landsberg
etc. waren damals kurfürstl. Vieharzte abgeordnet, aber unsere
Dorfschaften überließ man ihrem Schiksale. Den Bauern war es lieb,
daß kein Vieharzt sich sehen ließ, weil des kurfürstlich. Herrn
Viehdoktors Gefolge als sehr interessirte und in ihren Kuren nicht gar
glükliche Leute ausgeschrieen waren.
Die Dienstboten und Taglöhner fangen an ziemlich zu mangeln, und man
muß sie theuer und von Jahr zu Jahr immer noch theuerer bezahlen.
Jhr.Arbeitsfleiß steht mit dem Lidlohn im umgekehrten
Verhältniß. Man darf vom Glück sagen, wenn man einen Dienstboten
findet, der nicht stiehlt und seine gewöhnliche Arbeit thut. Will man von
Dienstboten eine, sonst ungewöhnliche, Arbeit haben, [202]
dergleichen jede Kultur erfordert , so kann man ihn den ganzen Tag murren
hören, man muß immer daran zärteln und. sich .manche Gabe nicht
gereuen lassen , oder die Arbeit hat keinen Fortgang. Giebt man den Dienstboten
einen geringen Verweis über irgend eine Ausschweifung oder
Nachläßigkeit im Dienste, oder vergißt man eine alt
hergebrachte, auch noch so geringfügige Gabe, so laufen sie vor der Zeit aus
den Dienst Das thun sie am liebsten beim Eintritt des Frühlings und zur Er
ndezeit, da wissen sie, daß sie aller Orten fast für doppeltes Geld
angestellt werden. Es ist allmählig zu einem Sprüchwort geworden: Wer
Dienstboren haben muß, darf Gott um Kreuz und Leiden nicht bitten , sondern
nur um Geduld.
Jahr- und Taglohn sind seit zwei Jahren gar merklich gestiegen. Der
Taglöhner hat jezt nebst der Kost l2 bis 15 kr., vor diesem hatte er 6
und 8 kr. Ueberdies dingt sich der Taglöhner, zumal in Häusern, wo er
seine Unentbehrlichkett fühlt, sowohl zur Er nde- als Dreschzelt, noch
besonders einen Mezen Korn und seine Holzfuhren gratis aus.
Unter den Dienstboten hat jezt der Oberknecht 30, auf Bauerhöfen 38-40 fl.
(vor diesem 25, höchstens 3ofl.) Jtem 1 fl. Haftgeld, 3o kr. an Jakobi, 30
kr. am Palmsonntag. Zwei Paar Schuh, zwei Hemder, ein rupftnes Tuch zu 1 Paar
Hosen und zu einem Paar Paar Strümpfe.
— [203] Der Unterknecht 17—20 fl. (zuvor
12—14fl.) 3o kr. Haftgeld; das Uebrige wie oben. Die Oberdirne
12—14fl. (zuvor 10fl.) 30 kr. Haflgeld, 12Ellen Tuch, 2 Paar Schuh,
rupfenes Tuch zu Madfürflek, 1 Elle Haubenspizen. Die Unterdirne 10 fl., 3o
kr. Haftgeld. Das Uebrige wie die Oberdirne.
Der Maurer und Zimmermann fordert des Tags zweimal Bier, fünfmal zu essen, 24kr. Taglohn und am Ende der Woche Kücheln und Brod mit nach Haus
[Einfügung] >>>>>>>>>
— Eisen ii auch 12 kr.
Salz beim Krämer der
Dreißger 4 ½ kr.
Man hält zwar Bienen, aber auf die Bienenzucht verlegt man sich nicht
sonderlich. Um die Mitte des
[204] August kommen sogenannte Bienenschinder ins Dorf,
töden die Bienen in den Körben und kaufen vom Bauern Wachs und Honig
zusammen , die Maas für 3o kr., das sie hernach an die Lebzelter von
Diesen, Schongau und Landsberg verkaufen.
Sammlungen giebt es die Menge. Ohne die ordinären Bettelleute und Landfahrer
kommen jährlich zur Butter- zur Wolle- und zur Gerstenkollektur
Franziskaner von Augsburg dreimal.
— — von Weilheim dreimal.
Karmeliten von Schongau dreimal.
Barm. Brüder von München zweimal.
Der Landsbergische Gerichtsdiener ist Jahr aus Jahr ein mit Sammlungen
beschäftigt und hat seine Hand stets im Sak des Bauers. Am Kirchweihfest
sammelt er fast alle Häuser ab, für Brod und Kücheln. Seit einigen
Jahren wird jährl. viermal (ehedessen nur zweimal) Feuerbeschau gehalten;
dafür bekommt er jedesmal von einem Söldner und Leerhäusler 4 kr.
jedesmal wird zugleich entweder Flachs oder Eier oder Obst gesammelt. Am
beträchtlichsten ist seine Sammlung 1) von Eisen, 2) von Stroh, z) von
Haber, 4) von Heu, item seine Eintreibung von Fuhren, die die Bauern ihm leisten
müssen.
Hätten die Einwohner mehr Vermögen, mehr Aufmunterung, mehr
Arbeitsfleiß, würden die so vielen [205] Hindernisse, der allseitige Druk beseitigt, so könnte mit
ziemlich gutem Grunde behauptet werden, daß das Dorf und die ganze Gegend,
so arm sie jezt sind, sich in wenig Jahren durch den Kleebau, durch Aufhebung
oder wenigstens durch Einschränkung der Brache, durch Käsmachen, durch
die Obstbaumzucht, durch Brandweinbrennen aus den wilden Früchten, die es
hier die Menge giebt, vielleicht auch durch Mühlwerke, durch
Kalkbrennereien, durch die Bienenzucht, überhaupts durch mehr Kultur und
Gewerbe, zu einem beneidenswerthen Glük und Wohlstand erschwingen
könnten. —
[Ende]
____________________________
Beifügungen
Entraching, nach der Steuerkonskription von 1752 bzw. Hofanlagebuch von 1760 (siehe Historischer Atlas von Bayern, Landgerichte Landsberg und Schongau ((1971) S. 158 f,
25 Anwesen: 1 je 1/1, 5 je ½, 9 je 1/8, 9 je 1/16 [1/1 = ganzer Hof; 1/2 halber Hof; 1/8 Bausölde; 1/16 Leersölde]
Entraching (Pfd, Gde), 25 Anw.: Kl Benediktbeuern 1/1 (Max), 5 je 1/2(Bartel-, Schuster-, Sedel-, Stechele- und Meßnerbauer), 7 je 1/8 (Gori,
Schmid, Michellenz. Tölzer, Schelle, Henkermichl, Schäffler), 5 je 1/16
(Kramer, Huttler, Schneider, Häuslemann, Meßnergütl); Pfarrwiddum
Entraching 1/16 (Schmidschuster), Kirche Entraching 2 je 1/8 (Gaber, Laich-
veiten), 2 je 1/16 (Schmalzer, Laichschuster); Gmeind 1/16 (Kistler); 1814: 1 Pfarrhof mit Widumgut
1552: Kl Benediktbeuer n 4 je / 1, 3 je 1/2, 9 je 1//16; St. Jakobsgotteshaus
Entraching 5 je 1/16.
Pfarrkirche St. Jakob, Dek. Landsberg, seit 1395 dem K1 Benediktbeuern
inkorporiert.
> Aus Bosls Bayerische Biographie
*************************************************************************************************Ortsgeschichte
Egling - Heinrichshofen
Historisches Häuserbuch
Zunächst erwartet man wohl eine Auskunft darüber, wie wissenschaftlichliche Landesgeschichte und heimatgeschichtlich orientiertes Häuserbuch zusammenhängen. Nun, der Landeshistoriker ist gerade mit der historischen Topographie und der historischen (Raum-)Atlasforschung eng mit der Ortsgeschichte verwoben, konkretisiert sich doch hier das historische Geschehen im anschaulichen Detail und Einzelfall. Gerade bei der Bearbeitung der wissenschaftlichen Ortsnamenbücher und Historischen Atlanten werden die Grundstrukturen der einzelnen Siedlungen und Dörfer aufgrund historischer Quellenforschung offengelegt. Man ist dabei bereits mit den Anwesen befaßt, mit ihrer herrschaftlichen Zugehörung, ihrer Größe und ihren Hausnamen, - mit Höfen und Anwesen, die dann im Besonderen Gegenstand eines historischen Häuserbuches sind.
Das Land und die Dörfer haben im letzten halben Jahrhundert einen tiefgreifenden Wandel mitgemacht. Die jüngere Generation kann sich oft das alte Dorf nicht mehr vorstellen, es ist zu einer fernen Welt geworden, zu einer "Welt, die wir verloren haben" (P.Laslett). Ein tiefer Traditionsbruch ist unverkennbar. Die Gefahr, auf diese Weise geschichtslos zu werden und Identität zu verlieren ist sehr groß. Viele Junge meinen heute, nur sie seien der Mittelpunkt des Geschehens und wissen dabei nicht mehr, was vor ihnen war und denken oft auch nicht darin, was nach ihnen einmal sein wird. Mit der der Hof-, Häuser- und Familiengeschichte eines Anwesens sollen manche Junge mit der Welt ihrer Vorfahren konkret angesprochen und dabei ins bewußt gemacht werden, daß auch sie nur ein Glied in einer langen Kette sind, die bei den Urahnen vor Jahrhunderten beginnt und dann zu den Nachkommen weiterführt, weiterführen soll.
Es ist es also auch das Anliegen, die historische Wurzeln (roots) und Quellen (fontes) nicht nur für wissenschaftliche Probleme, sondern auch für die Verwurzelung und Identifizierung der Heutigen sichtbar und nutzbar zu machen. Hinzu kommt für mich der emotionelle Faktor, daß hier alles um mich Heimat ist.
So hat mich denn die Geschichte meines Wohnortes Heinrichshofen und Egling immer wieder beschäftigt, seitdem ich 1974 hier ansässig geworden bin. Beide Orte sind mir zur "neuen Heimat" geworden. Die "alte" ist natürlich das nahe Wabern geblieben, von wo ich herstamme, und das bisher im Vordergrund meiner lokalhistorischen Bemühungen stand.
Öfters gab es konkrete Anlässe, sich mit der Ortsgeschichte zu beschäftigen, wie zuletzt die Suche nach dem hier 1944 abgestürzten englischen Flieger Warburton (siehe Startseite oben Link). Seit mehreren Jahren hat mich die Erarbeitung eines historischen Häuserbuches dieser Orte immer mehr in den Bann gezogen. Ich darf sagen, daß ich damit diese Orte erst so richtig kennengelernt habe, vor allem Egling, wo ich mich am Anfang nur sehr oberflächlich auskannte.
In der Zwischenzeit ist das Häuserbuch weit gediehen, dank auch der Mithilfe vieler Bürger und Helfer. Eine große Zahl alter Fotos konnte ermittelt und ausgewertet werden. Ein Ende ist aber wohl nur "mit Gewalt" zu machen, immer wieder tauchen neue interessante Einzelheiten auf.
Welch schwierige, aber auch schöne Arbeit die Erarbeitung eines Häuserbuches ist, hat seinerzeit Toni Drexler, der verdiente Heimatpfleger vom Landkreis Fürstenfeldbruck, in seinem Vorwort zum Häuserbuch Althegnenberg - Hörbach in prägnanter Weise zum Ausdruck gebracht. Es sei im folgenden als Auftakt meiner Berichte wiedergegeben.
www.genealogie-kiening.de/Althegnenberg/html
"Wer sich längere Zeit mit der Geschichte eines - oder wie in diesem Falle zweier - Orte befaßt, kommt auf Dauer nicht umhin, ein Häuserbuch anzulegen. In diesem werden nun alle Daten, die sich auf einzelne Personen oder Anwesen beziehen eingetragen. Das Ergebnis - oder besser: das Zwischenergebnis liegt nun vor ... Es soll zur weiteren Auseinandersetzung und zur weiteren Erforschung der Heimatgeschichte anregen.
Die Anwesensgeschichte eines Ortes zu schreiben ist ein schwieriges, aber
lohnendes Unterfangen. Sie bietet zum ersten mal die Chance den verschwundenen
Generationen unserer Orte eine Stimme zu verleihen, auch wenn es manchmal nur ein
leises Flüstern ist. Sie, die Menschen der vorangegangenen Generationen, die
Geschichte meist nur erdulden mußten, oder gar Opfer der Geschichte wurden,
werden noch einmal mit einigen wenigen Daten genannt: Name, die Dauer ihrer
Anwesenheit und vielleicht noch ein paar Hinweise darüber wie sie sich
durchs Leben brachten. Und dennoch waren sie es, die unsere Orte gestalteten, sie
waren also nicht nur Opfer der Geschichte sondern auch im begrenzten Umfang
Handelnde, die bis heute sichtbare Spuren hinterlassen haben.
Die sog. "große" Geschichte wird dann nachvollziehbar, wenn sie sich mit
dem Geschehen vor Ort in Verbindung bringen läßt; wenn man die ganz
persönlichen Auswirkungen Z.B. des Dreißigjährigen Krieges auf
seine Vorfahren nachlesen kann.
Daß die Anlage eines solchen Häuserbuches nicht gerade einfach ist,
wurde schon erwähnt, ja es brachte den Verfasser mehrmals an den Rand der
Verzweiflung. Man stelle sich das Ganze am ehesten als ein riesiges Puzzle mit
mehreren Tausend Teilen vor, daß nun aneinander zu fügen sei, nur mit
dem Unterschied, daß man nicht sicher sein kann, daß das Ganze auch
aufgeht. Allein an der Tatsache, daß es in Hörbach im 17. und. 18.
Jahrhundert 10 Anwesen mit dem Familiennamen "Rottenfusser" gab, mag die
Schwierigkeiten bei der Zuordnung der einzelnen Personen verdeutlichen. Tausende
höchst unterschiedlicher Daten aus den verschiedensten Beständen von 6
Archiven wurden zusammengetragen und versucht zu ordnen und miteinander in
Verbindung zu bringen. Als Quellengattungen wurden zum größten Teil
ausgewertet: Kataster, Steuerbücher, Stift- und Salbücher, Urkunden,
Briefprotokolle (diese jedoch nur für Hörbach), Matrikelbücher und
Kirchenrechnungen (auch nur für Hörbach). Es versteht sich von selbst,
daß die Angaben zur Person, wie wir sie heute als selbstverständlich
voraussetzen z. B. Geburtsdatum, genaue Adresse usw., in weiter
zurückliegenden Zeiten nicht vorhanden waren. Man muß sich nach
anderen Merkmalen die zur Einordnung der Personen dienen umsehen: Hausname,
Grundherrschaft, Vorbesitzer, Besitzgröße, Beruf, verwandtschaftliche
Beziehungen usw. Erschwerend kommt hinzu, daß es auch widersprüchliche
und falsche Eintragungen gibt.
Verallgemeinernd kann gesagt werden, daß zum einen je niederer der soziale
Stand der Person und zum anderen je älter die Quelle ist, desto
dürftiger die zu erhebenden Daten sind.
Das Häuserbuch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; auch nach
noch mal 10 Jahren Forschung wird es immer noch Lücken geben! Auch werden
mit Sicherheit einige kleine Fehler sich bei weiteren Forschungen herausstellen,
da die Quellen oft widersprüchlich sind oder falsch interpretiert werden
(auch frühere Forscher waren davor nicht gefeit)..........."
Stand 16.5.2007